Lange bevor sein neuer Comic in den USA erscheinen wird, veröffentlicht der amerikanische Star-Zeichner Charles Burnes sein Werk exklusiv in Deutschland und Frankreich. In Daidalos blickt der 64-jährige Burns auf sein eigenes Leben als Comic-Künstler zurück, erzählt von seinem Hang zum Horror und davon, wie seine Umgebung anfangs damit umgegangen ist.

©2020 Reprodukt für die deutschsprachige Ausgabe
Es ist schon ungewöhnlich: Daidalos erscheint zuerst in Europa. In den USA soll das mehrteilige Werk nach Abschluss der Geschichte veröffentlicht werden. Vermutlich erst in einigen Jahren.
Der große Stilist des amerikanischen Comics
Einmal mehr zeigt Charles Burns in seinem Buch, welch brillanten Strich er beherrscht. Kontrastreich und hart bringt er eine surreale Geschichte zu Papier, die den Leser dazu animiert, mehrmals zurück zu blättern. Das Gelesene wirken zu lassen und dann zurück zu kehren, um zu überprüfen, was genau der Zeichner da gerade angedeutet hat. Manchmal verleitet er auch nur dazu, Bilder stehen zu lassen. Zu ergründen, was sich hinter ihnen verbergen könnte.

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In Daidalos geht es um das jugendliche Alter Ego von Burns: Brian Milner, ein verschrobener Zeichner und Filmemacher mit Hang zum Horror. Ein Sonderling, der selbst auf Partys lieber den Stift in der Hand hält, dem Smalltalk aus dem Weg geht und ansonsten mit einem Freund abgedrehte Super-8-Streifen dreht.
Horror-Movie beim ersten Date
Die attraktive Laurie nimmt er erst nicht wahr. Später schleppt er sie in ein schäbiges Kino um mit ihr einen Trash-Movie anzusehen. Der Film ist offenbar ein Vorbild für einige seiner selbst gedrehten Werke. Auch eine Art, eine Frau näher kennenzulernen…

©2020 Reprodukt für die deutschsprachige Ausgabe
Anders als in seinem Opus Magnum Black Hole arbeitet Burns in seinem neuen Comic nicht in schwarz-weiß. Das hat er auch in seinen letzten Werken Zuckerschädel, Die Kolonie oder X so gemacht. Die Farben unterstreichen den Kontrast vielleicht sogar noch, ohne allerdings zu dramatisieren. Sie erhöhen die suggestive Kraft, von der sich auch Laurie im Comic selbst angezogen fühlt, wenn sie Brians Zeichenblock betrachtet.
Vom Beobachten des Beobachters
Daidalos ist auf mehreren Ebenen spannend. Wie sieht Burns sich? Wie sieht er, wie andere ihn sehen? Wie hat er sich entwickelt? Und wie wird sein Umfeld auf ihn reagieren, auf seinen zunehmendem Erfolg? Welches Bild zeichnet er schließlich von seiner Jugend? Wird sie am Ende der Geschichte als schön bewertet? Oder arbeitet sich der Zeichner nun an ihr ab, um Wunden zu heilen?

©2020 Reprodukt für die deutschsprachige Ausgabe
Ein Comic über und von einen Comic-Macher also. Wer wüsste besser, was in ihm beim Zeichnen vorgeht, als der Künstler selbst?
Ich bin gespannt, wie Charles Burns seinen weiteren Weg nachzeichnen wird. Wie Daidalos in der griechischen Mythologie vielleicht? In Form eines Labyrinthes, das so gut gebaut war, dass er als Erbauer selbst kaum nach draußen fand? Okay, zu weit hergeholt.
Aber der Name scheint gut gewählt zu sein. Denn die Geschichte führt uns nicht geradlinig zum Ziel. Hier und da scheint es eine Sackgasse zu geben, für den Leser, wie für die Hauptfigur. Und übrigens: Daidalos galt in der Mythologie als brillanter Künstler. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.