Stockhausen – Pionier der elektronischen Musik

Avantgardistisch und gewöhnungsbedürftig – das war die Neue Musik von Karlheinz Stockhausen seinerzeit. Was der Komponist ab Mitte der 1950er Jahre machte, war Grundlage für Generationen von Musikern. Stockhausen – Pionier der elektronischen Musik, war Vorbild für die Beatles, Miles Davis oder auch Kraftwerk. Autor Thomas von Steinaecker hat Stockhausen schon als Kind verehrt. Im Alter von zwölf Jahren lernte er den Musiker kennen – es entstand eine Freundschaft daraus. Jetzt hat Thomas gemeinsam mit David von Bassewitz einen Comic zu Stockhausen gemacht. Und natürlich wird auch die eigene Geschichte dazu erzählt. Ich habe Thomas und David beim Dreh für einen Tagesschau-Beitrag getroffen.

Karlheinz Stockhausen und Thomas von Steinaecker ©privat

„Ich habe lange nach der richtigen Form gesucht“, erzählt mir Thomas. Das Projekt begleitet ihn schon sein ganzes Leben. „Erst habe ich einen Film versucht, dann habe ich einen Text geschrieben und schließlich bin ich beim Comic gelandet. Weil es eigentlich eine Superhelden-Geschichte ist. Stockhausen erfindet sich neu nach dem Krieg und behauptet, er komme vom Sirius“, so der Autor. 

Zwei Geschichten in einer

Gemeinsam mit Zeichner David von Bassewitz hat Thomas den ersten Band der Geschichte zu Papier gebracht. Fast 400 Seiten hat das Buch, das eigentlich zwei Stories erzählt. Die Biografie Stockhausens auf der einen Seite und Thomas von Steinaeckers Liebe zu dessen Musik auf der Anderen. Ein kongenialer Trick, denn so gelingt es, sich einen Zugang zu dessen Klängen zu eröffnen, ohne sie selbst zu hören.

Cove des neuen Buches. ©Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

„Für mich war es erstmal schwierig reinzukommen, in das Thema“, gibt Zeichner David von Bassewitz allerdings zu. Ich habe viel gelesen über Stockhausen und finde den Optimismus wunderbar, den er verbreitet hat. Das hat mich fasziniert. Mit der Musik aber hatte ich Probleme. Ich habe den Schlüssel dazu nicht gefunden. Erst als ich sie live gehört habe, bei einem Festival in Hamburg, da hat es klick gemacht, das hat mich umgeweht.“

Der Schlüssel zur Musik

Seitdem ist auch er von Stockhausen begeistert. Und er gibt zu, dass es schon besser sei, die Musik zu mögen, wenn man so ein Projekt angeht. Seinen Zeichnungen jedenfalls merkt man die Anlaufschwierigkeiten nicht an. Mit anfänglichem noch naiverem Strich zeigt er den Beginn der Leidenschaft des jungen Thomas. Um später dann fast schon in realistischem Stil das Suchen und Finden des Komponisten Stockhausen in Szene zu setzen. 

Stockhausen-Skizze von David von Bassewitz ©Alex Jakubowski

Das Spannende im Comic ist nicht nur das Ringen Stockhausens mit den Konventionen der Zeit. Gegen große Widerstände im Publikum und bei Kollegen setzt er seine Vorstellung von Neuer Musik durch. Äußerst ungewöhnlich ist auch die Nebengeschichte. Die Liebe Thomas von Steinaecker zu Stockhausens Musik. Dass ein Kind sich für die neuartigen Klänge begeistert ist das eine. Dass er aber auch noch die Nähe zu dem Komponisten sucht, ihn nach einem Konzert anspricht und später kennenlernt, das Andere.

Eine ungewöhnliche Freundschaft

„Als ich ihn nach dem Konzert damals ansprach, hat er mir angeboten, dass ich ihm schreiben könne, wenn ich Fragen habe. Irgendwann hat er mich dann zu sich eingeladen. Ich habe die Ferien bei ihm verbracht, Partituren gelesen, wir waren gemeinsam Wandern. Das ging über mehrere Jahre“, erzählt Thomas. Zwar spielte der Autor selbst Klavier und begeisterte sich für diese Art von Neuer Musik, aber es kam ihm nie in den Sinn, selbst Berufsmusiker zu werden. „Insofern ist es auch für mich rätselhaft, woher diese Freundschaft kam“, gibt er zu.

Thomas von Steinaecker im Interview.
Auf den Monitoren: Stockhausen im Jahr 1960.
©Tom Jeffers

Auch heute noch dürfte Stockhausens Musik für viele Hörer gewöhnungsbedürftig klingen. Möglicherweise ist er auch etwas in Vergessenheit geraten. Ein Grund mehr für die beiden Comic-Macher ihr Buch jetzt zu veröffentlichen. „Für uns ist alles, was er erfunden hat, selbstverständlich“, meint Thomas. „Dass Musik aus Lautsprechern kommt, ohne dass da Musiker sind. Das gab es vor ihm nicht. Und das war natürlich erstmal ein Schock.“

Stockhausen – Pionier der elektronischen Musik

„Wenn man bedenkt, welche technischen Möglichkeiten ihm zur Verfügung standen, kann seine Leistung nicht hoch genug eingeschätzt werden“, meint David von Bassewitz. „Er hat Normen verändert, er hat alles neu gedacht. Seine Partituren sind richtige Kunstwerke.“ Kunstwerke, mit denen der Zeichner im Comic spielt. Immer wieder fliegen Noten über die Seiten. Durchdringen des Geist des Komponisten. Wirken mal chaotisch, mal ordnend. Sind der rote Faden (Zufall, dass Stockhausens Noten im Comic rot sind?), der sich durch den Band zieht.

David von Bassewitz beim Zeichnen. ©Tom Jeffers

Erzählerisch macht der Band Lust auf die Fortsetzung. Zeichnerisch ist er ungewöhnlich aber absolut beeindruckend umgesetzt. Was mir besonders gut gefällt ist, wie die Zerrissenheit Stockhausens herausgearbeitet wird. Ein Mann auf der Suche. Auf der Suche nach den besten Klängen – und nach sich selbst. Wer sich etwas mit der Biografie dieses Künstlers auseinandersetzt, begreift schnell, wie aussergewöhnlich er – nicht nur im zeithistorischen Kontext – gesehen werden muss. 

Genialer Kunstgriff

„Stockhausen hatte zwei Seiten“, resümiert Thomas. „Die eine war visionär und mitreissend. Die andere egozentrisch – was ihn manchmal etwas unsympathisch gemacht hat.“ In jedem Fall war er seiner Zeit weit voraus. Das macht der Comic eindrucksvoll deutlich. Durch den persönlichen Zugang von Autor Thomas von Steinaecker kommt man dem Komponisten dabei auf eine besondere Weise nahe. Die Begeisterung des jungen Thomas springt so auf den Leser über. Ein Kunstgriff, der sonst nur ganz, ganz selten gelingt.

Der junge Thomas, der als Messdiener seinen Einsatz verpatzt.
©Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

5 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch: Stockhausen. Der Mann der vom Sirius kam. Autor: Thomas von Steinaecker. Zeichner: David von Bassewitz. Hardcover, farbig. 392 Seiten. Carlsen-Verlag. 44,-€

Hier gehts zum Verlag: https://www.carlsen.de/comics

Und hier könnt ihr ab Minute 3:09 unseren Tagesschau-Beitrag zum Comic sehen: Stockhausen im Comic

Mehr Beiträge zu „Musik“-Comics gibt es hier: Tocotronic

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