Jean Giraud – Gir – Mœbius: Drei Namen, ein Zeichner. Mit Blueberry, John Difool oder Arzach hat er sich unsterblich gemacht. Seine weiten Landschaften in der amerikanischen Prärie oder auch auf fremden, unbekannten Planeten sind unverkennbar. Leser meines Blogs wissen: Jean Giraud zählt zu meinen absoluten Favoriten. Zuletzt hatte ich über die grandiose Ausstellung in Brühl geschrieben https://comic-denkblase.de/moebius-ausstellung-im-max-ernst-museum-bruehl-des-lvr. Jetzt hat der Bielefelder Splitter-Verlag das Frühwerk des Zeichners veröffentlicht. Von Gir zu Mœbius liefert erstaunliche Einblicke und zeigt die beeindruckende Entwicklung dieses Ausnahmekünstlers.
Viele der in diesem Band gezeigten Zeichnungen sind zuvor noch nie auf deutsch erschienen. Der Comic-Strip, der ganz zu Beginn des Albums steht, wurde sogar überhaupt nicht veröffentlicht. Ein kurzer lustiger Streifen mit Schlusspointe. Noch weit vom markanten Strich entfernt, den Giraud beim Western Blueberry und Mœbius bei seinen Science-Fiction-Abenteuern entwickelt hat. Die Zeichnung wird dem Jahre 1956 zugeordnet – da war der Künstler gerade einmal 18 Jahre alt.
Vor Blueberry kam Lucky Luke
Ein erklärender Aufsatz des Literaturkritikers Claude Ecken am Ende des Buches ordnet den Strip und auch die folgenden Zeichnungen ein. So wird das Buch nicht nur wegen des kurzen biografischen Ausflugs zu Beginn des Textes zum wertvollen Sekundärwerk – auch für diejenigen, die sich bereits gut mit Mœbius auskennen.
Direkt nach dem ersten abgedruckten Gehversuch zeigt der Band Girauds Funny-Western Frank und Jeremy. Anleihen an den frühen Lucky Luke sind eindeutig erkennbar: Cowboyhut, Halstuch, Weste. Die Protagonisten sind tollpatschig und landen gerne in einer Schlägerei oder hinter Gittern. Noch erinnert nichts, aber auch gar nichts an den markanten Blueberry-Strich.
Giraud liebte schon früh den Western
Als Kind hat es Giraud wohl nicht so sehr mit der Schule, er liebt dagegen jede Art von Filmen. Früh entscheidet er sich fürs Zeichnen, mit 17 Jahren bereits veröffentlicht er in der Zeitschrift Far West. Schon 1958 erkennt man mit seinem Western Der König der Bisons die Entwicklung vom humoristischen hin zum realistischen Ansatz. Später textete er sogar einen Western im Foto-Comic-Stil (Die Menschenfänger von Montana, 1970) für die Zeitschrift Pilote, bei dem der großartige René Goscinny einen Gastauftritt hatte.
Schon allein diese Zusammenstellung zeigt: es handelt sich in dem Band um ein Sammelsurium teils skurriler Arbeiten. Für einen Einstieg in die Arbeit des großen Meisters ist das Buch wohl weniger geeignet. Es ist aber durchaus eine schön gestaltete Ergänzung zu dem bereits vorliegenden Oeuvre des Franzosen.
Der Zeichner auf der Suche nach seinem Stil
Beim Blättern durch das Buch wird schnell deutlich, wie Giraud auf der Suche nach einem eigenen Stil war. Mal zeichnet er fast realistisch, mal extrem reduziert. Auf einigen Seiten scheint er sich mit dem Underground anzufreunden, dann erinnert der frühe Mœbius schon fast an den späten – wo er sich selbst gerne im Comic verewigt hat.
Und so blättert man gerne von einer Zeichnung zur nächsten, ist beeindruckt davon, welch große Namen den Weg Girauds auf seinem Weg zum Ausnahmezeichner kreuzten. Jijé und Goscinny, Mézières, Bretécher oder Gotlib. Die einen förderten und forderten ihn, die anderen machten gemeinsam mit ihm Karriere. Was für Zeiten damals.
Große Namen – geheimnisvolles Pseudonym
Dass Giraud seinen Namen bald in Mœbius ändern sollte, weil sein Kürzel Gir zu sehr an seinen Kollegen Joseph Gillain erinnerte – auch das erfährt der Leser im abschließenden Essay. Eine Geschichte über das Möbiusband sollte fortan Inspirationsquelle für das weltbekannte Pseudonym sein.
Schön, dass der Splitter-Verlag seiner Mœbius-Linie treu bleibt. Nach dem Prachtband Mœbius Opus und den Splitter Diamant-Ausgaben von John Difool jetzt also ein Buch, das eine Lücke schließt. Für Sammler sicherlich ein Muß.