Alle Jahre wieder – wie Ihr es schon kennt, empfehle ich im Dezember gerne einige Comics. Auch dieses Jahr habe ich einen bunten Mix zusammengestellt, vom klassischen Krimi, über einen Sachbuch-artigen Erklär-Comic bis hin zur Neuveröffentlichung eines Superhelden-Klassikers oder einem deutschen Debüt. Viel Spaß beim Stöbern, vielleicht findet sich ja noch das ein oder andere Weihnachtsgeschenk darunter.
Was soll ich noch zu Flix sagen? Seit Jahren liefert der Wahl-Berliner Felix Görmann zuverlässig ab (so etwa hier: Spirou in Berlin). Umso schöner, dass sein Frühwerk – die Held-Trilogie – erneut in einer Gesamtausgabe erscheint. Anders als 2014 dieses Mal im edlen Hardcover. Ohne Nachwort von Ralph Ruthe aber mit Bonusmaterial. Krass, welche Qualität der Zeichner schon zu Beginn seiner Karriere hatte. Band 1 ist seine Abschlussarbeit im Studium gewesen – vor 20 Jahren zum ersten Mal erschienen. Wer die Bücher Held, Sag was und Mädchen noch nicht hat, sollte jetzt zugreifen.
Held. Gesamtausgabe. Text/Zeichnungen: Flix. HC, sw, 368 Seiten. Carlsen-Verlag. 35,-€
Ich gebe zu, das Buch ist schon im vergangenen Jahr erschienen. Doch Acting Class habe ich bisher noch nicht besprochen. Dabei ist der Stil des Buches so eindringlich, die Dialoge so gekonnt – dass ich es eben jetzt in meine Empfehlungen aufnehme. Das Buch wirkt wie ein Kammerspiel. Kein Zufall, schließlich begegnen sich hier zehn Menschen in einem Schauspielkurs. Beim Lesen wandert mein Blick von einem Gesicht zum nächsten. Man ist gespannt, wer als nächstes in den Focus kommt. Ein ungewöhnliches Werk, ein eher leises Werk. Vielleicht gefällt es mir auch deshalb so gut.
Acting Class. Text/Zeichnungen: Nick Drnaso. Aus dem Amerikanischen von Karen Köhler und Daniel Beskos. HC, sw, 370 Seiten. Blumenbar-Verlag 28,-€
Ist dieses Buch wirklich ein Comic? Seek You fällt durch ganzseitige Bilder auf. Nur ganz selten werden die Seiten geteilt. Panelgrenzen aber gibt es nie. Nicht von ungefähr steht im Impressum daher auch: Text und Illustrationen von Kristen Radtke. Doch das stört den Lesegenuss nicht. Es geht um einen Amateurfunker, der per CB-Funk Kontakte in der ganzen Welt sucht. Das zentrale Thema ist die Einsamkeit. Begonnen hat das Buch als vierteilige Serie im Page Turner des New Yorker, klärt die Autorin auf. Ein ungewöhnlicher Band, der zum genauen Hingucken und Lesen einlädt.
Seek You. Eine Reise in die Einsamkeit. Text/Zeichnungen: Kristen Radtke. Aus dem Amerikanischen von Boris Kenov. HC, farbig, 354 Seiten. Helvetiq-Verlag. 29,90€
Wer sich für die italienische Mafia interessiert, dürfte den Namen Roberto Saviano kennen. Mit 26 Jahren veröffentlichte er sein Buch über die Camorra: Gomorrha. Zehn Millionen Exemplare wurden davon weltweit verkauft. Und natürlich hatte der Autor seit der Veröffentlichung keine ruhige Minute mehr. Jetzt liefert er gemeinsam mit Zeichner Asaf Hanuka einen Einblick in sein Leben nach dem Buch. Der Stil wirkt Sachbuch-artig, doch die Story lässt einen immer weiter blättern. Ein spannender, ungewöhnlicher Krimi, der leider aus dem echten Leben gegriffen ist.
I’m still alive. Im Fadenkreuz der Mafia. Text: Roberto Saviano, Zeichnungen: Asaf Hanuka. HC, farbig, 138 Seiten. Cross Cult. 30,-€
Zeichnerisch kommt dieser Band wie ein Kinder-Erklär-Comic daher. Inhaltlich nimmt sich Smash the patriarchy des Feminismus an. Ruft zum Widerstand gegen das Patriarchat auf. Aber was ist das Patriarchat überhaupt? Das fragen sich die Autorinnen. In einer Mischung aus Geschichtscomic, Schulbuch und Graphic Novel erklären die beiden Norwegerinnen Marta Breen und Jenny Jordahl, was es damit auf sich hat. Und sie nehmen sich die größten Sexisten der Geschichte vor, darunter Aristoteles, Kant oder Woody Allen. Auf dem Klappentext heißt es: „(Die Autorinnen) halten dieser Gesellschaft den Spiegel vor und zeigen mit beißendem Humor, wie haltlos die Ansichten dieser vermeintlichen Genies sind.“ Ein Buch das sicher zur Diskussion einlädt.
Smash the patriarchy. Der Widerstand als Graphic Novel. Text: Marta Breen, Zeichnungen: Jenny Jordahl. Aus dem Norwegischen von Jonas David Gut. HC, farbig, 96 Seiten. Helvetiq-Verlag 24,90€
Der Taschen-Verlag setzt seine grandiose Reihe der Marvel Comics Library fort. Mit Spider-Man II geht es weiter und gezeigt werden in gewohnter Weise die Hefte Amazing Spider-Man 20 bis 38 sowie das Amazing Spider-Man Annual No. 2. Wie immer im großen Format mit schweren Buchdeckeln und Schutzkarton. Auf Papier gedruckt, das den Originalheften nahe kommt mit den klassischen Geschichten von Stan Lee und Steve Ditko. Auf die Reihe habe ich in der Comic-Denkblase schön öfter hingewiesen (etwa hier: Spider-Man Vol. 1). Auch dieses Mal gibt es nichts zu kritisieren, ausser dass es kein Begleitheft mit einer deutschen Übersetzung gibt.
Marvel Comics Library. Spider-Man Vol. 2. HC, farbig, 628 Seiten. Taschen-Verlag. 150,-€
Über Valerian & Veronique muss ich nicht viele Worte verlieren. Ein Klassiker des Sci-Fi-Comics, der in jedes Sammler-Regal gehört. Bei Carlsen erscheint jetzt ein Hommage-Band. Darunter so illustre Zeichner wie Christophe Blain, André Juillard oder Manu Larcenet. Und als wäre das nicht schon schön genug, sind auch deutsche Künstler dabei. Bernd Kissel, der ja das Titelbild der Comic-Denkblase gezeichnet hat, oder auch Thilo Krapp oder Michael Vogt. Ein Band, der zum Schmökern einlädt und deutlich macht, wie genial das Original von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières eigentlich ist.
Hommage an Valerian & Veronique, nach Christin und Mézières. HC, farbig, 96 Seiten. Carlsen-Verlag. 24,-€
Was ist das bloß für ein Debüt? Und dann noch von einem Künstlerpaar aus Deutschland? Ja, ich gebe es zu, das habe ich so nicht erwartet. Aber diese Zeichnungen und diese Geschichte deuten überhaupt nicht daraufhin, dass wir hier ein Erstlingswerk vor uns liegen haben. Ein verdammter Handschlag erzählt eigentlich eine klassische Geschichte. 6.000 Euro für eine Seele? Warum nicht. Wer sie verkauft, hat ein Problem. Aber keine Sorge, der Deal ist übertragbar… Fantastische Zeichnungen, witzige Texte. Großartig, dass der Splitter-Verlag immer wieder solche Perlen entdeckt.
Ein verdammter Handschlag. Text: Matze Ross. Zeichnungen: Jan Bintakies. HC, farbig, 170 Seiten. Splitter-Verlag. 25,-€
Über den Krimi Mord im Orient-Express muss ich wohl kaum noch Worte verlieren. Wer das Buch nicht kennt, kennt vielleicht die Verfilmung. Ein Klassiker eben von Agatha Christie. Für die vorliegende Adaption ist Benjamin von Eckartsberg verantwortlich. Bekannt für Gung-Ho oder auch seine Batman-Variante. Wenn ich mir je Hercule Poirot vorgestellt hätte, dann in etwa so, wie Chaiko ihn hier umgesetzt hat. In klassischem Stil, aber dennoch modern anzusehen. Auch wenn ich selbst immer eher ein Fan der Miss Marple-Krimis war, so zieht mich der Poirot-Comic doch in seinen Bann.
Agatha Christie: Mord im Orient-Express. Text: Benjamin von Eckartsberg, Zeichnungen: Chaiko. HC, farbig. 64 Seiten. Carlsen-Verlag. 20,-€
Der Vielschreiber hat wieder zugeschlagen. Lewis Trondheim legt gefühlt einen Comic pro Monat vor. Dieses Mal mit Zeichner Hubert Chevillard. Ich bleibe beginnt mit einer positiven Stimmung. Sommer, Sonne, Sonnenschein – es geht in den Urlaub an den Strand. Bis ein absurd-komischer Unfall passiert und sich eine der beiden Hauptfiguren plötzlich ohne ihren Liebsten wiederfindet. Doch anstatt abzureisen, entscheidet sie sich zu bleiben und erst einmal den Tod ihrer besseren Hälfte zu verschweigen. Ist das Unglück am Ende sogar eine Befreiung? Eine ungewöhnliche Geschichte – ein echter Trondheim eben.
Ich bleibe. Text: Lewis Trondheim, Zeichnungen: Hubert Chevillard. HC, farbig, 124 Seiten. Avant-Verlag. 24,-€
Meine früheren Tipps findet Ihr hier: Weihnachtstipps oder auch hier: Weihnachtstipps 2