Nostalgie pur: Akim und seine Väter

Endlich. Nach Jahren der hingebungsvollen Recherche und liebevollen Schreibarbeit ist soeben ein aufwändig gestaltetes Sekundärbuch von Peter Kronhagel erschienen. Für Fans Nostalgie pur: Akim und seine Väter. Ein Werk, das sich mit jenen Comic-Machern beschäftigt, die ab den 1950er Jahren mit der Dschungel-Serie Akim in Erscheinung traten. Peter hatte mir schon 2014 für mein Buch Die Kunst des Comic-Sammelns davon berichtet. Das Manuskript war längst fertig. Jetzt also ist es im BSV in einer Sammlerauflage von 400 Exemplaren erschienen. Ein Buch über Leben und Werk von Augusto Pedrazza und Roberto Renzi, wie es im Untertitel heisst. Peter war so nett und hat mir ein paar Fragen per Email beantwortet. Und wer glaubt, dass sich der Comic-Archäologe nun zufrieden zurücklehnt, der täuscht sich…

Titelbild von Enzo Chiomenti.
Das Cover zum Buch wurde von Enzo Chiomenti angefertigt.
©Peter Kronhagel/Gerhard Förster

(AJ) Lieber Peter, wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit endlich dieses Buch in Händen halten zu können?

(PK) Es fühlt es sich an wie eine Preisverleihung nach einer gelungenen Bergbesteigung, mit der man nicht mehr gerechnet hat. Ehrlich – als das Werk in meinen Händen lag, hab’ ich den Buchdeckel geküsst.

Wie lange hast Du mit Recherche und Texten zugebracht?

Das Buchcover, gezeichnet von Enzo Chiomenti, entstand 2012. An der Rohfassung des Manuskripts arbeitete ich bereits seit 2009. Wenn Du so willst, hat es zehn Jahre bis zur Herausgabe des Werks gedauert. 

Was lange währt…

Wie lange hat letztendlich dann die Fertigstellung gedauert?

Ab Sommer 2019 haben drei Personen Korrektur gelesen. Dabei wurden nicht nur die Texte, sondern auch das Inhaltsverzeichnis geordnet, die Fußnoten gerichtet und sich um Copyrights gekümmert. Für die finalen Korrekturen hatten wir einen Lektor gefunden, Ludwig Webel, der auch im Impressum benannt ist. Im Grunde genommen haben wir bis kurz vor dem Druck, also im November 2019, aktualisiert. Anschließend gab es noch etliches Hin und her mit der Druckerei bis alle Vorgaben für den Buchdruck erfüllt waren. Das mit dem Druck selbst ging relativ schnell.  

Eines der vielen Pedrazza-Originale, die im Buch zu sehen sind.
Eines der vielen Pedrazza-Originale, die im Buch abgebildet sind.
Hier Odysseus blendet Polyphem, 1994. ©Augusto Pedrazza

Du hast über die Jahre ja immer wieder als Autor von Fachartikeln geglänzt. Worin besteht für Dich der Unterschied, zwischen dem Autor dieses Buches und der Artikel?

Einen Buchplan zu realisieren ist mit Beiträgen in Magazinen nicht zu vergleichen. Der Artikel ist überschaubar, gegliedert in Einleitung, Hauptteil und Schluss – wie beim Aufsatz. Bei einer Biografie, einem Buch, verhält sich das anders. Die Recherchen sind viel aufwändiger, da man über Dinge berichten möchte, die nicht bereits im Bücherregal stehen. Lebensweg, künstlerische Ausbildung/Werdegang, Zusammenarbeit mit anderen Künstlern/Weggefährten, erschienene Serien (weltweite Veröffentlichungen), Verlage, Auszeichnungen (Roberto Renzi, er war hauptberuflich Journalist, das mit dem Comictexten machte er nebenbei), andere Projekte (Pedrazza studierte beispielsweise lyrischen Gesang, wäre um ein Haar gar kein Zeichner geworden). Inhaltsverzeichnis, Quellenverzeichnis (Fußnoten), Vorwort, Grußwort, Einleitung, Nachwort, Danksagung, und, und, und. Das alles muss bei der „Herstellung“ einer Biografie, eines Buchs, berücksichtigt werden. Klar – das dauert.    

Bummelei mit Vorzügen

Wir haben schon vor ein paar Jahren in „Die Kunst des Comic-Sammelns“ https://edition.lammerhuber.at/buecher/die-kunst-des-comic-sammelns über das Werk gesprochen. Eigentlich war es damals schon fertig. Woran hat es gelegen?

Es wäre zu leicht alles auf den Gestalter, den Grafiker Gerhard Förster zu schieben. Nun war es so, dass Gerhard immer nur zwischen zwei Magazinen, die er herausgibt, an meinem Manuskript arbeiten konnte. Außerdem kümmerte er sich um Arbeiten, die er als Selbständiger nicht vernachlässigen konnte, wie Auftragsarbeiten für Comicserien und eigene Projekte. Die ganze „Bummelei“ hatte schlussendlich aber den Vorteil, dass ich noch bis 2019 das Buch ergänzen und dadurch veredeln konnte. 

Welche Anekdote ist die eindrücklichste, wenn Du an Deine Recherchen zurück denkst?

Es hängt nicht explizit mit dem Buch zusammen, aber es ging darum, wie ich zum ersten Mal ein Original italienisches Akim-Streifenheft (Akim – Il figlio della jungla), also der allerersten Serie (prima serie von 1950) in Händen hielt.

Nostalgie pur: Akim und seine Väter. Auch am legendären Bahnhofs-Kiosk.
Das berühmte Bahnhofs-Kiosk von Luino.
©2019 Peter Kronhagel/Gerhard Förster

Es war im Bahnhof-Kiosk von Luino am Lago Maggiore. Dort sah ich im Schaukasten an der Seite des Stands mindestens 50 alte Comic-Streifenhefte in den Auslagen, auch Ausgaben der 2. Akim-Serie waren dabei. Wohlgemerkt Originale, die vor 40, 50 Jahre herausgegeben wurden. Eigentlich verkaufte der Kiosk aktuelle Zeitschriften, Magazine und Romane, wie halt üblich. Nun – im Bahnhof war es gerade 7:45 Uhr in der Früh und ein Zug sollte uns gleich auf den Weg nach Mailand bringen. Mist – der Laden hatte noch zu. Warum auch immer. Wollte der morgens nichts verkaufen? Meine Frau rief energisch, dass der Zug bereits auf dem Gleis stand, und mir blieb nichts anderes übrig, als einzusteigen und anschließend, wie geplant den Tag in Mailand zu verbringen.

Als wir dann abends den Zug fiebernd im Bahnhof Luino verließen – wieder Verdruss. Der Kioskbesitzer hatte inzwischen abgesperrt, alles weggeräumt  – Feierabend. Um es abzukürzen. Erst am zweiten Tag, an einem Vormittag, erreichten wir den Kioskbesitzer, den ich nach Heften der ersten Akim-Serie befragte. Im Kiosk hatte er keine, von der zweiten Akim-Serie schon, aber von der ersten, „prima serie“ nur auf Bestellung. Der Verkäufer spürte bei mir das Herzboppern, ich sah in seinen Augen bereits die Dollarzeichen. Aber erst im Laufe der Woche besorgte mir Elio, so hieß der Verkäufer, 15 Akim-Hefte der ersten Serie von 1950/51. Er muss sie irgendwie aufgetrieben haben. Aber nicht zum Freundschaftspreis. Elio hatte aber Vertrauen, er nahm von mir einen dicken Scheck. Eigentlich hätte er anschließend ein Schild raushängen können: Wegen Reichtum geschlossen.  

Aber ich war über den Fund unglaublich beseelt. Diese Hefte sorgten auch für einen Schub bei der Realisierung des Buchplans. Das sind Glücksgefühle, die bis heute anhalten. 

Autor Peter Kronhagel.
Autor und Akim-Experte Peter Kronhagel. ©2019 Peter Kronhagel

Wie würdest Du die Rolle von Pedrazza und Renzi „comichistorisch“ einordnen?

Als mir Roberto Renzi 2010 in Mailand die Hand drückte, ich hatte Ludwig Webel  als Dolmetscher dabei, nannte er mich einen Comic-Archäologen. Das trifft den Nagel fast auf den Kopf. Denn historisch gesehen, sind die ersten Comics der beiden Mailänder aus einer Zeit, in der sie in Deutschland erst das Laufen lernten. Wenig bekannt ist, dass das erste Streifenheft (Lehning nannte es Piccolo) in Europa aus Italien stammte.

Es erschien am 5. Oktober 1948, kreiert von den Mailändern Pedrazza/Renzi. Und zwar die Serie Pierino Atom, im gleichen Monat erschien auch Tex, eine Reihe, die es nach 70 Jahren auch heute noch zu kaufen gibt. Nun könnte man sagen Pedrazza/Renzi sind „comichistorisch“ die Vertreter der Streifenhefte gewesen. Stimmt aber so nicht. Denn für Frankreich zeichnete Pedrazza ab 1958, weitere 23.000 neue Akim-Seiten, Renzi lieferte dazu die Texte. Ich kann mir das nur mit dem „Phänomen Pedrazza“ erklären. Akim lebt – in Frankreich erscheint bei Editions Bocage eine 3.Serie, fortgesetzt in 2020.   

Was sagen die Familien der beiden dazu?

Beide sind bis heute verwundert, dass sich ein Deutscher der Biografie annahm. Lange musste ich sie vertrösten, vielleicht hatten sie gar nicht mehr mit dem Buch gerechnet. Nun waren sie außer sich vor Freude und haben für ihre Familien (Kinder, Enkel, Neffen) weitere Bücher bestellt. Patrizia Pedrazza (Augustos Tochter, einziges Kind) schrieb – sie könne zwar nicht alles lesen, aber fände Mittel für eine Übersetzung ins Italiensche.    

Sprechblase? Unverkennbares Layout

Unverkennbar ist die Rolle von Gerhard Förster, Deinem langjährigen Freund. Leser der Sprechblase erkennen natürlich seine Layout-Handschrift sofort. Wie beschreibst Du seine Aufgabe.              

Außer Gerhard Förster kenne ich keinen Layouter, der mein Manuskript in dieser Buchform so treffend gestalten konnte. Gerhard ist ein Mann, dem man den Buchplan nicht groß erklären musste. Das liegt daran, dass er bereits für die Sprechblase von Norbert Hethke die Artikelreihe „Die italienischen Wurzeln“ ins Leben rief, und sich auch in Randgebieten verschiedener Ausprägungen bestens zurechtfindet.

Natürlich erkennt man Försters Layout-Handschrift der Sprechblase am Buch. Aber das ist kein Nachteil, denn die Zielgruppe die ich anspreche, nennt sich „Generation Lehning“ und die ist von der Aufmachung und Ausstattung des Werks begeistert.  

Peter und seine Frau Gaby 2016 beim Comic-Salon in Erlangen.
Peter Kronhagel und seine Frau Gaby, Erlangen 2016 ©Alex Jakubowski

Was sagt Deine Frau Gaby zu dem Buch?

Ehrlich? Da floss schon ein Tränchen, als wir das erste Buch in Händen hielten.

Gaby musste ja, wie ich es in der Widmung formulierte, auf viele Kerzenlicht-Abende wegen der Buchplanung verzichten. Aber jetzt sind wir beide glücklich – die Anstrengungen haben sich gelohnt. Von den Lesern erhielten wir bis jetzt gute Noten. 

Was machst Du jetzt mit der „freien“ Zeit?

Alex – im ersten Moment war es wie eine Befreiung. Aber inzwischen schreibe ich an einem Roman, einem beinahe Mystery-Thriller mit historischem Background. Ich wundere mich immer wieder, wozu ein fauler Mensch Lust hat.      

4  von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch:
Peter Kronhagel: Akim und seine Väter. Leben und Werk von Augusto Pedrazza und Roberto Renzi. BSV, Hardcover, farbig, DIN A4-Format.  300 Seiten. 59,80€

3 Kommentare

  1. Peter der Comic-Archäologe… das ist eine treffende Bezeichnung für Peter Kronhagel.
    Aber auch Peter der Menschenfreund, der Lyriker, der Satiriker, der Organisator für fast unmögliche Projekte, wären angebracht für den Mann, der schon seit vielen Jahren unser Szenemagazin “Sammlerherz“ mit seinen Beiträgen bereichert.
    Als ich vor 9 Jahren bei ihm zu Hause großformatige SW-Grafiken entdeckte, und Peter mir sagte, dass sie von Augusto Pedrazza stammen, konnte ich es kaum glauben. Ich hatte den Akim Zeichner aus Mailand nie als einen Mann angesehen, der Kunstwerke von diesem Kaliber schaffen konnte.
    Ich fragte Peter, ob ich das eine oder andere Werk fotografieren dürfte, was dieser mir jedoch zerknirscht aber bestimmt verwehrte. Die Grafiken sollten in einem Buchprojekt exklusiv Eingang finden. Über die Jahre hatte ich die Hoffnung aufgegeben, dass es je realisiert würde, doch an meinem 70sten Geburtstag machte mir Peter ein großartiges Geschenk. Seit 14 Tagen besitze ich dieses drei Pfund schwere Titanenwerk und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. 300 Seiten, vollgepackt mit Recherchen aus über 10 Jahren hat Peter hier in einer bestechenden Akribie zusammengetragen.
    Die lange nicht gesehenen Zeichnungen sind auch alle in dem Buch enthalten, viele auf Doppelseiten.
    Ich werde Wochen und Monate brauchen, um dieses Buch zu ergründen.
    Peter hat sich hier mit Gerhards und Ludwigs Hilfe ein Denkmal geschaffen.
    Der Preis ist mehr als berechtigt. Ich hätte auch mehr dafür bezahlt.
    Wer Akim und seine Väter wirklich würdigen will, für den ist dieses Buch ein Muss!

  2. Akim und seine Väter, ein großartiges Gesamtwerk. Wunderbar geschrieben, sehr informativ und auch das Layout ist sehr gut gelungen. Nicht nur für Akim-Fan´s eine Freude, ja ein Muss, die übrige Generation 1950 und früher fühlt sich durch die vielen historischen Abbildungen in die Anfangszeit der Comichefte zurückversetzt. Diese einzigartige Biographie über die Akim-Schöpfer muss man einfach haben.

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