Auf dem Comic-Salon in Erlangen hatte ich das große Vergnügen ein Sommer-Interview mit Ingo Römling zu führen. Der Exil-Frankfurter und Wahl-Berliner ist ja bereits mehrfach Gast der Comic-Denkblase gewesen. Und so war es auch dieses Mal eine große Freude, mit Ingo im Erlanger Schlossgarten im Schatten eines Baumes zu sitzen, und über das Leben als Comic-Zeichner zu plaudern. Natürlich hat er rechtzeitig zum Salon auch aktuelle Veröffentlichungen mitgebracht. Den fünften Band seiner Reihe Malcolm Max und Band zwei der Chroniken des Universums.
(Alex Jakubowski) Lieber Ingo, wir haben uns leider lange nicht mehr persönlich gesehen. Wie geht’s Dir zur Zeit?
(Ingo Römling) Also im Allgemeinen gesprochen, geht es mir wirklich großartig. Ich bin gut beschäftigt mit meinen zwei Verlagsverträgen bei Splitter. Ich werde für das bezahlt, was ich super gerne mache: Comics zeichnen. Insofern kann es nicht besser sein. Es ist Sommer und es sind alles super nette Leute hier, auf dem Comic-Salon in Erlangen.
Lass uns mal Deine Situation als Zeichner angucken, wie sie sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Du bist jetzt im französischen Metal Hurlant vertreten, Du hast Star Wars gemacht, Du hast bei Splitter die bereits erwähnten Serien. Geht es eigentlich noch besser?
Ich glaube nicht. Im Moment macht es wirklich irre Spaß. Ich arbeite mit tollen Autoren zusammen, ich mache das, was ich liebe. Aber wenn wir auf meine Arbeit für Metal Hurlant gucken, muss ich sagen, dass ich natürlich wahnsinnig nervös war, als mit dem Verlag Dargaud der Kontakt zustande kam. Aber ich habe sehr schnell gelernt, dass die Leute dort total nahbar sind. Die sind zu allen Schandtaten bereit. Also alles sehr, sehr unkompliziert und locker.
Das Tolle ist, dass es für mich gar keinen Grund mehr gibt, Angst zu haben. Ich hatte vorher immer so viel Angst, vor dem ganzen Druck und so. Man hat ja Deadlines. Die habe ich natürlich immer noch, aber die Angst ist weg. Wir erzählen einfach unsere Geschichten.
Meinst Du damit auch die berühmten Selbstzweifel vieler Künstler, nicht gut genug zu sein?
Ja klar. Als ich den Vertrag für Malcolm Max unterschrieben habe – das war ein Moment, wo mir so richtig die Düse ging. Das war mein erstes großes Album, das war mein erster Verlagsvertrag. Es war so ein bisschen wie heiraten. Jetzt musst du liefern, jetzt hast du dich festgelegt. Da habe ich mich auf die Schiene gesetzt: jetzt bin ich Comiczeichner. Aber dann kamen die Zweifel: kann ich das denn? Werde ich das durchhalten?
Man sieht es stilistisch auch so ein bisschen. Ich habe anfangs absichtlich sehr reduziert gezeichnet. Aber mit der Zeit wächst Du da halt rein. Wirst routinierter und noch schneller. Man findet so seinen Stil. Alles ist mittlerweile ein bisschen lockerer geworden. Ich habe gemerkt, dass alle mit Wasser kochen. Und so fühle ich mich inzwischen ein bisschen als Teil dieser Comic-Welt. Und darüber bin ich einfach sehr froh.
Ich finde das zwar unglaublich sympathisch, dass Du Dich selbst so zurücknimmst. Aber Du bist doch schon längst Teil dieser Welt.
Ich habe am Anfang wirklich gedacht ich muss mir da erstmal Sporen verdienen. Du kriegst natürlich schon Feedback von etablierten Zeichnern und viel Support. Aber natürlich kommt auch Kritik. Und manchmal dachte ich, ich muss was an meinem Stil ändern. Das ist so die Angst die ich meine. Die ist ja grundsätzlich nicht schlecht, aber sie darf dich eben nicht lähmen.
Ich habe inzwischen gemerkt, dass ich unter Zeitdruck arbeiten kann. Es funktioniert, ich kriege trotzdem was raus, ich breche nicht zusammen. Und dann habe ich festgestellt: ja das ist mein Ding. Ich bin Zeichner, ich liebe es zu zeichnen. Ich gehe voll darin auf gerade.
Welche Kollegen waren es denn, die Dich begleitet und unterstützt haben?
Eigentlich alle (lacht). Also zumindest in der Zeit, als ich noch ein blutiger Anfänger war. Da gibt es manchmal aber auch so die väterlichen Typen, die sagen: Ingo, das wird so nicht funktionieren. Manchmal haben sie auch gesagt: Ingo mach das nicht.
Ich hatte ja schon mal so eine Phase, so mit 18, da wollte ich zum ersten Mal Kontakt knüpfen zu der deutschsprachigen Comic-Zeichner-Szene. Und dann bin ich häufig auf Leute gestoßen, die mir abgeraten haben. Die meinten das damals vielleicht gar nicht so ernst, aber ich habe mich voll ins Bockshorn jagen lassen. Nach dem Motto: Wirf dein Leben nicht weg, das wird scheiße bezahlt, werde nicht Comiczeichner. Dann dachte ich, na gut, dann gehe ich eben in die Werbung und zeichne Werbeanzeigen. Vielleicht ist das ja besser. Aber nein, ich glaube, da muss jeder so ein bisschen durch. Ein kleiner Spießrutenlauf gehört vielleicht dazu. Später hat es bei mir ja dann gut geklappt. Ich habe die Chronik und ich hab Malcolm, das ist das, was ich jetzt mache. Ich hoffe, das geht möglichst lange so weiter.
Wenn ich so nachdenke fallen mir relativ wenig neue deutsche Serien ein, die auf den Markt kommen. Gung-Ho vielleicht am ehesten, aber dieser Comic ist ja zuerst im Ausland veröffentlicht worden. Warum ist es eigentlich so schwierig, als deutscher Zeichner eine Serie auf dem deutschen Markt zu etablieren?
Das ist eine Frage, die ich auch nicht einfach so beantworten kann. Ich habe das Gefühl, dass manche deutsche Zeichner, die im Ausland erfolgreich sein, einfach unterm Radar fliegen. Wenn ein japanischer Zeichner zum Beispiel hier ausgezeichnet wird, dann ist die Aufmerksamkeit höher, als wenn ein deutscher Zeichner im Ausland veröffentlicht. Nimm etwa Nic Klein. Das ist einer, der schon seit vielen Jahren fest etabliert ist bei Marvel. Er zeichnet eben Superhelden und ich habe den Eindruck, dass er in den USA eine größere Nummer ist als hier. Der stellt sich ja auch nicht ständig hin und sagt ich bin der Beste oder so. Der macht dann einfach sein Ding. Ich finde es ist einer der fantastischsten Zeichner, die wir hier haben.
Aber ich drehe jetzt einfach mal das große Rad. Ich glaube, dass es Unterhaltung generell in Deutschland schwer hat, weil sie nicht ernst genug genommen wird. Meiner Meinung nach kann man Unterhaltung aber durchaus ernst nehmen. Ich habe mal einen Satz von Stan Lee gelesen, der gesagt hat: unterschätzt nicht den Wert von guter Unterhaltung.
Auf mich selbst bezogen habe ich oft so Kommentare gehört: Was ich da so mache, das würde sich ja nur über die Optik definieren. Als wäre die Optik ein Gegensatz zum Inhalt. Als würde sich das im Kontrast befinden. Und das führt mich dann wiederum zu folgender Überlegung: Warum sehe ich so viele Graphic-Novels in den Läden, die immer so 300 Seiten stark sind und in Schwarz-Weiß sein müssen? Warum können es nicht auch mal weniger Seiten sein, die mich persönlich aber mehr ansprechen würden?
Aber ich habe eben manchmal den Eindruck, es werden künstlich Gegensätze hergestellt, die eigentlich gar nicht sein müssen. So, jetzt habe ich wirklich ein großes Fass aufgemacht (lacht).
Kommen wir nochmal konkret zu deiner Arbeit. Wie bekommst Du Deine verschiedenen Projekte auf die Reihe? Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Ich bin endlich an dem Punkt angekommen, wo ich meine eigene Arbeitsleistung selbst ganz gut einschätzen kann. Da habe ich echt lange für gebraucht. Dass ich wirklich sagen kann, wieviel ich am Tag oder im Monat leisten kann. Jetzt habe ich so ein Level gefunden, bei dem ich am Tag eine halbe Seite Inks mache. Meine Inks sind relativ aufwändig. Ich mag es ja gerne detailliert, gerne sehr dicht. Ich gebe das offen zu, ich mache das digital. Hauptsächlich für Hintergründe, eigentlich nur für Hintergründe. Und das spart mir Zeit und es sieht gut aus, sonst würde es nicht machen. Ich habe da mittlerweile so eine Routine, dass ich in der Lage bin, im Monat acht bis zehn Seiten zu produzieren. Da ich pro Seite bezahlt werde kann ich eine Anzahl Seiten zeichnen und dafür eine Rechnung stellen. Ich bekomme dafür mein Geld und generiere ein regelmäßiges Einkommen. Genau das ist meine Routine im Moment. Ich mache mich nicht mehr so kaputt wie früher. Ich habe früher Nächte geschrubbt, einfach weil ich die Comics nebenbei gemacht habe.
Aber ich werde auch nicht jünger, das geht nicht ewig so weiter. Und ich habe gemerkt, dass du bei einem stringenten Arbeitsalltag unterm Strich einfach mehr gebacken bekommst. Ich verzettele mich nicht mehr so wie früher. Mein Plan ist, dass ich hin und her springe. Ich mache ein Album, ich schätze so sieben, acht Monate mit einem Monat Urlaub. Und dann mache ich das nächste. Ich wechsele zwischen zwei Serien.
Acht Monate für ein Album, das ist doch recht zügig, wenn ich das mal sagen darf.
Ja, weil ich in der Lage bin, es ausschließlich machen zu dürfen, weil ich dafür bezahlt werde. Das hängt halt wirklich einfach auch am Geld, so schnöde das manchmal klingt. Aber warum sollte ein Comiczeichner nicht genauso vom Geld leben dürfen, wie ein Automechaniker oder ein Bäcker? Ich mache ja auch ein Handwerk.
Das heißt, du musst auch keine anderen Jobs annehmen?
Im Moment lebe ich tatsächlich vom Comic-Zeichnen.
Perspektivisch: Wieviel Folgen Malcolm Max, wieviel folgen Universum dürfen wir uns vorstellen?
Das kann ich nicht sagen. Das sind beides fortlaufende Serien. Es klingt komisch, aber wir haben kein Ende.
Das ist ja eigentlich auch schön, wenn man so einen Verlag hat, der dann sagt: mach einfach mal, solange es läuft.
Ja, das ist wirklich schön. Da wissen die bei Splitter jetzt auch: auf den Römling kann man sich verlassen. Wir machen das jetzt seit zehn, elf Jahren, und es kommen immer wieder neue Alben und es verkauft sich immer besser. Malcolm Max ist eine Serie, die anfangs nicht so durch die Decke gegangen ist, die sich aber langsam eine größere Fan-Basis erarbeitet hat. Und da sind wir jetzt an einem Punkt, an dem es sich auch für den Verlag lohnt.
Lieber Ingo, vielen Dank und weiter ganz viel Erfolg!
Hier gehts zum Verlag: https://www.splitter-verlag.de/
Mehr Infos zu Ingo gibt es auch hier: https://comic-denkblase.de/auf-einen-kaffee-mit-ingo-roemling
oder hier: https://comic-denkblase.de/die-chroniken-des-universums-neuer-comic-von-ingo-roemling