Ich habe eine Weile überlegt, ob ich den neuen Comic von Bastien Vivès besprechen soll oder nicht. Denn der französische Zeichner ist nicht unumstritten. Dabei geht es keineswegs um seine künstlerischen Fähigkeiten. Seine Kritiker:innen werfen ihm die Verharmlosung von Pädophilie und Vergewaltigung vor. Vor zwei Jahren wurde daher eine Solo-Ausstellung von ihm auf dem Comic-Festival in Angoulême abgesagt. Er selbst weist die Vorwürfe auf seinem Instagram-Kanal Bastien Vivès von sich. Seine besonders kritisierten Comics liegen nicht auf Deutsch vor. Das eben bei Schreiber & Leser erschienene Buch steht außerhalb der erhobenen Kritik. Zudem gilt auch für Vivès die Unschuldsvermutung. Von daher möchte ich Euch den neuen Comic gerne vorstellen. Honeymoon: Der Kuss der Sphinx.

© 2025 Verlag Schreiber & Leser
Aber ich gebe zu: Nach dem ersten Lesen war ich etwas ratlos. Ein Krimi, okay. Wie immer bei Vivès: gewohnt souveräne Zeichnungen. Aber die Geschichte? Irgendwie wirkt sie aus der Zeit gefallen. Ein Ehepaar (Sophie und Quentin) nimmt eine Auszeit von Beruf und Kindern. Urlaub, endlich. Doch wie es so ist – man trifft einen alten (nervigen) Bekannten. Kurzerhand lädt er das Paar auf eine Yacht ein. Und schon beginnt das Unheil.
Explosive Mischung
Denn völlig unerwartet wird das Boot zu einem Treffpunkt der organisierten Kriminalität. Drogen, Prostitution, Gewalt. Die Stimmung ist explosiv, am Ende wird die Yacht dann auch konsequent in die Luft gejagt. Doch kommen dabei wirklich alle Bösewichte um? Und welche Rolle spielt ein Falter, den Sophie zufällig aus einem antiken ägyptischen Zepter befreit, in dem er womöglich hunderte Jahre überdauerte?

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Zum Glück gibt es die Programminfo vom Verlag. Und da kann man nachlesen, dass Vivès die Geschichte als Hommage an Fernsehen, Kino, Bücher und Comics angelegt hat, die er als Jugendlicher liebte. Ein bisschen Indiana Jones also, ein paar Anspielungen auf amerikanische Action-TV-Serien. Hommage gut und schön, aber insgesamt hätte die Geschichte durchaus origineller sein können.
Hommage
Vielleicht aber ist der Autor auch zu sehr mit seinen privaten Angelegenheiten beschäftigt. Schreiber & Leser weist im Programmheft auch darauf hin, dass Vivès vor dem aktuellen Comic ein Buch veröffentlicht hat, das den Namen trägt: „Die Wahrheit über die Affäre Vivès“. Vielleicht ist es nicht immer eine gute Idee, autobiografisches ins fiktionale zu übertragen.

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Für mich persönlich jedenfalls ist Honeymoon: Der Kuss der Sphinx ein solider aber dann doch kein besonderer Comic. Die Zeichnungen sind ohne Frage klassisch elegant und tragen Vivès‘ Handschrift. Die von Brigitte Findakly besorgten Farben sind stimmungsvoll und unterstreichen die Atmosphäre des actionreichen Krimis. Die Story aber ist keineswegs überraschend.
Zeichnungen top
Von einem Autor wie Vivès erwarte ich einfach mehr. Mehrfache Wendungen, falsche Fährten – nicht so eine erwartbare, geradlinige Story. Allein der geheimnisvolle Falter lässt hoffen. Möglicherweise spielt er in einem weiteren Band eine noch wichtigere Rolle als zuletzt. Und überzeugt mich als Leser, der mystische Geschichten zu schätzen weiß, dann doch davon, dass Vivès mit seiner neuen Arbeit durchaus noch einen großen Wurf schaffen kann.

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3 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Honeymoon. Band 1: Der Kuss der Sphinx. Zeichnungen/Text: Bastien Vivès. Farben: Brigitte Findakly. HC, Farbe. 48 Seiten. Schreiber & Leser. 16,95 Euro.
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