"Nimm das, Adolf! – Zweiter Weltkrieg im Comic"

Kunsthistoriker Alexander Braun ist ein bemerkenswerter Vielschreiber. In den vergangenen zwölf Jahren hat er fast jedes Jahr eine neues, voluminöses Werk veröffentlicht. Ausstellungskataloge meist, zu beeindruckenden Schauen. Und mindestens genauso beeindruckend sind eben seine Bücher. Für sein im Taschen-Verlag erschienenes Buch über Winsor McCay hat er völlig zurecht einen Eisner-Award bekommen – die bedeutendste Comic-Auszeichnung der Welt. Zuletzt habe ich hier auf comic-denkblase.de über sein Buch zu Krazy Kat geschrieben. https://comic-denkblase.de/george-herrimans-krazy-kat-neues-buch-von-alexander-braun Aktuell liegt sein Katalog zur Darstellung des Zweiten Weltkriegs im Comic vor: „Nimm das, Adolf! – Zweiter Weltkrieg im Comic“.

Alfred E. Neumann alias Adolph Neumann.

Bei seinen Büchern nimmt Braun alles selbst in die Hand. Recherche, Text, Layout. Dank seines exzellenten Netzwerks gelingt es ihm immer wieder, Comic-Schätze ans Tageslicht zu befördern. Wenn schon seine Ausstellungen davon profitieren, dann tun dies die meist dazu gehörenden Bücher erst recht. Mit den Katalogen liefert er brillante Nachschlagewerke. Sie dienen auch nach dem Ende der Ausstellung als Referenz. Sie setzen Maßstäbe in Sachen Comic-Sekundärliteratur.

DC, EC oder Marvel: Wie wurde hier der Zweite Weltkrieg gezeigt?
Aktuell und kritisch

Als Kunsthistoriker begnügt sich Braun nicht damit, Themen zu beschreiben. Er ordnet ein, vergleicht, analysiert. Er zieht Rückschlüsse und nimmt neue Perspektiven ein. Im aktuellen Buch ist das vielleicht am eindrücklichsten im Kapitel über Tim und Struppi-Zeichner Hergé zu erkennen. Dort ergreift er nicht Partei. Er berücksichtigt die neuesten Erkenntnisse des Forschungsstandes und zeigt Schwachstellen auf. „Beide Lager, die Hergé-Verteidiger, wie auch die Hergé-Ankläger, sind gewieft darin, ihren Lesern stets nur die halbe Wahrheit zu kommunizieren.“ Im Kapitel Hergé Kollaborateur? Braune Schatten über Brüssel stellt er genau das gegenüber. Und er liefert somit einen wertvollen Beitrag zur aktuell aufgeflammten Debatte über die Gesinnung des Schöpfers von Tim und Struppi.

Auch Spirou wird analysiert.

Aber Alexander Braun begnügt sich nicht damit, Themen aufzugreifen, die ohnehin in aller Munde sind. Jeder der sich nur etwas für Comics interessiert, dürfte mitbekommen haben, dass es aktuell eine Debatte um Hergés Rolle im und nach dem Zweiten Weltkrieg gab.

Fundiert und interessiert

Nein, Braun greift sich auch andere Beispiele heraus. Ob er sich mit aktuellen Spirou-Spezial-Alben beschäftigt, um die dort teilweise gezeigten Stereotypen und Klischees zu analysieren. Oder weiter in der Comic-Historie zurück geht und sich mit den frühen Darstellungen des Zweiten Weltkriegs bei Superman oder Captain America auseinander setzt. Immer ist sein Blick fundiert, er erkennt Querverweise und Anspielungen und er ordnet Zeichnungen und Plots zeitgeschichtlich ein. Häufig genug waren es die persönlichen Lebensumstände der in den Krieg ziehenden Zeichner etwa (wie Alex Raymond), die eine Fortführung einer Geschichte unmöglich machten. Oft genug grübelten sie auch darüber, wie ihre Haltung zum Nationalsozialismus oder zu den Alliierten in ihren eigenen Comic-Reihen zum Ausdruck gebracht werden konnte? All das bringt uns Braun gekonnt näher.

Superman mit Hitler-Bärtchen? Auch wir wundern uns…

In „Nimm das, Adolf! – Zweiter Weltkrieg im Comic“ beschreibt der Autor in zehn Kapiteln nicht nur die Darstellung des Zweiten Weltkriegs im Comic. Er ordnet eben auch deren Macher ein, beschreibt Begleitumstände, deren Zwänge und Nöte. Braun geht auf einzelne Zeichner ein, wie Frank King, Al Capp oder eben Hergé. Er beschreibt auch die Rolle der Verlage EC, DC und Marvel oder zeigt Trends auf, wie im Kapitel Naziploitation. Zombies und Pin-Ups.

Originalseiten finden sich in jedem Kapitel.

Das Schmökern im Katalog ist wie immer ein Genuss. Das Lesen der Texte liefert Anekdoten, Zusammenhänge und Fachwissen, das in dieser Art und Weise selten zu Papier gebracht wird.

Informativ und unterhaltsam

Beeindruckend ist nicht nur die Fülle an Informationen, Quellen, Fotos und Originalzeichnungen, die Braun seinen Lesern offenbart. Es ist auch die Art und Weise, wie die Texte geschrieben sind. Das macht sie gleichzeitig informativ wie unterhaltsam.

Kurz gesagt: Wer sich für Comics interessiert und dieses Buch nicht in seinem Regal stehen hat, macht einen großen Fehler. Wie bei allen Büchern von Alexander Braun.

Cover des Katalogbuches.
Angaben zum Buch:

Nimm das Adolf! Zweiter Weltkrieg im Comic. Autor: Alexander Braun. Hardcover, Farbe, 226 Seiten. 20,-€ Begleitkatalog zur Ausstellung im schauraum: comic + cartoon (13. Oktober 2019 bis 15. März 2020). Erhältlich exklusiv nur dort.

5 von 5 Comic-Denkblasen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert