Comic-Experte Alexander Braun hat ein neues Buch geschrieben. Jetzt löst diese Tatsache alleine schon bei vielen Fans Schnappatmung aus. Aber er hat auch noch ein Buch über Die Simpsons geschrieben. Und dann noch etwas anders, als wir das von ihm gewohnt sind. Weniger Schwerpunkte auf der Kunsthistorie, mehr auf dem Aspekt des popkulturellen Phänomens. Aber wie immer: hochinteressant, unterhaltsam und mit vielen spannenden Aspekten, an denen sich bestimmt auch eingefleischte Simpsons-Fans erfreuen können. Die Simpsons – gelber wird‘s nicht.
Vielen Lesern ist Alexander vor allem für seine Expertise für die frühen Comic-Macher bekannt. Seine Ausstellung Pioniere der Comics in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle ist unvergessen. Seine Bücher über Winsor McCay, die Katzenjammer Kids oder über Will Eisner sind Meilensteine. Zu recht hat der Kurator, Ausstellungsmacher und Buchautor vor zwei Jahren den Max- und Moritz-Preis des Erlanger Comic-Salons erhalten. Und nicht zu vergessen: Zwei Eisner-Awards stehen ebenfalls in seiner heimischen Vitrine.
Jedes Buch ein Genuss
Allerdings hat sich der Bonner schon mehrfach auch mit Phänomenen der aktuelleren Pop-Kultur beschäftigt. In Ente süß-sauer hat er sich mit dem „guten Zeichner“ Carl Barks beschäftigt – und mit vielen seiner Nachfolger unter den Donald Duck-Zeichnern. Außerdem hat er sich der Kunst des japanischen Zeichentrickfilms angenommen und ein Buch über Anime veröffentlicht. Wie immer fundiert, umfangreich und unterhaltsam.
Dieses Mal also die Simpsons. 35 Jahre Serie und 70 Jahre Matt Groening – der Vater der gelben Familie mit den großen, runden Augen. Dass Alexander selbst großer Simpsons-Fan ist, wird man spätestens nach seiner Einleitung feststellen. Glückwunsch heißt die – und der bezieht sich erst einmal auf die 35 Jahre lang laufende TV-Serie. Eine, wie er bemerkt, unfassbare Zeitspanne, für ein TV-Format. Noch dazu ein Format, dem „(…) sogar die Macher selbst ein schnelles Ableben vorhersagten.“
Die Simpsons – ihr weltweiter Einfluss
Doch es ist anders gekommen. Und es ist nicht nur bei der TV-Serie geblieben. Es wurden Comic-Hefte mit den Simpsons produziert. T-Shirts bedruckt, unzähliges Merchandise hergestellt und vertrieben. Es gibt hunderte von Anekdoten, sowie eine Reihe von Büchern, die sich etwa mit der Philosophie bei den Simpsons beschäftigten. Oder Artikel, die den Machern der Serie hellseherische Fähigkeiten unterstellten, weil sie große weltpolitische Ereignisse vorwegnahmen. Etwas die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA.
Alexander Braun beschränkt sich natürlich nicht darauf, solche Anekdoten aufzulisten. Er setzt eigene Schwerpunkte. Behandelt natürlich zunächst Leben und Werk von Matt Groening. Bevor er dann unterschiedlichste Aspekte aus der TV-Serie aufgreift. Und so geht es mal um die Rolle von Michael Jackson, mal um die von Banksy, mal um die Couchgags am Ende des Vorspanns.
Von Michael Jackson zu Banksy
Immer erzählt Autor Braun hintergründig und spannend und ich frage mich, woher er die Fülle all seiner Informationen bezieht. Und – viel grundsätzlicher: Wie oft muss der Mann all die Folgen gesehen haben, um so genau noch so kleine Details aufzulisten, zuzuordnen und zu interpretieren?
Das für mich spannendste Kapitel beschäftigt sich mit in Mexico produzierten Simpsons-Hommage Figuren. Die in den 2010er-Jahren plötzlich auftauchten, wie Alexander schreibt. Diese Figuren unterschieden „sich merklich von anderen (industriell gefertigten) Sammelfiguren. Zum einen waren sie ungewöhnlich aufwendig und liebevoll gestaltet, zum anderen persiflierten sie andere Charaktere der Film- oder Populärkultur, in der Regel mit Homer Simpson als Protagonisten.“
Hommage-Figuren aus Mexico
So finden wir Homer als Hulk, Indiana Jones oder auch Darth Vader unter den Figuren. Und eine kleine Ebay-Recherche zeigt: Die Figuren sind noch immer zu haben und werden in der Tat meist aus Mexico verschickt. Ob sich da für manchen Fan vielleicht ein neues Sammelgebiet aufgetan hat? Ich selbst war kurz davor, bei einer der angebotenen Figuren zuzuschlagen…
Wer schon immer mal selbst die Simpsons zeichnen wollte, dem liefert Alexander am Ende des Buches noch einen sehr umfangreichen Style-Guide. Nach dem Studium dieses Guides dürfte Klarheit herrschen über Proportionen und Mimik, über Bewegungen und Hand-Details. Selbst die Autos von Homer und Marge sind im Style-Guide mit dabei.
Bill Morrison im Gespräch
Fazit: Wie immer ist das Blättern und Lesen im Buch ein Genuss. Die reichhaltigen Abbildungen, Zeichnungen und Quellenangaben lassen keine Wünsche offen. Ein eigens für dieses Werk geführte Interview mit Bill Morrison, dem Chefredakteur des Bongo-Verlags, in dem die Simpsons-Comics erschienen, ergänzt das ohnehin schon sehr detailreiche Buch um weitere wertvolle Aspekte.
Selbst wenn ich wollte: Es gibt absolut nichts zu meckern. Die Simpsons – gelber wird’s nicht. Ein Alexander Braun in Hochform. Jedem Fan der Simpsons TV-Serie kann ich das Buch absolut ans Herz legen. Und weil sich dieser Blog hier vor allem an Comic-Fans im allgemeinen richtet: Auch diese dürften in jedem Fall auf ihre Kosten kommen.
5 von 5 Comic-Denkblasen
Natürlich ist das Buch gleichzeitig der Katalog zur Ausstellung, die im Dortmunder Schauraum Comic + Cartoon unter gleichem Namen zu sehen ist. Mehr erfahrt Ihr hier: Schauraum: Comic + Cartoon
