Die Kinder der Résistance: spielerisch, aber nicht naiv

Geschichte im Comic neigt ja gerne dazu, mit dem erhobenen Zeigefinger daher zu kommen. Es ist ein schmaler Grad, den Szenaristen und Zeichner da beschreiten. Zumal, wenn es um die Geschichte des Zweiten Weltkriegs geht. Umso schöner, dass soeben im Wiener Verlag bahoe books eine Reihe erscheint, die sich mit der deutsch-französischen Vergangenheit auseinandersetzt. Dem Comic Die Kinder der Résistance gelingt das sogar ausgezeichnet.

Geschichte im Comic. ©bahoe books 2021

Mai 1940: Der Terror der Nationalsozialisten überkommt auch das benachbarte Frankreich. Die beiden zwölfjährigen Jungen Eusèbe und François wohnen im kleinen Dorf Pontain L’Ecluse in der besetzten Zone, südöstlich von Paris. Anfänglich reicht ihr Widerstand nur dazu, die vorbeimarschierenden deutschen Soldaten zu ignorieren, während die Kinder am Straßenrand mit ihren Murmeln spielen. Schnell aber werden sie aktiv und drucken Flugblätter oder manipulieren eine alte Schleuse – ein eindeutiger Sabotageakt.

Die Kinder der Résistance – Der Widerstand wächst

Als die gleichaltrige Lisa in ihr Leben tritt, werden die drei zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Noch nicht ahnend, welches Geheimnis Lisa mit sich bringt. Kindlich naiv überschreiten sie so manche Grenze und geraten so auch oft in Gefahr. Etwa, wenn sie in der Dunkelheit ausspionieren, welche Fracht die im Fluss gestrandeten Lastschiffe an Bord haben.

Cover zu Band 2: Erste Repression ©bahoe books 2021

Was im Band Erste Aktionen noch wirkt, als würden die drei Kinder Krieg spielen, bekommt in Band zwei Erste Repressionen eine krasse Wendung. Und ganz ehrlich: Das tut der Geschichte gut. Dass Kinder in dem Alter aktiv Widerstand leisten, ist doch nur schwer vorstellbar und war auch in der Realität eher die Ausnahme.*

Mehr Realismus tut gut

Mit ihren Flugblättern haben die Kinder in Band zwei inzwischen dafür gesorgt, dass sich Teile des Dorfes anonym zusammentun und desertierten französischen Soldaten helfen. Dass es ausgerechnet der Vater von François ist, der am Ende genau deswegen hingerichtet wird, verleiht der Geschichte eine realistischere Anmutung, als sie es im vorangegangenen Band hatte.

Was wissen die Eltern? Was wissen die Kinder? ©bahoe books 2020

Das tut der Geschichte nicht nur wegen des größeren erzählerischen Realismus gut. Denn der kindlich naive Stil von Zeichner Benoît Ers unterstreicht eher das spielerische. Anfänglich habe ich mit diesem Stil noch etwas gefremdelt. Aber spätestens in Band zwei hat er mich überzeugt. Comic ist eben das Zusammenspiel von Wort und Bild. Und das funktioniert manchmal erst, wenn man sich länger mit Stil und Thema auseinandersetzt.

Gelungene Geschichtsvermittlung

In diesem Fall aber ist die Herangehensweise der beiden Autoren genau richtig. Zu viel Realismus in der Zeichnung würde der angestrebten Zielgruppe – im Gegenteil – sicher nicht gerecht. So aber passt es einfach und macht die im Schulunterricht oft als zäh empfundene historische Geschichte – als fiktive Geschichte –  sehr gut lesbar. Hilfreich ist da sicherlich auch, dass Autor Vincent Dugomier im Anhang historische Hintergrundinformationen liefert. So baut die Reihe ein mit Fotos und Dokumenten unterfüttertes, solides Fundament – auf dem der Comic ganz anders nachwirken kann.

Die beiden Jungs schmieden Pläne ©bahoe books

*Hier wird zum Beispiel auch eingeordnet, welche Rolle Kinder im Widerstand damals wirklich leisteten. Was das Autorenteam ihnen im Comic andichtet, dürfte allerdings eher dem Spannungsbogen der Erzählung geschuldet sein.

Auf sechs Bände angelegt

Trotz aller erzählerischer Freiheit ist Die Kinder der Résistance eine äußerst lesenswerte Reihe. Geschichte im Comic war in meinem Blog ja durchaus bereits an anderer Stelle Thema (s.u.). Benoît Ers und Vincent Dugomier gelingt es mit Die Kinder der Résistance aufs Beste, ein ernstes Thema spielerisch zu vermitteln – ohne ins Seichte abzugleiten oder die Moralkeule zu schwingen. 

Zeichner Benoît Ers ©bahoe books 2021

Die beiden aus Belgien stammenden Kreativen haben ihre Geschichte übrigens auf sechs Bände angelegt. Und ich bin schon jetzt sehr gespannt darauf, wie es weitergehen wird.

5 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch: Die Kinder der Résistance. Bisher zwei Bände. (1. Erste Aktionen, 2. Erste Repression). Autor: Vincent Dugomier. Zeichner: Benoît Ers. Hardcover, farbig, je 56 Seiten. bahoe books. Wien. Je 16,-€

Hier gehts zum Verlag: http://www.bahoebooks.net

Mehr Geschichte im Comic gibt es auf meinem Blog auch hier: https://comic-denkblase.de/skizzen-einer-revolution oder hier: https://comic-denkblase.de/engels-unternehmer-revolutionaer oder hier: https://comic-denkblase.de/nimm-das-adolf-zweiter-weltkrieg-im-comic

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