Über „Comic-Archälologen“ schreibe ich ja sehr gerne auf diesem Blog. So ging es bereits um Akim-Kenner Peter Kronhagel. https://comic-denkblase.de/nostalgie-pur-akim-und-seine-vaeter Aber auch andere Sekundärbücher waren schon Thema (s.u.). Jetzt hat Kollege Detlef Lorenz ein neues Buch über Tarzan veröffentlicht: Tarzan in deutschsprachigen Medien. Der Experte beschäftigt sich sein ganzes Leben lang mit der Dschungel-Figur und hat unzählige Daten, Abbildungen und Informationen zusammengetragen. Entstanden ist eine Art Kompendium der Dschungel-Figur. Wie Detlef vorgegangen ist und was ihn an der Figur des Tarzan so fasziniert, verrät er uns im Interview.
(Alex Jakubowski) Lieber Detlef, seit Deinem ersten Buch über Tarzan sind ja schon ein paar Jahre vergangen. Was hat sich in den mehr als 40 Jahren seitdem in Bezug auf Tarzan-Veröffentlichungen getan?
(Detlef Lorenz) Wenn man diese Zeit Revue passieren lässt, kommt man auf eine beträchtliche Anzahl an neuen Veröffentlichungen. Es gab international wie hierzulande neue Filme, mehrere Fernsehserien, ein Musical wurde auf die Bühne gebracht. Die bis dato auf Deutsch noch fehlenden Romane wurden endlich veröffentlicht und sehr viele neue aber auch alte Comics kamen endlich in hervorragender Qualität heraus. All das zusammen genommen rechtfertigte für mich den Gedanken und dann die Umsetzung an ein neues Buch über Tarzan in deutschsprachigen Medien.
Was fasziniert Dich so sehr an dieser Figur?
Es liegt wohl daran, weil ich regelrecht mit ihr aufgewachsen bin. Ungefähr mit fünf Jahren habe ich mir erste Tarzan Comics angesehen (selbst lesen konnte ich sie ungefähr ein bis zwei Jahre später). Gekauft und Vorgelesen hat sie mir in dieser Zeit hauptsächlich meine Mutter, was Sie mit sehr viel Empathie tat. Mit sechs Jahren sah ich Filme des Dschungelhelden in den Jugendvorstellungen der Kinos, die mich auch schwer begeisterten. Beide Medienerzeugnisse begleiteten mich dann weitere zehn Jahre, bis ich mit meinem Eintritt in ein Berufsleben, zuerst als Lehrling, dann als Geselle, mir einredete, zu alt für diese Art der Unterhaltung zu sein; zumindest für die Comics.
„Lebenslange Liebe“
Das hielt zum Glück nicht lange an. Fast gleichzeitig mit meiner Wiederentdeckung der Comics gewahrte ich zu dieser Zeit die Romane. Die Lektüre dieser Texte lies mich Tarzan erneut als, sozusagen, gesamt-literarische Figur auf den ersten Platz vorrücken. Mit Eintritt in die INCOS (Interessengemeinschaft Comic Strips) kam ich an Infos und Quellen nicht nur über Tarzan, sondern auch über dessen Erfinder, Edgar Rice Burroughs, heran. Dieses Interesse sprach sich in der INCOS schnell herum und auf dem ersten deutschen Comic-Congress 1973 wurde ich gebeten, einen „Diavortrag“ über Burne Hogarths Tarzan halten, der sich im Laufe der folgenden Jahre über diverse Artikel zum Buch mit dem wagemutigen Titel „Alles über Tarzan“ ausdehnte.
Das neue Buch strotzt ja nur so vor Details. Wie bist Du vorgegangen? Woher stammen all die Quellen und Originale?
Als erstes war natürlich mein altes Buch eine Quelle und Inspiration. In den vergangenen Jahren habe ich dort ständig Infos über Neuerscheinungen mit Bleistift nachgetragen, die ich jetzt „nur“ einzureihen brauchte. Zudem sind mir neue Informationen zugeflossen, die mir manche Details in einem anderen Licht erschienen ließen. Ich habe vorausschauend diverses Material mit dem Hintergedanken gesammelt, es einmal verwenden zu können. Von diesem habe ich mich in letzter Zeit größtenteils wieder getrennt, weil es weit über mein eigentliches Interesse vom Sammeln und Aufbewahren der Comics und Romane hinaus geht. Als Beispiel seien Bastei-Romane genannt, die mit einer Art Filmprogramm versehen waren, von denen mindestens eines einen Tarzan-Film betraf (Lex Barker). Mein enger Kontakt zu einem Hamburger Comicladen bescherte mir diverse Infos und weiteres Abbildungsmaterial, wie z.B. der wahrscheinlich einzige noch vorhandene und komplette Druckbogen eines Heftes des Mondial Verlags.
„Neue Erkenntnisse“
Natürlich war auch das inzwischen etablierte Internet mit seinen unwahrscheinlichen weltweiten Verknüpfungen, sehr hilfreich. Comicfreunde machten mich ebenfalls auf interessante Details aufmerksam, die mit ins Buch einflossen. Ein angemeldeter Besuch im Deutschen Filminstitut Frankfurt a.M. offenbarte mir filmisches Detailwissen, das die alten Daten im ersten Tarzan-Buch hervorragend ergänzten.
All das brauchte ich dann nur noch aufzuarbeiten, in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen, einzuarbeiten und mit Abbildungen zu versehen und schon war Tarzan in deutschsprachigen Medien druckfertig.
Du hast Dich nicht nur auf Tarzan-Comics konzentriert, sondern auch auf Bücher und Filme. Hattest Du nicht Angst, dass das zu viel sein könnte?
Eigentlich nie; mein vorheriges Buch nennt im Untertitel „Bücher Filme Comics“ – womit ich mir ja selbst ein Gerüst vorgegeben hatte. Weniger sollte es auch dieses Mal nicht werden. Das neue Buch trägt diese Hinweise deshalb ebenfalls im Untertitel. Nur hier sind diese Merkmale um viele zusätzliche Infos und Neuerscheinungen erweitert. Das konnte ich erreichen, indem ich diesmal Teilaspekte wie Epigonen des Urwaldmenschen, Merchandising, Fanmaterial, Parodien, sowie die Nicht-Tarzan- Romane Burroughs`, herausgenommen habe. Dadurch war es mir jetzt möglich, Hauptthema intensiver zu behandeln.
Die Figur des Tarzan ist ja mehr als 100 Jahre alt. Auch die Comics haben schon ettliche Jahre auf dem Buckel. Wo siehst Du den Tarzan-Comic in den kommenden Jahren? Wird es eine Art Revival geben?
Für den Comic sehe ich momentan kaum ein echtes Revival, von gelegentlichen neuen Interpretationen der ursprünglichen Geschichten abgesehen. Im Dezember soll beim Splitter Verlag dazu ein Album einer zweibändigen Ausgabe erscheinen. Von vorhandenem Material wird im deutschen Sprachraum wohl noch einiges reprintet werden können. Zum Beispiel die bsv/Gold Key-Ausgaben mit den Romanadaptionen. Hier hoffentlich nicht nur die Russ-Manning-Hefte, sondern auch die der anderen Zeichner. Das einzige neue, genau genommen schon ergrautes Material, sind noch immer die vier Alben mit Storys, die Manning ab 1972 speziell für den europäischen Markt zeichnete. Die warten übrigens noch auf eine deutsche Erstveröffentlichung.
Das was wohl immer im breiten Publikumsinteresse bleiben wird, sind Movies, neue Filme über Tarzans Abenteuer. Ich denke da an den letzten, „The Legend of Tarzan“ von 2016, in dem ein Weltstar wie Christoph Waltz mitgespielt hat (natürlich wieder als Bösewicht), der auch hier sein Publikum fand und wohl auch in Zukunft finden wird.
„Tarzan ist aktueller denn je“
Letztendlich ist die Figur Tarzan und was sie ausmacht doch aktueller denn je. Während des Lock down haben die Menschen die Natur und die Freude am „draußen sein“ vermehrt wiederentdeckt. Aktuell haben wir während eines Kanuurlaubes auffällig viele Familien mit Kindern jeglichen Alters gesehen, die mit Begeisterung die Flüsse und Seen der Mecklenburgischen Seenplatte erkundet haben. Dieses „zurück zur Natur“ korrespondiert mit einem gewachsenen Wunsch nach einer heilen Welt, in der sich auch Tarzan wohlfühlen würde.
Leider hat selbst er es in „seinem“ Afrika nicht geschafft, die rasante Industrialisierung und die nach westlichem Vorbild ausufernde „Zivilisierung“ aufzuhalten. Deswegen zog er sich im letzten offiziellen Roman in eine andere Welt zurück. In „Pellucidar“ geht es noch ursprünglich zu und alles ist im Einklang mit der Natur . Diese Möglichkeit haben wir natürlich nicht. Aber die Entwicklung zu endlich mehr Aufmerksamkeit auf Themen wie Klimawandel, Artensterben (Insektensterben!), gesündere Ernährung durch ökologische Landwirtschaft usw., würde Tarzan mit Sicherheit gefallen und unterstützen.
Angaben zum Buch: Tarzan in deutschsprachigen Medien. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bücher, Filme, Comics. Harcover, farbig, 152 Seiten. Verlag: Edition Comicographie. Auflage: 250 Exemplare. 29,80€
Hier gehts zum Verlag: https://comicographie.jimdofree.com
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