Von der Seite in den Raum

Im Klingspor-Museum in Offenbach läuft derzeit eine schöne Ausstellung von ganz unterschiedlichen Comic-Zeichner*innen. Unter dem Titel: Von der Seite in den Raum werden Arbeiten von Nando von Arb, Aisha Franz, Mia Oberländer und vielen anderen gezeigt. Die Ausstellung begreift Comics als grenzenlosen Raum mit vielen Möglichkeiten – etwa wenn Künstler*innen ihre Comics durch Installationen, Skulpturen oder begehbare Objekte erweitern. Das Museum zeigt also, wie Comics aus den Buchseiten herauswachsen. Mit Museumsleiterin Dorothee Ader habe ich über die Ausstellung gesprochen: Von der Seite in den Raum
Das Kampagnenmotiv der Ausstellung
© Aisha Franz
(Alex Jakubowski) Liebe Dorothee, das Klingspor Museum in Offenbach und das Thema Comics – wie passt das zusammen?

(Dorothee Ader) Das Klingspor Museum sammelt Buch- und Schriftkunst von 1900 bis heute. Für uns sind also künstlerische Buchkonzepte interessant, die es in unterschiedlichsten Genres gibt. Wir sammeln Künstlerbücher, Pressendrucke, Malerbücher und illustrierte Bücher, letzteres bisher mit dem Schwerpunkt Kinderbuch. Die Übergänge sind in diesen Feldern oft auch fließend. Comics und Graphic Novels sind immer wieder über Schenkungen oder als einzelne Ankäufe in die Sammlung gekommen, aber erst mit der kuratorischen Arbeit von Tatjana Prenzel an unserem Haus haben wir Comics so richtig als Sammlungsthema für uns definiert, das wir beobachten und auch gezielt ankaufen.

Wir können mit unseren historischen Sammlungsfeldern super an den zeitgenössischen Comic anknüpfen und haben in der jetzigen Ausstellung z.B. auch einige Bilderzählungen von Frans Masereel aus den 1920er Jahren ausgestellt, die komplett ohne Text funktionieren und schon Erzählstrategien im Bild verfolgen, wie sie heute immer noch im Comic zu finden sind. Außerdem ist Comic heute so ein komplexes und vielschichtiges Feld in Bezug auf Themen, Stil und Technik, das viel Freude macht, es zu erschließen.

Ein Blick in die Ausstellung
Foto: © privat
Wie kommt es zu der Zusammenstellung der gezeigten Comics und Künstler*innen?

Die Kuratorin der Ausstellung, Tatjana Prenzel (die zum Zeitpunkt des Interviews im Urlaub war; Anm. AJ), hat die gezeigten Positionen ausgewählt. Ausgangspunkt war ihre Beobachtung, dass es zahlreiche Comiczeichner*innen gibt, die auch raumgreifende Arbeiten machen, also Keramiken, textile Arbeiten, Skulpturen aus Papier oder Holz, Klanginstallationen und Videos sind auch dabei. Figuren und Settings werden also neben dem Buch im Raum thematisiert. Dieses Vorgehen kennen wir aus anderen künstlerischen Buchgenres weniger, und das fand Tatjana spannend. Sie hat für die Ausstellung 13 Zeichner*innen ausgesucht, die ihre Comics in der Vergangenheit schon raumgreifend in Ausstellungen erweitert haben.

Für Jul Gordons Comic Are you awake kann man sich zum Beispiel in ein bemaltes Zelt legen und über einen Walkman eine Playlist passend zum Comic hören, den man natürlich auch im Zelt liegend lesen kann. Zu Ika Sperlings Comic Der Große Reset gibt es einen begehbaren Hausflur mit Tapete und Hund aus dem Haus der Protagonistin. Oder zu Malwine Stauss‘ Arbeiten kann man ganz tolle starke Keramikfiguren betrachten, die sich teilweise in ihren Bucharbeiten wiederfinden. Die Ausstellung im Klingspor Museum zeigt also 13 Comics und ihre Erweiterungen in den Raum. Daneben hat Tatjana ungefähr 60 zeitgenössische Comics und Zines ausgesucht, deren künstlerische Konzepte sie überzeugend findet. Diese Comics kann man in der Ausstellung alle in die Hand nehmen und sich tagelang lesend beschäftigen.

Es sind viele avantgardistische Zeichner*innen dabei, eher wenig klassisch erzählende. Ist das bewusst so ausgewählt?

Wir interessieren uns ja im Museum für Bücher als Kunstwerke, bei denen Text, Bild, Schrift, Technik, Material und Format idealerweise gemeinschaftlich erzählen. Wir betrachten Buch nicht ausschließlich als Gefäß für einen Text. Dementsprechend erklärt sich auch Tatjanas Auswahl.

Auch im Zelt kann man Comics genießen …
Foto: © privat
Welche Resonanz erfährt die Ausstellung, die ja jetzt schon ein paar Wochen läuft?

Ja, es ist interessant, dass die allermeisten Menschen erstmal überrascht sind, wenn sie die Ausstellung besuchen. Die meisten Menschen hatten oder haben mit Comic in ihrer Kindheit und Jugend zu tun und haben nicht auf dem Schirm, dass sich dieses Genre auch so sehr in eine künstlerische Richtung entwickelt hat. Sie verbinden Comic häufig mit Kindheit und lustigen Geschichten und sind dann sehr erstaunt über die Themenvielfalt und die teilweise komplexen Erzählweisen. Die raumgreifenden Arbeiten erwarten sie schon gar nicht. Umso schöner ist es dann zu sehen, dass sie sich doch meistens einlassen und sicherlich mit einer bereichernden Erfahrung wieder aus der Ausstellung gehen.

Die Ausstellung läuft noch bis Ende Juli und wir haben noch zahlreiche Veranstaltungen und Workshops im Gepäck, zu denen wir sehr herzlich einladen. Jul Gordon, Hannah Brinkmann und Mikael Ross kommen zum Beispiel noch zu Lesungen, und Workshops gibt es auch noch etliche, z.B. mit Katharina Hantke und Christiane Haas. Auch noch wichtig zu wissen: Freitags haben wir immer freien Eintritt ins Museum und von 18 bis 21 Uhr gibt es die Buchbar, so dass man auch einen netten Sommerabend mit Limo und Comic bei uns verbringen kann.

© Aisha Franz
Welche Arbeiten gefallen Dir denn am Besten? Und warum?

Ich selbst habe über Tatjanas Arbeit am Museum Comics auch total für mich privat entdeckt und mag am Comics lesen besonders, über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum sehr intensiv in eine Geschichte eintauchen zu können. Außerdem habe ich Spaß an überspitzten Zeichnungen, die dadurch Humor entwickeln. Aus der jetzigen Ausstellung haben mich am meisten berührt Fürchten lernen von Nando von Arb, Abfackeln von Nino Bulling, Hort von Marijpol und wirklich viel Spaß hatte ich mit The Artist von Anna Haifisch, mit Work-Life Balance von Aisha Franz und mit I hate you, you just don’t know it yet von Nadine Redlich. Aber jeder Comic ist ein Kosmos in sich und vermutlich kann ich noch viele mehr nennen, wenn ich in der nächsten Zeit noch tiefer eintauche.

Noch mehr Infos zur Ausstellung:
Von der Seite in den Raum. Grenzenlosigkeit im zeitgenössischen Comic, Ausstellung im Klingspor Museum, Laufzeit: 5. April 2025 – 27. Juli 2025
Beteiligte Künstler*innen:
Nando von Arb, Nino Bulling, Seda Demiriz, Lina Ehrentraut, Aisha Franz, Constanza Giuliani, Jul Gordon, Gabri Molist, Mia Oberländer, Elizabeth Pich, Erlend Peder Kvam, Nike Seiff, Malwine Stauss, Ika Sperling
Öffnungszeiten:

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag 13 – 18 Uhr, Freitag 14 – 21 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertag 11 – 18 Uhr 

Für angemeldete Gruppen auch an Vormittagen geöffnet.

Eintrittspreise:

Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Eintritt frei, ermäßigt (Menschen mit Schwerbehinderung, Azubis, Bundesfreiwilligendienst, Studierende, Arbeitslose) 2,50 Euro, Rentner:innen 3 Euro,  Erwachsene 4 Euro, Kombiticket mit Haus der Stadtgeschichte 5 Euro, freitags Eintritt frei

Und hier der Link zum Museum: Klingspor Museum

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