Comic-Tipps zu Weihnachten Teil 2

Alle Jahre wieder – Teil II: Nicht dass Ihr denkt, das wäre es schon gewesen… Noch eine Woche bis Heiligabend und noch genügend Zeit, Geschenke zu besorgen. Vielleicht findet Ihr ja unter den folgenden Empfehlungen ein Buch, das Euch auch gefällt. Von Sekundärliteratur über neu aufgelegte Klassiker, Adaptionen und Graphic Novels ist alles dabei. Meine Comic-Tipps zu Weihnachten Teil 2. Viel Spass beim Schmökern. (Und hier gehts zu Teil 1.)

Habe ich schon einmal erwähnt, dass man nie zu viel Comics von Mœbius haben kann? Bei der Gesamtausgabe von Altor ist der Altmeister als Szenarist aufgetreten. Vielen dürfte die Geschichte unter dem Namen Der große Kristall bekannt sein. Darunter nämlich wurde sie in den 1980er Jahren in mehreren Folgen unter anderem im deutschen Magazin Schwermetall veröffentlicht. Jetzt liegt die Story gebündelt vor. Eine Einleitung von Zeichner Marc Bati und ein paar unveröffentlichte Seiten runden das Ganze ab. Band 2 soll folgen. Für Mœbius-Sammler und solche, die es werden wollen.

Altor. Gesamtausgabe. Szenario: Mœbius, Zeichnungen: Marc Bati. HC, farbig, 168 Seiten. All-Verlag. 39,80€

Er hat es wieder getan. Alexander Braun arbeitet wie eine Maschine. In schöner Regelmäßigkeit erscheinen seine fantastischen Kataloge. Dieses Mal Stayin West – Comics vom Wilden Westen. Aber Moment mal, hat er dazu nicht schon vor Jahren ein Buch dazu veröffentlicht? Stimmt, 2014 war das, so schreibt er auch im Vorwort des neuen Werkes. Weil das Genre aber noch viel mehr zu bieten hat, als Alexander in dem ersten Katalog dazu abhandeln konnte, hat er sich erneut an das Thema gemacht. Wie immer ist das Buch voller abgebildeter Originalzeichnungen, Querverweisen und neuer Erkenntnisse. Etwa auch zur hierzulande so verehrten Donald Duck-Übersetzerin Erika Fuchs. Deren Sprachkünste offenbar doch nicht so genial waren, wie oft behauptet wird.

Staying West. Comics vom Wilden Westen. Autor: Alexander Braun. HC, farbig, 272 Seiten. Salleck Publications. 49 €

Disney feiert den 100. Geburtstag und wir feiern natürlich mit. Und zwar mit dem dicken Wälzer 100 Jahre Comics – das Beste aus Entenhausen. Eine Zusammenstellung der unterschiedlichsten Geschichten rund um Mickey, Donald und Onkel Dagobert. Um genau zu sein, sei erwähnt, dass Micky natürlich schon 1928 sein Kinodebüt feierte. 100 Jahre alt wurde in diesem Jahr allerdings das Disney Brothers Studio, besser bekannt unter dem Namen Walt Disney Studio. Im Buch findet sich alles, was im Disney-Universum Rang und Namen hat: Floyd Gottfredson und Al Taliaferro, Carl Barks und Don Rosa, Tony Strobl und Romano Scarpa und viele andere. Sogar einige deutsche Erstveröffentlichungen sind darunter. Eine bunte, gelungene Mischung, die auch zeigt, wie unterschiedlich die Stile der jeweiligen Zeichner durchaus sind.

Disney: 100 Jahre Comics. Das Beste aus Entenhausen. HC, farbig, 368 Seiten. Egmont Comic Collection. 59,-€

Was für eine Kunst, ganz ehrlich, und das alles in schwarz und weiss. Völlig zurecht weist Juan Diaz Canales im Vorwort zur Neuauflage von Mort Cinder daraufhin, „dass der Tuschefleck nichts ohne seinen komplementären Negativraum ist.“ Wie Recht er hat. Denn schon die ersten Seiten zeigen, wie gekonnt Großmeister Alberto Breccia mit Schwarz und Weiß umgehen konnte. Allein die erste kurze Geschichte zieht einen beim Lesen sofort in ihren Bann. Geheimnisvoll ist sie, mystisch. Auf jeden Fall eine, die Lust macht immer weiter zu blättern. Mort Cinder kehrt von den Toten zurück, überdauert die Jahrhunderte und wird Zeuge einer Reihe wichtiger historischer Ereignisse. Wie gut, dass wir ihn jetzt mit dieser Neuauflage dabei begleiten können. Im Anhang liefert dann noch ein unveröffentlichtes Szenario einen Einblick in Oesterhelds Werk. Einfach Großartig.

Mort Cinder. Text: Héctor German Oesterheld, Zeichnungen: Alberto Breccia. HC, sw, 256 Seiten. Avant-Verlag. 40,-€

Eine Romanadaption: Nekropolis. Schemenhafte, reduzierte aber doch ausgefeilte Zeichnungen, fast Scherenschnitt artig, aber mit Tiefe. Auf den ersten Blick faszinieren die schwarzweißen Bilder, der Text tritt in den Hintergrund. Was bei Mort Cinder (s.o.) galt, gilt hier erst recht. Ohne den Negativraum kann man sich diese Graphic Novel nicht vorstellen. Ganzseitige Bilder wechseln sich mit Comic typischen Seiten ab. Was fehlt, sind die Sprechblasen. Die in Schreibmaschinen-Typo gesetzte Schrift wird in die Zeichnungen eingefügt und unterstreicht den dokumentarischen Charakter, den schon der Ursprungstext hatte. Eine absolut gelungene Art, sich mit den Erinnerungen eines ehemaligen Häftlings eines Konzentrationslagers auseinander zu setzen.

Nekropolis. Szenario: Boris Pahor, Zeichnungen: Jurij Devetak. HC, sw, 168 Seiten. Schaltzeit Verlag. 25,-€

Ein weiteres Buch, das sich mit diesem Thema auseinandersetzt, ist Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung. Wir kennen Emmie bereits aus der Veröffentlichung Aber ich lebe. Einer 40-seitigen Kurzfassung von Emmies Geschichte von Barbara Yelin. Es geht um eine Überlebende des Holocaust, die sich an die Zeit im Krieg und danach erinnert. Barbara Yelin hat Emmie in ihrer heutigen Heimat nahe Haifa besucht. Sie haben sich aber auch in Deutschland getroffen, oder per Videokonferenz unterhalten. Entstanden ist ein beeindruckender Comic über eine beeindruckende 86-jährige Frau, die selbst meint: „Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass ich am Leben geblieben bin.“ Ein wichtiges Buch.

Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung. Text/Zeichnungen: Barbara Yelin. HC, farbig, 192 Seiten. Reprodukt. 29,-€

Kaum sind seine beiden jüngsten Kafka-Bücher erschienen, da wird Nicolas Mahler Chef der Schule für Dichtung in Wien. Zufall bestimmt – ändert aber auch nichts daran, dass der Zeichner mit dem reduzierten Strich sich wieder einmal einem Klassiker der Literatur annimmt. Komplett Kafka und Kafka für Boshafte sind allerdings grundsätzlich verschieden. Während er sich im Erstgenannten dem Leben und Werk in Gänze widmet (so wie eben nur er das auf wenigen Seiten schafft), greift er im Zweiten die witzige Seite des Prager Schriftstellers auf. Bezieht sich dabei unter anderem auf dessen Tagebücher, die er mit seinen markanten Zeichnungen illustriert. Wie immer bei Mahler muss man beim Lesen mindestens mit beiden Augen zwinkern. Wer was für Zwischendurch sucht, wird hier fündig.

Kafka für Boshafte. Ausgewählt und gezeichnet von Nicolas Mahler. SC, sw, 124 Seiten. Insel Taschenbuch. 12,-€
Komplett Kafka. Zeichnungen: Nicolas Mahler. HC, farbig, 128 Seiten. Suhrkamp. 18,-€

Meine Lieblingsfigur: Gaston! Wie schön, dass der Carlsen-Verlag eine so tolle Ausgabe herausgebracht hat. Fünf Bände im sensationell aufgemachten Schuber. Der Verlag schreibt: „Der Comic-Schuber enthält fünf querformatige Einzelbände, die in dieser Form noch nicht auf Deutsch erschienen sind. Die fünf Bücher sind eine – inhaltlich – identische Neuauflage von fünf der ersten Gaston-Alben überhaupt, die zwischen 1964 und 1967 im „italienischen“ Querformat erschienen sind.“ Wer die Bände in die Hand nimmt, spürt fast die Zeit, in der die Geschichten entstanden sind. Für alle Franquin-Liebhaber, zu dessen 100. Geburtstag.

Gaston im Schuber. Text/Zeichnungen: André Franquin. HC, farbig. Carlsen-Verlag. 89,-€

Wie Ihr wisst, bin ich großer Fan von Sekundärliteratur. Ich habe auf der comic-denkblase schon einige Bücher über Comics vorgestellt. So auch über Lucky Luke. Georg Seeßlen hat nun ein weiteres Buch zum Lonesome Cowboy veröffentlicht. Der Filmkritiker unternimmt dabei einen Ausflug zum Westernkino, streift die Veröffentlichungsgeschichte von Lucky Luke und widmet sich natürlich auch deren Schöpfern, Morris und Goscinny sowie deren Erben um Achdé. Auch wenn es schon einige Bücher zum Thema gibt: Das kleine Büchlein hier liefert eine gute Ergänzung und eine persönliche Perspektive.

Lucky Luke. Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen. Autor: Georg Seeßlen. SC, sw, 268 Seiten. Bertz + Fischer. 18,-€

Comics zu und über Marcel Proust sind nicht neu. Irgendwie hat es der Literat einigen Comic-Macher:innen angetan. In diesem Buch geht es um eine seiner Weggefährtinnen: Celeste nämlich. Sie erzählt aus ihrem Leben. Dass ihr Taxi fahrender Vater den Schriftsteller als Stammkunden hatte und so auch sie in Kontakt mit ihm kam. Das Porträt der Zeichnerin Chloé Cruchaudet blickt daher nicht nur auf die Frau, die schließlich für den großen Schriftsteller arbeiten sollte, sondern natürlich auch auf Proust selbst. Einer, der besseren Proust-Comics der letzten Zeit.

Celeste. „Gewiss, Monsieur Proust“. Erster Teil. Text/Zeichnungen: Chloé Cruchaudet. HC, farbig, 124 Seiten. Insel-Verlag. 25,-€

Ich war noch nie beim Comic-Salon in Angoulême. Schade eigentlich. Aber wie gut, dass Bastien Vivês uns jetzt zumindest zeichnerisch ins letzte Wochenende im Januar mitnimmt. Sein Comic spielt nämlich dort, wo sich die europäische Zeichnerszene einmal im Jahr trifft – Ende Januar eben. Es geht um die Szene, um die Fans, aber auch ums Zwischenmenschliche. Oft sprechen die Zeichnungen für sich, der Text wird sparsam eingesetzt. Das unterstreicht eine gewisse Melancholie, die den ganzen Comic durchweht. Ein Buch, das mir noch mehr Lust macht, endlich mal in den Westen Frankreichs zu fahren – letztes Wochenende im Januar.

Letztes Wochenende im Januar. Text/Zeichnungen: Bastien Vivés. HC, sw, 180 Seiten. Schreiber & Leser. 22,80 €

Auch wenn ich kein allzu großer Freund von Sachbuch-Comics bin: Gebrandmarkt habe ich mit Interesse gelesen. Das Buch geht weit in die Geschichte zurück. Beginnt mit dem Prediger Cotton Mather, der zwischen 1663 und 1728 lebte und die theologische Grundlage legte für den Rassismus der Gründerväter. Es folgen Kapitel über Thomas Jefferson und andere und endet mit Angela Davis – einer US-amerikanischen Bürgerrechtlerin und Symbolfigur der Black Power-Bewegung in den 1970er Jahren. Wer sich für das Thema interessiert und einen anderen Zugang sucht, der wird ihn hier finden.

Gebrandmarkt. Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika. Autor: Ibram X. Kendi. Zeichnungen: Joel Christian Gill. HC, sw, 284 Seiten. C.H.Beck. 28,-€

Im Verlag Schreiber & Leser habe ich schon öfter tolle Krimi-Comics entdeckt. Entsprechend gespannt war ich auch dieses Mal. Nicht nur wegen des Trenchcoats und der Pfeife erinnert mich Harry Dickson auf den ersten Blick an Blake & Mortimer. Die Hauptpersonen sind Detektiv Harry Dickson und sein Assistent Tom Wills. Auch Optik und Geschichte könnten ins B & M Universum passen. Und doch ist es wohl eher Sherlock Holmes, der hier Pate stand. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Autorin Delphina Cruyshank, die in einem abgelegenen Turm lebt, von dort mit einem Fernrohr ins benachbarte Gefängnis guckt und sich Ideen für ihre Krimis holt. Und als ein ausgedachter Mord tatsächlich stattfindet, muss eben Harry Dickson ran. Im Anhang des Buches hilft ein redaktioneller Text mit einer zeit- und kulturhistorischen Einordnung der Roman-Adaption. Ich sags ja: Tolle Krimis haben sie da immer bei Schreiber & Leser.

Jeans Ray’s Harry Dickson. 1. Mysteras. Szenario: Doug Headline und Luana Vergari nach einem Originalroman von Jean Ray. Zeichnungen: Onofrio Catacchio.HC, farbig, 64 Seiten. Alles Gute/ Schreiber & Leser 17,95 €

,Dieses Buch ist angesichts des Krieges im Nahen Osten leider aktueller denn je. Die Synagoge spielt im Frankreich der 1980er Jahre. Es ist die Zeit, in der der Front National offen antisemitisch agitiert. Die Zeit der Neo-Nazis und der Bombenanschläge. Joann Sfar erzählt darin von seinem Leben. Und so beginnt das Buch mit dem 17-jährigen Joann, der als Aufpasser vor der Synagoge in Nizza Wache schiebt. Nur, um dann zu seinem 49-jährigen Ich zu springen, das noch von einer Corona-Infektion gezeichnet, eine Art Lebensbilanz zieht. Im Anhang belegt der Autor mit Zeitungsausschnitten und Sreenshots die antisemitischen Vorfälle der damaligen Zeit. Schockierend die Auflistung der Vorfälle, die Sfar seit seiner Geburt aufgelistet hat. Ein aktuelles und sehr wichtiges Buch.

Die Synagoge. Text/Zeichnung: Joann Sfar. HC, farbig, 208 Seiten. Avant-Verlag. 30,-€

Noch mehr Comic-Tipps gibt es hier: Comic-Tipps 2022 oder hier: Comic-Tipps 2022 Teil 2

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