Cosey – Ausstellung in Basel

Der Schweizer Zeichner Cosey war schon immer einer meiner Lieblinge. Mit seiner «Reise nach Italien» habe ich mir einst Comics jenseits von Spider-Man und Donald Duck erschlossen. Das Cartoonmuseum in Basel widmet dem 1950 als Bernard Cosendai geborenen Künstler derzeit eine eigene Ausstellung. Sie läuft noch bis zum 26. Februar. Wer möchte, kann den Zeichner am 19.02. noch live erleben, beim Ausstellungsgespräch im Museum nämlich. Kuratorin Anette Gehrig hat sich für uns die Zeit für ein paar Fragen genommen zur Cosey-Ausstellung in Basel.
Der Künstler vor seiner Ausstellung.
©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu»,
Bernard Cosendai, Portrait
(Alex Jakubowski) Liebe Grau Gehrig, worauf können sich die Besucher*innen Ihrer Ausstellung freuen?

(Anette Gehrig) Zum ersten Mal kommt das deutschsprachige Publikum in den Genuss über 200 Originalzeichnungen, darunter Seiten des letzten und finalen Bands von «Jonathan», sowie Inspirationsquellen wie Fotografien, Skizzenbücher, Objekte und Filme von Cosey zu sehen. Das Museum der Kulturen hat ein weiteres Highlight beigetragen: kunstvolle Originale der in Coseys Werk dargestellten tibetanischen Ritualgegenstände.
Der Künstler hat die Vernissage besucht und wird noch einmal gegen Ende der Ausstellung zu Besuch sein. Ausserdem kann das Publikum in Führungen und Workshops mehr zur Arbeitsweise und zu den Themen, die der Künstler behandelt erfahren. Und natürlich ganz besonders in den Workshops zum Zeichenstift greifen.

Tibetainische Ritualgegenstände.
©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu»
Was ist das Faszinierende an den Zeichnungen und Geschichten von Cosey?

In der Ausstellung sind Originalzeichnungen aus allen Alben von Jonathan und den weiteren zwanzig Einzelalben zu sehen. Der Künstler hat über 47 Jahre die Serie Jonathan gezeichnet und die Besucher*innen können die Entwicklung seines Zeichenstils verfolgen. Cosey ist ein meisterhafter Geschichtenerzähler und beherrscht alle Erzählformate: von poetischen Kurzgeschichten über Graphic Novels bis zur jahrelang weiterentwickelten Serie. Sein Leitmotiv ist der Mensch, der nach sich selber und seiner Identität sucht. Diese Suche ist bei Cosey immer wieder verkörpert durch das Unterwegssein ins Unbekannte – oft durch spektakuläre exotische Naturlandschaften verschiedener Länder und Kontinente. Dabei übernehmen die bereiste Weltgegend, ihre authentisch dargestellten Menschen und die Schönheiten ihrer Natur bisweilen fast die Hauptrolle.

Auf Coseys Farbpalette dominieren von einem schwarzen Strich gefasste warme Gelb- und Blautöne. Seine realistischen Bilder sind subtil stilisiert und von grosser sinnlicher Qualität. Der hohe Kontrast im Schatten liegender, schwarzer Silhouetten schafft Bildtiefe. Auch grossflächige, kaum strukturierte Weissräume oder aufgelöste Panels sind Spezialitäten von Cosey. Seine Bildsprache ist abwechslungs- und einfallsreich, aber stets klar und verständlich. Techniken wie das Gegenüberstellen von Fülle und Leere sowie verzogene oder verschachtelte Panels sind nie Selbstzweck, sondern stehen im Dienst der Geschichte. Dabei erfahren die detailreich festgehaltenen Landschaften, Architekturen oder Typographien meist dieselbe Aufmerksamkeit wie die beteiligten Personen oder werden selbst zu Protagonisten.

Der Blick ins Unbekannte…
©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu»,
Die Berge sind ein (fast) immer präsentes Motiv in seinen Geschichten. Vor allem die tibetischen Berge. Welche Bedeutung haben diese für ihn?

Die Liebe zur Natur und zur Berglandschaft im Besonderen sowie sein Interesse für die fernöstliche Philosophie und den Tibet hat Cosey mit dem Comiczeichnen verbunden. Seine Leidenschaft im Darstellen von Naturlandschaften teilt er mit seinem Idol, dem Westschweizer Zeichner Derib.

Dabei sind zu raffinierten Mustern abstrahierte, schroff aufragende winterliche Berglandschaften die Lieblingskulissen und -schauplätze des Zeichners und harte, starke Licht- und Farbkontraste sein bevorzugtes Stilmittel. Mitunter übernehmen die Landschaften sogar die Hauptrolle in seinen Geschichten.

Während Coseys gesamtes Werk das Suchen, das ständige Hinterfragen und das Überwinden zum Inhalt hat, bleibt etwas in seinen Büchern unverändert, wird aber immer deutlicher: seine Verbundenheit, seine Leidenschaft und sein Engagement für Tibet. Ein geschundenes Land, das im Mittelpunkt seiner Serie «Jonathan» und des Doppelbandes «Der Buddha des Himmels» stehen wird.

Perspektiven wechseln. ©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu»,

Neben seiner Hinwendung zur (insbesondere ostasiatischen) Spiritualität führten zwei andere Auslöser den jungen Zeichner unweigerlich auf das Dach der Welt: die starke Anziehungskraft der Berge und die Lektüre von «Tim und Struppi in Tibet», die ihn nachhaltig prägte (bezieht sich sein berühmtes, auf weisse und leere Flächen aufgebautes Cover von «Auf der Suche nach Peter Pan» nicht auf das Cover von Hergés Album?).

Cosey begab sich erst nach den ersten Folgen seiner Serie in die Fussstapfen Jonathans. Seine Reisen in den Himalaya liessen ihn in eine grössere und komplexere Realität eintauchen als jene, die er bislang in Büchern gesehen und gelesen hatte; sie verstärkten seinen Wunsch nach Nuancierung und Informationen aus erster Hand und ermöglichten es ihm, seine Faszination für das Alltagsleben, die Gegenstände, die Magie der Orte und Landschaften, den Kontakt mit den Menschen jenseits der Sprachbarriere auf realistische Weise zu integrieren, anstatt die Klischees des etwas stereotypen Abenteuers zu bedienen. Durch Jonathan stellte er dort auch den vom chinesischen Regime betriebenen kulturellen Genozid fest, die Zerstörung von Klöstern, die Übergriffe.

Auch Werke aus seiner Micky-Hommage «Eine geheimnisvolle Melodie» sind zu sehen.
(siehe hier ein anderer Band aus der Reihe: https://comic-denkblase.de/nouvelle-maus-donald-macht-urlaub)
©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu»,
Welchen Stellenwert hat Cosey für die Entwicklung des europäischen Comics?

Cosey ist einer der wichtigsten europäischen Comiczeichner, die vor dem Hintergrund der kulturellen Umwälzungen der 1960er- und 1970er-Jahre den Comic mit anspruchsvollen Themen und literarischem Anspruch für ein erwachsenes Publikum erweitert haben.

2017 erhält der Westschweizer am Internationalen Comicfestival von Angoulême den Grand Prix für sein Lebenswerk. Diese wichtige Auszeichnung bestätigt die Wirkung seines Werks.

«Eine Reise nach Italien» war für mich im Prinzip der erste Comic, den ich jenseits von Disney-, francobelgischen Funnys oder Superheldencomics gelesen habe. Wie wichtig war dieser Comic für die Wahrnehmung von Cosey innerhalb der europäischen Zeichnerszene? Kann man dazu etwas sagen?

«Eine Reise nach Italien» ist ein Beispiel für eine Graphic Novel, die in der europäischen Zeichnerszene das literarische Potenzial von gezeichneten Geschichten aufgezeigt hat. Eine komplexe Geschichte, die verschiedene Lebensschicksale zusammenführt, typisch für Cosey, denn Begegnungen und Freundschaften sind immer wiederkehrende Elemente in Coseys Geschichten und bilden den Kristallisationspunkt von Reflektionen seiner Protagonisten – so wie in «Le voyage en Italie», wo sich zwei Vietnamveteranen Jahre nach ihrem Einsatz wieder treffen. Auf einer Italienreise begegnen sie Shirley wieder, in die beide vor dem Krieg verliebt waren. Shirley ist aber nicht mehr dieselbe und sie hat ein vietnamesisches Flüchtlingskind dabei, das in die USA will.

Insbesondere in seinem Spätwerk arbeitet Cosey vermehrt mit Andeutung und Ausblendung, um der Fantasie der Leserschaft Raum zu geben. Auch seine Dialoge sind selten erklärend, sondern kurz und prägnant. Diese gewollten Leerräume finden sich bis in die Erzählstruktur, wenn Cosey beispielsweise ganze Lebensabschnitte seines Alter Ego Jonathan verschweigt. Das Ausgelassene, Ungesagte, Nichtgezeigte in Aufbau, Bild und Wort schafft den Raum, den die Leserinnen und Leser aus sich selbst heraus füllen.

Die Ausstellung läuft bis Ende Februar. Haben Comicfans die Gelegenheit, Bernard Cosendai noch persönlich zu treffen? 

Cosey kommt zur Finissage noch einmal nach Basel. Am Sonntag, den 19.2.2023, um 16 Uhr  wird Cosey uns im Gespräch mit Comicspezialist Ariel Herbez in seinen erzählerischen und künstlerischen Kosmos führen.

Ganz herzlichen Dank!
Zum Abschluss kommt auch der Künstler noch einmal ins Museum.
©Cartoonmuseum, Exhibition, «Cosey. Vers l’inconnu», Bernard Cosendai, Portrait,

Und hier gehts zum Cartoonmuseum Basel.

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