„The End“ von Zep – wenn Bäume flüstern

Ein mysteriöser, unsichtbarer Feind. Unerklärbare Todesfälle. Die Natur, die sich ihr Recht gegen den Menschen zurück erkämpft. In Corona-Zeiten passen Endzeit-Comics irgendwie ins Bild. Der Schweizer Zeichner Zep, der vor allem wegen seines Comics Titeuf bekannt ist, hat sich mit The End erneut ins ernstere Fach gewagt. Im vergangenen Jahr hatte er mit Paris 2119 bereits als Autor ein intelligentes Szenario geliefert, in dem er sich schon einmal mit dem Thema Mensch und Umwelt beschäftigt hat. Wie schon in Paris 2119 entwirft er auch in The End eine Dystopie. Nun ist er auch wieder als Zeichner aktiv. Doch was stark anfängt hört leider schwach auf. Die Geschichte hätte durchaus mehr Potential entfalten können.

Atemberaubend, aber trügerisch… © 2020 Verlag Schreiber & Leser

Selten hat mich ein Comic auf den ersten Seiten so in seinen Bann gezogen. Ein paar Tote, ein schräger Professor, ein bisschen Musik von den Doors: Schon ist der Leser mittendrin in einer geheimnisvollen Geschichte, in der Bäume miteinander kommunizieren und so dafür sorgen, dass die Überhand nehmende menschliche Bevölkerung auf das Nötigste reduziert wird.

Das geheime Leben der Bäume

Spätestens seit Peter Wohllebens Buch über Das geheime Leben der Bäume ist klar: Der Wald ist spannender als viele denken. Dass Zep am Ende seines Comics ein Zitat Wohllebens stellt, ist nur konsequent und zeigt, dass sich der Schweizer offenbar von dem Förster hat inspirieren lassen.

Professor Frawley liebt Musik von den Doors © 2020 Verlag Schreiber & Leser

In The End erforscht Professor Frawley also die Kommunikation der Bäume. Der Wissenschaftler ist ein Außenseiter. Die Doors inspirieren ihn. Wenn ihre Musik läuft, will der Professor nicht gestört werden. Und die Musik läuft recht oft. Nach Überzeugung Frawleys kommunizieren die Bäume nicht nur untereinander, sondern auch mit den Menschen. Bei vielen sorgt er mit dieser These für Verwunderung. 

Die DNA der Erde liegt in einem einzigen Blatt

Frawley hat das Genom eines prähistorischen Baumes entschlüsselt und ist sich sicher, darin die Geschichte der Erde erkennen zu können. Seine Wissenschafts-Kollegen verspotten ihn als Bäume-Flüsterer, doch der Professor lässt sich nicht beirren.  

Auch der neue Praktikant Theodor merkt schnell, dass sein Auftraggeber eine klare Haltung hat. Anfänglicher Verwunderung über scheinbar merkwürdige Ansichten des Professors weicht bald dem Drang, selbst heraus zu finden, was in den Bergen vor sich geht. Und als Theodor bemerkt, dass überall unbekannte Pilze sprießen, sind Neugier und Enthusiasmus bald nicht mehr zu bremsen.

Praktikant Theodor wird schnell zur Hauptfigur © 2020 Verlag Schreiber & Leser

Theodor wird schnell zur Hauptfigur und gehört am Ende zum kleinen Teil der Bevölkerung, der auf der Erde überlebt. Die Apokalypse nimmt leise ihren Lauf. Kein Meteoriten-Einschlag, kein Angriff irgendwelcher Außerirdischen. Die Natur ist es, die dafür sorgt, dass auf dem Planeten wieder mehr Platz ist und der Raubbau an ihr auf ein Minimum herunter gefahren werden muss.

Moral geht vor Plot

Was sich spannend liest und einen über weite Strecken bei Laune hält, wird am Ende leider zu schnell aufgelöst. Theodor verschafft sich per Webcam einen Überblick über den „Weltuntergang“. Als einer der letzten seiner Art findet er auf wenigen Seiten Anschluss an die übrigen Überlebenden. Um am Ende moralisierend zu erkennen: „Wir sind nicht die Herrscher über die Erde, wir sind ihre Gäste.“

Praktikant Theodor wird zu einem der „letzten seiner Art“ © 2020 Verlag Schreiber & Leser

Zum Schluss hinterlässt der Comic leider eine leichte Enttäuschung. Die Spannung, die am Anfang erzeugt wird, löst sich viel zu schnell und  zu banal auf. Kein Aha-Effekt, kein Schmunzeln. Vielleicht ist die Geschichte auch zu komplex und abgedreht angelegt, um sie auf 92 Seiten abzuhandeln. 

Jammern auf hohem Niveau

Dennoch macht der Band Lust auf mehr. Detailreiche Zeichnungen, ausdrucksstarke Gesichter und vor allem die Fähigkeit, die Leser total zu vereinnahmen – und das innerhalb nur weniger Seiten. Schade, dass dieses Niveau nicht bis zum Ende durchgehalten wird. Ansonsten hätte Zep das Potential, meine Neuentdeckung des Jahres zu werden. Für The End hätte ich mir aber unbedingt ein besseres Ende gewünscht… 😉

An diesem Pult im Cartoonmuseum sitzt normalerweise nicht Zep, sondern man kann auf einem eingelassenen Bildschirm seiner Hand beim Zeichnen von Titeuf zusehen. © 2020 Verlag Schreiber & Leser

3 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch: The End. Autor/Zeichner: Zep. Hardcover, farbig. 92 Seiten. Verlag: Schreiber & Leser. 19,80€

Und hier gehts zum Verlag:  https://www.schreiberundleser.de

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