Lucky Luke, der Mann, der schneller zieht als sein Schatten, feiert in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag. Das wird natürlich mit einer Reihe von Veröffentlichungen gewürdigt. Neben zwei neuen Hommagen (vgl. https://comic-denkblase.de/zarter-schmelz-lucky-luke), einem Rückblick auf die Anfänge und einem Kochbuch (!) gibt es auch neue Sekundärliteratur zum Thema. Vor ein paar Wochen ist bereits „Die Eroberung des Westens“ erschienen. Ein Buch, das unter anderem zeigt, von welchen realen Begebenheiten sich Zeichner Morris inspirieren ließ. Aber das ist längst nicht alles. Es gibt sogar eine Weltpremiere: Das große Lucky Luke-Lexikon ist soeben erschienen. Die in der Comic-Szene geschätzten Fachleute Horst Berner und Volker Hamann haben dafür gemeinsam jeden Stein umgedreht, der jemals in einem Lucky Luke-Abenteuer gezeichnet wurde.
(Alex Jakubowski) Lieber Horst, lieber Volker, ihr seid beide Kenner der franko-belgischen Comics und im Speziellen der Abenteuer von Lucky Luke. Dennoch, da ihr ja sicher nicht alle Details immer parat haben könnt: Wie seid Ihr vorgegangen beim Erstellen des Lucky Luke-Lexikons?
(Volker Hamann) Auch als »Kenner« kann man immer noch etwas dazulernen, und so erging es Horst und mir bei der Arbeit an unserem Das große Lucky Luke Lexikon (grinst). Obwohl wir von Anfang an viel Ahnung davon hatten, auf welches »Abenteuer« wir uns eingelassen haben, waren wir schließlich doch erstaunt über die Menge an Fakten und Informationen, die es zusammenzutragen galt. Als wir zu Beginn unserer Arbeit, im Oktober 2020, grob abschätzten, wie viele Stichworte es wohl pro Album zu berücksichtigen galt, war klar, dass wir eine gute Organisation brauchen würden. Wir gingen von insgesamt 81 Alben aus, die wir zum »Kanon« der Serie zählten. So kam es zu einer Datenbank, in der wir die unserer Meinung nach relevanten Begriffe aus allen von Morris und Achdé gestalteten Abenteuern mit Lucky Luke erfasst haben.
Obwohl wir spin-offs, Hommagen und Werbecomics ausgeklammert hatten, waren das bereits etwas mehr als 2.000 Stichworte, die wir aufgrund von Dopplungen und Übereinstimmungen auf ziemlich genau 1.650 Begriffe eingedampft haben. Die Erfassung der Stichworte teilten wir 50:50 auf, einer hat die Bände mit den geraden, der andere die Bände mit den ungeraden Zahlen durchgeackert. Nach Fertigstellung dieser Datenbank wurde daraus eine Textdatei erstellt, die wir dann weiterbearbeitet und schließlich zusammen mit dem Grafiker in Form gebracht haben. Dabei wurde uns erfreulicherweise die Unterstützung von Egmont und dem Lizenzgeber zuteil, die uns das Bildmaterial und einige unveröffentlichte oder seltene Comic-Geschichten, die wir unbedingt im Lexikon zeigen wollten, zur Verfügung gestellt haben.
So viele Alben muss man erstmal schaffen. Wie lange hat die ganze Arbeit gedauert?
(Horst Berner) Das kann man so pauschal nicht sagen. Das Projekt hat uns seit Anfang des Jahres 2021 bis zur Abgabe der Druckdaten Mitte September mehr oder weniger intensiv beschäftigt. Ein Großteil der Zeit ging drauf für die Erfassung der relevanten Stichworte aus allen Alben der Serie Lucky Luke. Wie erwähnt waren das etwa 2.000, die sich dann letztlich auf 1.650 definierte reduzierten.
Der lexikalische Teil war sicher die größte Herausforderung, weil es durch Volker, mich und unseren Lektor Peter Nover immer wieder zu Korrekturen kam, die zuweilen zu Umstellungen in der parallel dazu entstandenen, von Michael „Mille“ Möller gefertigten Grafik führten. Klar, das war für alle Beteiligten manchmal etwas nervig, hat aber keinen von uns so richtig abgeschreckt. Wir waren uns nach den ersten Layouts ziemlich sicher, dass wir mit diesem weltweit ersten Lucky Luke Lexikon etwas Besonderes in der Mache hatten. Die anderen Kapitel haben wir nach und nach abgearbeitet und in Form gebracht.
Welche Vorgaben vom Verlag gab es?
(Horst Berner) Nachdem Volker und ich uns Ende des Jahres 2020 mit Wolf Stegmaier und Fabian Gross von der Egmont Comic Collection auf ein Konzept geeinigt hatten, hatten wir freie Hand und arbeiteten drauf los. Toll, dass das Konzept in seiner englischen Fassung auch die Zustimmung von Lucky Productions und Dargaud erhielt. Wir konnten tatsächlich unsere Vorstellungen maximal umsetzen, Einschränkungen oder Vorgaben vom Verlag gab es keine. Einzige Ausnahme: von Anfang an war klar, dass der Titel am 3., schließlich war es dann der 5. November im Handel erhältlich sein sollte.
Wie groß war die Mitsprache vom Lizenzgeber?
(Horst Berner) Erfreulicherweise lief das für uns Autoren geräuschlos hinter der Kulisse ab. Mit der Absegnung des Konzepts und den ersten Entwürfen genossen wir rundweg das Vertrauen des Lizenzgebers. Wir mussten nirgendwo Korrekturen vornehmen, im Gegenteil, unseren Wünschen nach Abdruck von rarem Morris-Bildmaterial wurde gern entsprochen. Wir hoffen und vermuten, dass sie auch in Frankreich von dem Ergebnis angetan sind. Von Egmont gab es jedenfalls nur positive Rückmeldungen auf das gedruckte Buch.
Wird das Buch auch im französischsprachigen Raum erscheinen?
(V.H.) Das ist zumindest unser Wunsch und auch Bestandteil unseres Vertrages, denn das von uns zusammengestellte Das große Lucky Luke Lexikon ist weltweit das erste seiner Art. Daran könnten also auch französischsprachige Leser, und vielleicht sogar der englischsprachige Markt, Interesse haben. Tatsächlich haben wir bereits bei den vorbereitenden Arbeiten zur Erfassung der Stichworte darüber nachgedacht, Namen auch in jeweils anderen Sprachen aufzunehmen und waren dann erstaunt darüber, dass es gar nicht so große Unterschiede gibt bei der Benennung von Figuren oder Orten – ganz im Gegenteil etwa zu Asterix. Das könnte also ein weiterer Grund und Vorteil dafür sein, dass das Lucky Luke Lexikon auch bei unseren Nachbarn erscheint. Im Moment gibt es aber keinen Hinweis darauf.
Was hat Euch bei der Arbeit am Lexikon besonders überrascht?
(V.H.) Wie wir in unserem Vorwort schreiben, hatte es seinen ganz besonderen Reiz, ein umfangreiches und originelles Gesamtwerk wie Lucky Luke zu analysieren und dafür gewissermaßen eine Kartographie zu erstellen. Denn mit dem Auflisten, Sortieren und Erklären wurden uns – und hoffentlich auch der Leserschaft – tiefere Einsichten in die Materie der Comics und ein Blick auf den Kreativprozess von Schöpfer Morris und seiner kongenialen Szenaristen ermöglicht.
Böse Zunge sagen: Wozu braucht es sowas?
(V.H.) Das ist ganz einfach: Alle Comicleser, die Spaß an ihrem Hobby haben und schon immer wissen wollten, wer bei Lucky Luke alles Rang und Namen hat! ;o) Etwas ernsthafter könnte ich auch sagen, dass unser Lexikon weit mehr ist als eine bloße Aneinanderreihung von Namen, Ereignissen und Orten. Wir haben so viele Informationen über die Serie und ihre Schöpfer in das Buch aufgenommen, wie es anhand zahlreicher Quellen und Dutzender Bücher möglich war, sodass am Ende wohl das ultimative Lucky-Luke-Kompendium dabei herausgekommen ist, an dem wir beide als Leser ebenfalls unseren Spaß (und Nutzen) gehabt hätten.
Zu guter Letzt: Was sind Eure Lieblingsgeschichten und warum?
(V.H.) Meine Lieblingsalben sind Auf nach Oklahoma, Die Erbschaft von Rantanplan, Ma Dalton, Die Daltons im Blizzard und Sarah Bernhardt – das wechselt aber auch mal. ;o)
(H.B.) Aus der Frühphase gefallen mir Familienkrieg in Painful Gulch und Tortillas für die Daltons. In der mittleren Phase fand ich schon immer Jesse James ganz witzig. Die Shakespeare-Zitate von Frank James à la »Gut! (Othello, 2. Aufzug, 1. Szene)« sind der Brüller. Vom neuen Team Jul und Achdé habe ich Das gelobte Land sehr gern gelesen. Aber wie Volker schon erwähnte, auch bei mir kann sich das immer wieder ändern. Dazu bietet die Serie Lucky Luke einfach zu viel guten Lesestoff.
Ganz herzlichen Dank!
Hier geht es zum Verlag: http://www.egmont.de