2020 war das Beethoven-Jahr. Der große Musiker feierte seinen 250. Geburtstag. Zu diesem Anlass sind eine Reihe von Comics erschienen, die sich dem genialen Künstler aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. Moritz Stetter hat sich dem Mythos Beethoven gewidmet. Warum er diesen Zugang wählte, erklärt er uns im Comic-Denkblasen-Interview.
(AJ) Lieber Moritz, was fasziniert Dich so an Beethoven, dass Du ihm einen Comic widmest?
(MS) Beethoven war der erste Rockstar. Vor ihm waren Künstler Handwerker im Dienste Gottes. Beethoven hat sich selbst zum Gott erhoben. Damit wollte ich arbeiten, das wollte ich aber auch hinterfragen. Denn je mehr Zeitzeugenaussagen ich las, desto widersprüchlicher wurde der Mensch, der sich mir da präsentierte.
Warum sprichst Du von einem Mythos Beethoven?
Auf das Wort „Mythos“ stieß ich bei meiner Recherche immer wieder, so fühlte der Titel sich ganz natürlich an. Um das Buch schlicht „Beethoven“ zu nennen, ist es ja viel zu fragmentarisch. Ich wollte keine allumfassende Biografie von A bis Z. Mir ging es eher um die zahllosen Geschichten und Gerüchte um seine Person, die Beurteilung des Wahrheitsgehalts jeder einzelnen Episode überlasse ich dem Leser. Es bleibt uns nur der Mythos. Biografien sollten das viel öfter mit thematisieren.
Wenn man den Comic liest, erscheint Beethoven nicht gerade als angenehmer Zeitgenosse. Wie ist er Dir im Kopf geblieben?
Durchwachsen. Ich hätte ihn nicht gern als Nachbarn, aber als Figur machte er mir große Freude. Aus der Distanz schauen wir ja oft lieber den Arschlöchern zu. Sie sind einfach unterhaltsamer als Sympathen. Und sie funktionieren als Ventil für all das, was wir uns nicht trauen.
In Deinem Comic lässt Du Beethoven durch Zeitgenossen beschreiben. Gegen Ende des Buches führst Du sein Werk in die Jetztzeit über. Wie hat sich diese Idee bei Dir entwickelt?
Mich interessieren bei historischen Themen auch und vor allem Bezüge und Parallelen zu unserem heutigen Leben. Bei Luther war das zum Beispiel der gesellschaftliche Umgang mit neuen Kommunikationsformen, das Chaos, das eine Zeitenwende mit sich bringt. Im Falle Beethovens war es die Geburt des Rockstartypus und des Freelancers. Und bei der 9. Sinfonie war ich dann platt, wie sie ständig überall aufpoppt, wo in irgendeiner Form Geschichte geschrieben wird. Die abschließende Doppelseite mit Corona-Bezug ist noch recht spontan, kurz vor Drucklegung dazugekommen, als ich im Lockdown zuhause im Akkord zeichnete und plötzlich im ganzen Land die „Ode an die Freude“ von Balkonen erklang. Ich bin froh, dass der Knesebeck Verlag bei der Änderung so spontan dabei war. Damit war ich ganz im hier und heute angekommen und das Buch fühlte sich komplett an.
Du bist ja für Deine Biografien bekannt. Was können wir als nächstes erwarten?
Auf dieses Genre möchte ich mich gar nicht so sehr festlegen, auch wenn es mir große Freude macht, über lange Zeit zu einem historischen Thema zu recherchieren. Im Moment sieht es so aus, als könnte mein nächstes Buch eher ein Sachcomic im medizinischen Bereich werden.
Vielen Dank und viel Erfolg beim nächsten Projekt.
Angaben zum Buch: Mythos Beethoven. Autor/Zeichner: Moritz Stetter. Hardcover, farbig. 96 Seiten. Knesebeck Verlag. 25,-€
Hier gehts zum Verlag: https://www.knesebeck-verlag.de