Geheimtipp: Toni und Charlie

Vor ein paar Monaten lag eine schöne Überraschung in meinem Briefkasten. Es kommt ab und zu mal vor, dass mir Comic-Schaffende ihre Werke zusenden. Dieses Mal war die Post aber besonders liebevoll gestaltet. Mit einem persönlichen Anschreiben, auf einer süß gemachten Karte. Dazu ein Comic, der im Eigenverlag veröffentlicht wurde und mich wirklich sehr positiv beeindruckt hat. Grund genug, das Werk hier etwas näher vorzustellen und zwar in einem E-Mail-Interview, das ich mit dem kreativen Kopf hinter dem Comic geführt habe – mit Marcus Repp nämlich: Toni und Charlie – Dinos und Donnerwetter.
© 2024 Marcus Repp
(Alex Jakubowski) Lieber Marcus, Du hast im Eigenverlag einen tollen Band mit Onepagern veröffentlicht, in denen die beiden Schwestern Toni und Charlie die Hauptrolle spielen. Ein klassischer Funny-Comic, in dem die beiden vor allem ihrem freiberuflichen Vater auf die Nerven gehen, der wegen der beruflichen Abwesenheit der Mutter die Hauptbezugsperson ist. Kann es sein, dass es da Parallelen im eigenen Leben gibt? Oder woher hast Du die Idee gehabt?

(Marcus Repp) Hallo Alex, es freut mich, dass mein Album Toni und Charlie Dein Interesse geweckt hat. Ja, da gibt es tatsächlich Parallelen in meinem Leben und die Geschichte dazu ist folgende: Als meine Frau mit unserer zweiten Tochter schwanger war, stellte sich die Frage, wie wir unser Leben mit unseren Jobs und zwei Kindern künftig gestalten wollten. Ich arbeitete in der IT-Branche und war mit meinem Job damals nicht mehr zufrieden. Sollte ich jetzt den Arbeitsgeber wechseln, mit Probezeit und meine Frau pausiert ihre Karriere für die ersten Jahre? Raus aus einem Job, in dem sie über Jahre sehr erfolgreich und zufrieden war?

So trafen wir eine Entscheidung abseits der Norm: dass meine Frau möglichst rasch wieder in den Job zurückkehren und ich die nächsten Jahre die Rolle des Hausmanns übernehmen würde. Dahinter stand die Idee, mein altes Hobby Comiczeichnen zum Beruf zu machen. Dazu würde ich die ruhigeren Stunden der Elternzeit nutzen, um mich auf ein zukünftiges Leben als Illustrator vorzubereiten.

© 2024 Marcus Repp

Ich war also Hausmann und Vater. Ich habe in der Zeit das volle Programm mitgenommen: von den Sechs-Wochen-Koliken, dem Babyschwimmen, den Schmerzen, die das Zahnen verursacht, Haushalt, Einkäufe, über Kinderarztbesuche bis hin zum Papa-Taxi. All das, was sonst die Mamas machen dürfen. Als Hausmann habe ich also reichlich Expertise, und das macht unsere Familie schon ein bisschen anders als andere Familien.

Als unsere Töchter dann in Kindergarten und Hort eingewöhnt waren, fand ich in den (anfangs) wenigen Stunden zwischen Hinbringen und Abholen Gelegenheit, erste Gehversuche als Illustrator zu machen. Mein Wunsch war, eine eigene humorvolle Comicserie zu texten und zu zeichnen.

Ich brauchte also einen Plot, der sich trägt und der sich nicht schon nach den ersten zehn Geschichten abnutzen würde. Durch den Tausch mit meiner Frau, hatte ich die Gelegenheit, die Rolle der Hausfrau als Mann zu erleben, was mit vielen schönen, aber auch reichlich frustrierenden Erlebnissen einherging. So kam ich zu der Idee, unsere private Situation als Ausgangsbasis für meine Comicserie Toni und Charlie herzunehmen. Um auf deine Frage vom Anfang zurückzukommen: meine Serie über Toni und Charlie ist nicht autobiografisch, sie ist aber ganz klar autobiografisch inspiriert.

© 2024 Marcus Repp
Es geht um die klassischen „Erziehungs“-Themen: länger Fernsehen, Zimmer aufräumen, die Unfälle des Alltags. Mich persönlich erinnern Deine Gags mitunter an Zits. Was sind Deine Einflüsse?

Zeichnerisch kann ich André Franquin als mein großes Vorbild nicht leugnen. In den frühen Folgen von Toni und Charlie kann man aber auch ein bisschen Kid Paddle von Midam erkennen, zumindest, was die Gesichter anbelangt.

Zudem bin ich auch ein großer Fan von Bill Wattersons Calvin & Hobbes. Wattersons Zeichnungen sind sehr viel reduzierter, sehr viel schneller gezeichnet. Franquin ist hingegen ein Meister der Details. Trotzdem überzeugt mich auch Watterson mit seinen Figuren, was Haltung, Mimik und Bewegungen angeht. Und seine Dinos sind über jeden Zweifel erhaben.

Ein Blick hinter die Kulissen
© 2024 Marcus Repp
In meinen Augen sind die Geschichten so gut, dass sich doch einer der etablierten Verlage darum hätte reißen müssen. Warum hast Du den Weg des Eigenverlags gewählt?

Oh, danke für das Kompliment. Tatsächlich war ich selbst davon überzeugt, früher oder später einen Verlag zu finden, der die Geschichten von Toni und Charlie publizieren würde. Ich habe mit diversen Verlagen und Verlegern gesprochen und Ihnen die Geschichten gezeigt. Der Grundtenor war stets: Die Geschichten seien gut gezeichnet, aber sie würden nicht ins Verlagsprogramm passen. Mal war die Begründung, dass sich Onepager in Deutschland nicht verkaufen würden, mal bekam ich als Rückmeldung, meine Linien seien „zu clean“.

Die Verlage verlangten nach neuen Graphic Novels. Das war nicht das, was ich liefern wollte. Für mich haben Graphic Novels eher einen ernsten Charakter. Egal, ob es eine eigene Geschichte oder eine Adaption eines Romans gewesen wäre, Humor kommt in Graphic Novels nur in homöopathischer Dosis vor. Das war nicht das, was ich machen wollte.

Marcus auf dem Comic-Salon Erlangen. ©Foto: Privat

Ein halbes Jahr vor dem vergangenen Erlanger  Comic-Salon stand ich vor der Entscheidung, ob ich einen Stand bei den Kleinausstellern buchen solle und falls ja, was ich dort zeigen wolle.

So entschied ich mich, ein Album von Toni und Charlie im Selbstverlag herauszubringen. Das Album sollte um die vierzig Folgen umfassen und sich wertig anfühlen. Mit verbundenen Augen sollte es sich wie ein Asterix-Album anfühlen.

Mir war klar, dass es ein weiter, aber auch ein spannender Weg werden würde. Drei Monate habe ich damit verbracht, die anfangs noch von Hand geletterten Geschichten mit einer digitalen Comic Schrift zu ersetzen, die Kolorierung der einzelnen Folgen noch mal zu überarbeiten, die Druckerei auszuwählen und mir beizubringen, wie man eine Druckvorlage anfertigt. Ohne die Unterstützung der Druckerei und diversen Telefonaten mit Kollegen, wäre ich ziemlich aufgeschmissen gewesen.

Am Ende hatte ich das Album in der Hand und es fühlte sich genauso an, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Die schön gestaltete Karte.
Und guckt nur auf die tolle Handschrift!
©Foto: Alex Jakubowski
Wenn ich die Signaturen auf den einzelnen Seiten richtig gelesen habe, waren einige Onepager zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 2024 bereits acht Jahre alt. Wie lange brauchst Du für so eine Seite? Und: Wieviel davon hast Du noch in der Schublade?

(lacht) Du bist ein aufmerksamer Leser, ich muss schon sagen. Ja, das hast du ganz richtig beobachtet. Die ersten Folgen von Toni und Charlie zeichnete ich in 2015. Die ersten fünfzehn Folgen hatte ich zuerst als Halbseiter konzipiert. Dann hatte ich aber das große Glück, dass unsere regionale Zeitung Main-Echo die Geschichten von Toni und Charlie veröffentlichen wollte, jedoch wollten sie Onepager haben.

Ab Folge 16 habe ich die Geschichten dann als Einseiter verfasst, für das monatliche Magazin „Mama, Papi & ich“. Das Magazin erschien zehn Mal pro Jahr. Das war eine gute Taktrate für den Anfang.

Die Umsetzung der Idee, ein Hobby zum Beruf zu machen, war natürlich gar nicht so einfach. In dem Moment, wo man etwas professionell aufziehen möchte, gibt es Ansprüche: Ansprüche der Redaktion und Ansprüche an sich selbst. Es war anfangs gar nicht so einfach, sich die Geschichten auszudenken und sie dann auch zu Papier zu bringen. Wie erzählt man die Geschichte, wie viele Panels braucht man dafür, wie baut man Spannung auf und wie passt das zu dem Gag am Ende?

Ich rechne im Schnitt mit 40 Stunden pro Folge, von der Ideensuche bis zur fertig kolorierten Seite. Meine Daumenregel ist: 10% gehen für die Ideenfindung und das Skript drauf, 30% für die Vorzeichnung, 30% fürs Tuschen und 30% fürs Kolorieren. Es gibt Folgen, die waren aufwändiger. Für die Folge 50 wollte ich etwas Lokalkolorit reinbringen. In der Folge sieht man das Aschaffenburger Schloss und die Schlossgasse. Da habe ich etwas über 60 Stunden daran gearbeitet. In der Schublade habe ich übrigens noch zwei Dutzend fertige Folgen, also ein halbes Album.

© 2024 Marcus Repp
Wie arbeitest Du? Analog oder am Rechner? Wenn ich tippen müsste, würde ich sagen – digital.

(grinst) Daneben getippt. Ich zeichne klassisch mit Tusche auf Papier. Mit den Folgen habe ich verschiedene Methoden ausprobiert. Die ersten Folgen im Album sind fast alle mit Tusche und Feder entstanden. Irgendwann habe ich auch Tusche und Pinsel ausprobiert, so wie meine großen Vorbilder Uderzo oder Franquin über viele Jahre. Das Handling vom Pinsel ist eine Kunst für sich. Nicht immer endete der Strich so, wie ich es wollte. Heutzutage zeichne ich mit Tuschestiften, die eine leicht flexible Spitze haben, und mit denen ich inzwischen auch meine eigene Linie entwickelt habe. Falls Du es genau wissen möchtest: ich arbeite mit den Fudenoske Tuschestiften von Tombow, und zwar fast ausschließlich mit der Sorte WS-BS 150. Die haben grundsätzlich eine feste Spitze, erlauben es aber, die Stärke der Outlines mit mehr oder weniger Druck sehr schön zu variieren. Die Kolorierung der Folgen mache ich dann tatsächlich digital.

© 2024 Marcus Repp
Wann können wir mit einer Fortsetzung rechnen?

(lacht) Wenn’s nach mir ginge gerne zum nächsten Comic Salon Erlangen 2026! Es geht aber nicht nur nach mir. Ich habe für das Album eine ISBN gekauft, habe das Album beim Verlag Lieferbarer Bücher listen lassen und somit ist es theoretisch in jeder Buchhandlung bestellbar. Leider hat der Selbstverlag seine Schattenseiten und diese liegen ganz klar beim Marketing und beim Vertrieb.

Erstens: Wie bekommt jemand in Hamburg mit, dass es ein Toni und Charlie-Album gibt, welches er gerne lesen möchte? Auf Social Media fällt es mir schwer, die Leser zu erreichen, dafür trete ich wohl zu leise auf. Reichweite ist eine der Herausforderungen, vor denen alle Selbstverleger stehen.

Zweitens: Wie kommt mein Album in die Buchhandlung oder an die Leserin oder den Leser? Ich habe mit meinem Lieblings-Buchhändler hier in der Stadt gesprochen. Er bestellt Bücher lieber beim Großhändler. Die Bücher bekommt er am nächsten Tag in einer Box geliefert. Bücher, die Kunden zur Ansicht bestellen, kann er wieder zurückgeben. Beim Selbstverleger würde da bereits zweimal Porto anfallen, er muss den Lieferschein bearbeiten, er muss eine Einzelretoure machen oder falls er das Buch verkauft, dann muss er eine Einzelrechnung anlegen. Zu viel Aufwand für zu wenig Geld, das hängenbleibt.

Das ist auch der Grund, warum ich seit einem Jahr eine Vertriebsvereinbarung mit dem Peter Poluda Medienvertrieb (PPM) habe. PPM beliefert in Comic- und Bahnhofsbuchhandlungen, aber auch die Großhändler und Amazon. Also: Fortsetzung sehr gerne, dann aber bitte mit einem Verlag.

© 2024 Marcus Repp
Angaben zum Comic: Toni und Charlie. Band 1: Dinos und Donnerwetter. Textt/Zeichnungen: Marcus Repp. SC, Farbe, 44 Seiten. Selbstverlag. 16 Euro.
Marcus hat übrigens eine eigene Homepage und die findet Ihr hier: Marcus Repp

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