Über die Leipziger Kreativschmiede Glücklicher Montag hatte ich schon vor vier Jahren hier auf dem Blog geschrieben. Damals waren die ersten Hefte der Gevatter-Reihe auf dem Markt. Inzwischen sind alle Teile erschienen und es gibt sogar eine Gesamtausgabe. Zuletzt habe ich Sandra und Schwarwel vom Verlag auf dem Comic-Salon Erlangen getroffen. Wo wir uns auch auf ein kleines E-Mail-Interview zu Gevatter – die fünf Phasen verabredet haben. Lest hier, was Zeichner Schwarwel mir geschickt hat.
(Alex Jakubowski) Lieber Schwarwel, bei Deinem Titel Gevatter kommt mir als Erstes die Assoziation: Tod. Gewollt?
(Schwarwel) Ja, natürlich. Der Tod und unser Umgang damit ist ja das Hauptthema des Albums. Der sichere Tod ist die einzige Konstante in unser aller Leben.
Das Cover wirkt leicht gruselig. Einen Horror-Comic im eigentlichen Sinne hast Du aber nicht gemacht. Worum geht es?
Das Albumcover von Gevatter – Die fünf Phasen ist ein Mash-up der fünf einzelnen Kapitel der Geschichte. In diesem Mash-up ist die Anatomie unseres Schädels – bzw. des Schädels meines Protagonisten Tim – in Haut, Muskeln, Nervenstränge, Gehirn und schließlich blanken Knochen zerlegt. Das verdeutlicht Tims Verstörung und seine Ängste, während er vom kleinen Jungen zum jungen Mann heranwächst. Tim muss dabei lernen, dass der Tod zum Leben gehört und, dass dieser sich in vielen Formen zeigen kann – ganz egal, ob uns das gefällt oder nicht.
Ich hatte vor ein paar Jahren schon mal ein kleines Porträt zu Euch gemacht. Damals gab es die ersten Teile der Geschichte in Heftform. Wie aufwändig – und vielleicht auch aufregend – war die Arbeit an Gevatter für dich?
Gevatter war ein ziemlicher Ritt, weil ich authentisch bleiben wollte und dabei sämtliche künstliche Dramatisierungen vermieden habe, die mich in anderen Geschichten nerven. Ich wollte keine Romantisierung, keine Überhöhungen und keinen erhobenen Zeigefinger. Die Bilder und die Geschichte sollten realistisch wirken, nachvollziehbar, nah dran. Da musste ich für mich an die Substanz gehen, weil ich die geschilderten Begebenheiten noch mal aus mir herausholen und neu betrachten musste, um sie irgendwie auf Papier zu bringen. Aufregend war das nicht, sondern tatsächlich sehr anstrengend.
Viel zu tun…
Letztlich hat es dann auch fünf Jahre gedauert, das Album abzuschließen, was natürlich auch daran lag, dass Gevatter parallel zu den vielen anderen Projekten entstand, die wir in dieser Zeit als Studio Glücklicher Montag verwirklicht haben: mit Nicht gesellschaftsfähig zwei dicke Bücher und ein abendfüllender Film zu psychischen Belastungen, meine täglichen tagespolitischen Karikaturen, redaktionelle und gestalterische Mitarbeit an drunter+drüber, dem Magazin für Endlichkeitskultur, Illustrationen für MDR Kripo live, den Klett Schulbuchverlag, ein paar Animationsvideos usw. Die Beschäftigung mit diesen anderen Projekten brauchte ich aber auch, um meine Arbeit an Gevatter irgendwie abzufedern. Hätte ich daneben nichts anderes gemacht, wäre ich in Gevatter versunken. Und zwar auf eine ganz üble Art.
Wie wichtig ist es für Dich, sich mit den Themen: Tod, Trauer, Sterben – aber auch Krankheit und Depression auseinanderzusetzen?
Ein Sprichwort sagt: „Was du fürchtest, findet dich.“ Das war bei mir so. Irgendwann war der Kipppunkt erreicht, an dem ich mit den üblichen Verdrängungsmechanismen, mit Alkohol, Kiffen oder Schlaftabletten nicht mehr weiterkam und ich mich proaktiv diesem ganzen Themenbereich meiner Ängste und meiner klinischen Depression stellen musste. Und das ist dann auch exakt das, was in Gevatter erzählt wird – natürlich mit dem Hintergedanken, dass Leute, die Gevatter lesen, sich ermutigt und empowered fühlen sollen, sich selbst mit ihren psychischen Belastungen auseinanderzusetzen und vielleicht damit beginnen, darüber zu reden, wie es ihnen damit und dabei geht.
Die FUNUS Stiftung hat Gevatter mit der Absicht gefördert, vermeintliche Tabuthemen – wie unseren Umgang mit dem Tod – mehr in den Fokus unserer Gesellschaft zu rücken. Und wie vorhin erwähnt, beschäftigen wir uns auch in vielen anderen Glücklicher Montag-Projekten mit ähnlich gelagerten Themen. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Wie waren die Reaktionen, nachdem die Geschichte in Heftform erschienen war?
Die ersten beiden Kapitel erschienen während der Stadt der Sterblichen 2019 (#sds19), einem anderen Projekt der FUNUS Stiftung, das wir als Glücklicher Montag mitorganisiert hatten. Ca. 50 Veranstaltungen rund um Tod, Bestattung und Endlichkeitskultur innerhalb dreier Wochen im September 2019 in Leipzig, wo wir auch Gevatter vorgestellt haben. Die Resonanz war rundum sehr gut und wir hatten während #sds19 natürlich den großen Vorteil, direkt die ideale Hauptzielgruppe erreichen zu können. Kapitel Drei erschien dann noch im Dezember 2019 und die Reaktionen waren auch cool, obwohl Gevatter wohl nur bedingt ein Weihnachtsthema ist.
Bremse Pandemie
Die Pandemie hat uns dann ziemlich ausgebremst, was auch die Vermarktung anging. Keine Signierstunden, keine Comicmessen, kein Salon in Erlangen – also haben wir stattdessen andere Projekte umgesetzt und wir entschlossen uns dann, erst im November 2022 Kapitel Vier zu veröffentlichen. Da waren die ersten drei Hefte bereits drei Jahre alt – dementsprechend blubberte Ausgabe Vier ziemlich herum, weshalb wir beschlossen, Kapitel Fünf einfach direkt parallel zur Gesamtausgabe zum Comic-Salon herauszubringen. Wir haben auch nur eine relativ kleine Auflage von Kapitel Fünf gedruckt – natürlich vor allem für die Comicbook-Sammler, weil es übel ist, wenn eine Reihe nicht abgeschlossen wird – da die meisten Leute sowieso zum Album greifen würden. Das hat sich auch als richtig erwiesen.
Gibt es schon ein neues Comic-Projekt, auf das wir uns freuen können?
Das neue Projekt ist eher das alte Projekt: Auf meiner Bucketlist stehen noch die beiden ausstehenden SEELENFRESSER-Alben „Hoffnung“ und „Barmherzigkeit“, die ich auf jeden Fall endlich abschließen will, weil die mir schon ewig auf der Seele lasten. Daneben erscheint ja Schweinevogel auch jeden Monat im Leipziger Straßenmagazin Kippe und Herr Tod und Frau Leben haben halbjährig ihren Auftritt im drunter+drüber-Magazin. Desweiteren gibts demnächst einen Ausflug ins deutsche Superhelden-Reich, aber darüber kann, darf und will ich noch nichts sagen.
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