Der absolute Horror

Horrorcomics – ein spezielles Genre und offenbar eines, das sich immer noch einer großen Beliebtheit erfreut. Autor Christian Blees hat sich der deutschen Veröffentlichungsgeschichte angenommen. Erneut gelingt ihm ein detailliertes und sehr kenntnisreiches Buch. Wie Ihr ja wisst, bin ich eh schon ein Fan guter Sekundärliteratur. Das Werk kann ich aber unbedingt allen am Comic interessierten Lesern ans Herz legen. Denn Der absolute Horror – ist nur der Titel…
Der absolute Horror ist hier ja wohl die Kugelschreiber-Beschriftung… @Williams-Verlag.
(Alex Jakubowski) Lieber Christian, vor zwei Jahren hast Du Dich mit Lee Falks PHANTOM beschäftigt, jetzt also mit dem Phänomen der Horrorcomics. Warum? Was fasziniert Dich an diesem Genre?
(Christian Blees) Auch wenn ich mir mit der Antwort womöglich ins eigene Knie schieße, will ich doch ehrlich sein. Das Genre Horrorcomic hat mich im Grunde als Leser noch nie interessiert. Stattdessen ist es im Grunde so, wie bereits zuvor in Sachen PHANTOM: Mir haben die Recherche und das Schreiben Spaß gemacht. Der Inhalt war auch diesmal eher zweitrangig, so kurios das klingen mag. Auf das Thema Horror kam ich, nachdem ich auf verschiedenen Comicbörsen immer wieder feststellte, wieviele Fans gezielt nach Titeln wie GESPENSTER GESCHICHTEN und FRANKENSTEIN, aber auch nach VANESSA oder AXEL F. suchten und diese eifrig sammelten. Da bekam ich spontan Lust, mich näher mit dem Genre zu beschäftigen.
Das Cover des neuen Buches. ©2024 Edition Alfons
Du beschäftigst Dich mit der Publikationsgeschichte von Horrorcomics in Deutschland. Wie bist Du vorgegangen?
Da ich die komplette Publikationsgeschichte abdecken wollte, habe ich mir zunächst einmal einen Überblick verschafft und geschaut, welche Serien überhaupt im Laufe der Jahrzehnte erschienen sind. Ursprünglich hatte ich geplant, ausschließlich solche Heftserien vorzustellen, die es jeweils auf mindestens zehn Ausgaben gebracht haben. Doch dann merkte ich schnell, dass angesichts eines solch rigiden Auswahlkriteriums viele interessante Titel unberücksichtigt bleiben würden. Also habe ich das Ganze überdacht und gesagt: Ich stelle tatsächlich jede einzelne Horror-Serie vor, die jemals im deutschen Sprachraum erschienen ist.
 
Einzelbände indes habe ich außen vorgelassen, weil dies sonst wirklich den Rahmen gesprengt hätte. Insofern stelle ich auch Trade Paperbacks aus dem Horror-Segment nur dann vor, wenn es sich dabei um eine Reihe handelt, die mindestens zwei Bände umfasst. Wobei es auch hier Ausnahmen gibt: „Pflichtlektüre-Titel“, die lediglich als Einzelband vorliegen, stelle ich gesondert in Kästen vor, die mit HORROR HIGHLIGHT überschrieben sind. Und als ich mein Manuskript eigentlich schon fertig hatte, kam vom Verlag schließlich noch die dringende Bitte, unbedingt auch etwas zum Thema Manga-Horror zu schreiben. Das war dann nochmal ein extra Aufwand, der sich aber, denke ich, gelohnt hat. Jetzt ist das Ganze eine wirklich runde Sache.
Mit vielen Abbildungen und Belegen überzeugt auch Christians neue Veröffentlichung. ©2024 Edition Alfons.
Im Zuge der Recherche ging es mir zudem nicht zuletzt darum, möglichst viele Zeitzeugen bzw. direkt Beteiligte zu interviewen, um von diesen Hintergrundinformationen zu einzelnen Serien bzw. Titeln zu erhalten, die sonst noch nicht unbedingt bekannt sind. Highlights waren hier unter anderem (schriftliche) Interviews mit dem 80-jährigen Vicente Alcazar, der für alle großen US-Verlage gezeichnet hat, oder dem DARK-SHADOWS-Experten Jeffrey Thompson. Auch bin ich im Nachhinein froh, noch mit dem Condor-Verleger Wolfgang M. Biehler gesprochen zu haben, der leider vor kurzem verstorben ist. Und dass ich aktuelle Horrorcomic-Herausgeber wie Levin Kurio (Weissblech) oder Karl-Heinz Hörnig (ilovecomics) ausgiebig zu ihrem Schaffen befrage, war für mich ohnehin selbstverständlich.
Was lauert denn da? @DC-Comics.
Gibt es etwas, das Dich besonders überrascht hat, bei Deiner Recherche?
Durchaus. Unter anderem, wie eng die Verbindung von Romanheften zu Comics ist und war, wenn es um Horror geht. Und dass der hiesige Horrorcomic-Markt oft von entsprechenden Horror-Wellen in Kino und TV und auf dem Videosektor begleitet wurde.
Hast Du Dir wieder alle betreffenden Comics besorgt? Ich erinnere mich daran, dass Du das bei dem PHANTOM-Buch durchaus gemacht hast.
Tja, dies blieb mir auch diesmal nicht erspart. Denn selbstverständlich gehört es aus meiner Sicht zu einer sorgfältigen Recherche dazu, möglichst auf Originalmaterial zuzugreifen. Insofern musste ich auch diesmal eine ordentliche Stange Geld in (meist ältere) Comichefte stecken (seufz).
Condor – für viele Spiderman-Fans der Horror… (Der musste sein ;-)) ©2024 Edition Alfons
Du schlägst ja in der Tat einen weiten Bogen: Von Leihbüchern und Filmen sowie Comics Anfang der 1950er Jahre, bishin zu Manga-Horror aus Japan und dem Revival der Horrorcomics Anfang der 1990er Jahre bis heute. Wie würdest Du den Status des Horrorcomic-Genres im deutschen Comicmarkt beschreiben?
Mein Eindruck ist, dass das Genre in den vergangenen etwa zehn Jahren hierzulande einen deutlichen Aufschwung erfahren hat. Dies zeigen allein schon die aktuellen Heftreihen von Verlagen wie Weissblech, ilovecomics und Zauberstern. Sicherlich handelt es sich dabei nach wie vor um eine Nische – aber offenbar um eine, die auf eine treue Fan-Basis bauen kann.
Condor… Condor? ©Condor-Verlag
Kollege Alexander Braun hat sich ja vor ein paar Jahren ebenfalls dem Horrorcomic angenommen. Für diejenigen Leser, die sein Buch nicht kennen: Worin liegt der Unterschied/Mehrwert in Deinem Buch?
Ehrlich gesagt, war ich zunächst ganz schön erschrocken, als im Frühjahr 2022 Alexander Braun sein Buch zum Thema herausbrachte. Denn damit schien für mich meine eigene Recherche, die ich Ende 2021 begonnen hatte, so gut wie sinnlos – angesichts der tollen Titel, die Alexander immer wieder vorlegt. Doch als ich sein Buch dann in die Finger bekam, konnte ich erleichtert feststellen, dass deutschsprachige Horrorcomics darin lediglich in zwei oder drei Zeilen abgehandelt wurden. Insofern kann ich mit gutem Gewissen behaupten, dass sich unsere beiden Bücher gegenseitig prima ergänzen.
Welches sind Deine Lieblings-Horror-Comics?
DIE GRUFT VON GRAF DRACULA (Williams) hat mir in der schwarz-weißen Version (in mehreren Marvel-Essential-Bänden) sehr gut gefallen. Außerdem einige Storys aus dem Warren-Verlag (die auf Deutsch zum Teil in VAMPIRELLA bzw. VAMPIR-COMIC erschienen sind) sowie natürlich auch einige EC-Klassiker.
Verrätst Du uns Dein neues Projekt?
Nur so viel: Falls die Edition Alfons mir grünes Licht gibt, dann wird sich das nächste Buch mit vielen verschiedenen Comic-Genres auf einmal beschäftigen. Ich habe eine tolle Idee, die ich aber erst einmal in Erlangen mit Volker und Matthias vom Verlag besprechen muss. Ein paar Comic-Freunde aus meinem privaten Umfeld waren zumindest schonmal sehr begeistert, als ich ihnen von der Idee erzählte.
Spuk-Geschichten – Horrorcomics aus meiner Jugend… @Bastei.
Angaben zum Buch: Der absolute Horror. Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland. Aus der Reihe »Texte zur Graphischen Literatur«. Autor: Christian Blees. SC, Farbe. 244 Seiten. Edition Alfons. 29,95€

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