Der Schrei – toller Psychothriller

Szenarist Pierre Makyo gehört zu meinen Lieblingen. Ende der 1980er Jahre hat er mir mit den drei Zyklen von Die Reise ans Ende der Welt einen neuen großen Bereich der Neunten Kunst eröffnet. Mystische Geschichten, in denen anscheinend Zeit und Raum überwunden werden. Die Reihe hat mich damals fasziniert. Jetzt ist endlich wieder einmal ein neuer Comic aus seiner Feder erschienen. Der Schrei – toller Psychothriller von Pierre Makyo. Zum wiederholten Male beweist der Verlag Schreiber & Leser ein Händchen für tolle Stoffe.
Kommissarin Sara Geringen ermittelt.
©2024 Verlag Schreiber & Leser

Eins vorneweg: Der Comic ist nichts für zarte Seelen. Es geht um geheime Experimente, um Folter, um ein Medikament. Der amerikanische Geheimdienst hat seine Finger im Spiel. Ausgangspunkt ist der Tod von Patient 488 (die Nummer ist in die Stirn geritzt), untergebracht in einer psychiatrischen Anstalt in der Nähe von Oslo. Kriminalinspektorin Sara Geringen soll den Fall untersuchen und gerät schnell in ein undurchsichtiges Spiel. Dass der Patient offenbar vor Angst gestorben ist, macht die Sache nicht einfacher. 

Was sollen uns die Zeichen sagen?

Der Tote hat seine Zelle mit unzähligen Zeichnungen versehen. Fische, Bäume und Feuer. Unter anderem die wichtigsten Symbole des Christentums, wie Journalist Christopher Clarence erkennt, mit dem die Kommissarin zusammenarbeitet. Sein Bruder hatte Patient 488 besucht – als einziger in mehr als 30 Jahren Psychiatrie – kurz darauf ist auch er tot. Was steckt dahinter? Ein Pharmakonzern? Die Regierung? Eine höhere Macht?

Der Schrei – Cover des Buches.
©2024 Verlag Schreiber & Leser

Wie ich es von Pierre Makyo kenne, wird manches aufgelöst, aber längst nicht alles. Dass es sich bei dem Patienten um Teil eines neuro-wissenschaftlichen Experiments handelt, bei dem man in tief verborgene Regionen des Gehirns vorstößt – das wird klar. Aber was hat es mit dem mysteriösen Schrei auf sich, der immer wieder mal eine Rolle spielt und auf manche offenbar eine so krasse Wirkung hat, dass sie sterben? Makyo adaptiert in diesem Fall den Roman Le Cri von Autor Nicolas Beuglet. 

Tolle Romanvorlage

Hierzulande kennt man von ihm vor allem die oben erwähnte Reihe, aber auch Grimion Lederhandschuh oder Jackie Kottwitz. Zeichner Laval NG hat beim Splitter-Verlag mit der Reihe Parallel eine düstere Zukunftsvision veröffentlicht. Und auch hier sind seine Bilder dem Thema angemessen. Düster, aquarellartig verwaschen – aber dennoch detailliert und drastisch. Den Patienten 488 wird man so schnell nicht vergessen, das Grauen bohrt sich tief ins Gehirn der Leser – das wäre sicherlich was für die experimentierfreudigen Experten beim CIA…

Was steckt hinter dem Fall? ©2024 Verlag Schreiber & Leser

Dass sich nebenbei noch eine kleine Romanze entwickelt, zwischen der Ermittlerin und dem Journalisten, wird nur angedeutet – und macht Hoffnung auf eine Fortsetzung. Zumindest deutet das Schlussbild daraufhin, dass es zwischen den beiden weitergehen könnte. Ob in Norwegen, dem Heimatland der Polizistin oder in Frankreich, wo der Journalist lebt.

Makyo – bitte mehr Makyo!

Wer das Buch in die Hand nimmt, darf sich auf einen Sog gefasst machen. Man will den Comic nicht aus der Hand legen, bis das Rätsel gelöst ist. Feinste Krimi-Unterhaltung mit eindrucksvollen Bildern in eigenem Stil. Schön, dass endlich wieder ein neuer Comic von Pierre Makyo auf Deutsch erschienen ist. Zuletzt wurde von ihm 2015 bei Carlsen  ein Spirou-Spezial-Band (20) veröffentlicht. Viel zu wenig für einen solchen Meister, wie ich finde. Also Schreiber & Leser – was kommt demnächst noch von ihm? Ich wäre bereit… 

Hier gehts zum Verlag: Schreiber & Leser

4 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch: Der Schrei. Szenario: Pierre Makyo. Zeichnung & Farben: Laval Ng. Nach einem Roman von Nicolas Beuglet. HC, Farbe, 144 Seiten. Verlag Schreiber & Leser. 26,80€

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