Seitdem es Entenhausen gibt steht die Frage im Raum, wer mit wem verwandt ist – und warum? Donald wohnt mit seinen drei Neffen unter einem Dach. Dagobert wiederum ist sein Onkel. Daisy seine Angebetete – und die wiederum hat auch drei Nichten. Woher die Kinder kommen und wer mit wem eine „Beziehung“ hat? Wer weiß es schon so genau?
Der Stammbaum der Ducks ist also eine komplizierte Angelegenheit. Viele Zeichner haben sich in den vergangenen Jahrzehnten ihre darüber Gedanken gemacht. Allen voran natürlich der legendäre Carl Barks und der vielleicht populärste, lebende Duck-Zeichner Don Rosa.
Eine frühe Version eines Stammbaums lieferte auch Grobian Gans in seiner schon 1970 bei Rowohlt erschienenen Abhandlung unter dem Titel: Die Ducks – Psychogramm einer Sippe. Und wie man an all diesen Versuchen sieht: es ist gar nicht so einfach, eine eindeutige genealogische Linie der Entenfamilie aufzuzeichnen.
Irgendwo gibt es Verästelungen, die so oder auch anders sein könnten. Irgendwann werden Entscheidungen getroffen, wie die familiären Verhältnisse sein könnten. Das macht das Ganze lustig und abwechslungsreich.
Ahnenforschung mal anders
Im jetzt veröffentlichten Stammbaum der Ducks wird deshalb zunächst einmal die Geschichte der Stammbaumforschung selbst nacherzählt – in einer lesenswerten Einleitung von Egmont-Redakteur Fabian Gross nämlich. Und im vorliegenden Sammelband erwarten uns dann einige deutsche Erstveröffentlichungen, aber auch so manche Klassiker, die Licht in die verwandtschaftlichen Verhältnisse unserer Lieblings-Enten bringen (können).
18 Geschichten sind es insgesamt, davon sechs in deutscher Erstveröffentlichung. Darin lernen wir etwa die weiche Seite von Onkel Dagobert kennen, der seinen Vetter Dankmar im Geheimen unterstützt. Bekannt gemacht wird der Leser aber auch mit Dagoberts Bruder Dettmar (ja wirklich) – wobei in derselben Geschichte Oma Duck sogleich zur großen Schwester der beiden erklärt wird. Was weder der Barks’schen, noch der Rosa’schen Interpretation der Familienverhältnisse entspricht.
Großer Interpretationsspielraum
Es gibt eben großen Interpretationsspielraum im Reich der Ducks und den haben die Autoren und Zeichner teilweise großzügig ausgenutzt. Nicht alle haben sich so eng an den Barksschen Kosmos gehalten wie Don Rosa – der stattdessen bekanntermaßen ja zeichnerisch eine völlig neue Linie eingeschlagen hat.
Versäumt hat man bei dieser Gelegenheit allerdings, den von ebenjenem Don Rosa gezeichneten Stammbaum in der Version zu veröffentlichen, die sich der Autor selbst gewünscht hätte. Durch einen redaktionellen Fehler nämlich sind die Köpfe von Dortel und Degenhard Duck (Donalds Eltern) leicht falsch angeordnet worden (das hat uns Don Rosa in einem langen Interview selbst verraten, das er mir für unser Buch „I still get chills“ gegeben hat). Die Blicke der beiden gehen leicht über ihre Köpfe hinweg, anstelle sich direkt in die Augen zu sehen… Aber egal.
Abwechslungsreiche Entdeckungsreise
Der Stammbaum der Ducks liefert das, was viele andere Bände der Comic Collection auch hergeben: Thematisch sortierte, abwechslungsreiche Geschichten, die vor allem durch ihre Unterschiede im Zeichenstil deutlich machen, wie vielfältig die jeweiligen Handschriften der Zeichner waren und sind.
Barks und Rosa habe ich schon erwähnt. Aber es finden sich auch Geschichten von Vicar, Carlos Mota, Paco Rodriguez, Tony Strobl und vielen anderen in dem Buch. Das macht den Band zu einer Entdeckungsreise, die vielleicht auch für so manche Enten-Ahnen-Forscher eine kleine Überraschung parat hat.
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Der Stammbaum der Ducks. Hardcover, farbig, mit beigelegtem Stammbaum. 400 Seiten. Comic Collection, Egmont. 30,-€
Vielen Dank an Egmont für das Rezensionsexemplar.