Er hat es wieder getan… Der Gießener Zeichner Andreas Eikenroth hat sich erneut dem Werk des früh verstorbenen Georg Büchner gewidmet. Nach Woyzeck vor zwei Jahren (siehe: https://comic-denkblase.de/woyzeck-auf-einen-kaffee-mit-andreas-eikenroth) ist es dieses Mal der Lenz, den Andreas zeichnerisch umsetzt. In seinem ganz eigenen Stil beschreibt er Szenen des Werks auf geschwungen dahin geworfenen Seiten. Panelgrenzen, wie bei Asterix oder Spider-Man finden sich hier nicht. Zu seinem Stil und seiner Motivation, Büchners Lenz als Comic-Adaption umzusetzen, hat mir Andreas ein paar Fragen beantwortet.
(Alex Jakubowski) Lieber Andreas, Du bleibst Büchner treu. Was fasziniert Dich so an dem früh verstorbenen Schriftsteller?
(Andreas Eikenroth) Ich finde es unglaublich, was Büchner mit seinen 23 Jahren auf die Reihe bekommen hat. In diesem Alter habe ich mich höchstens gefragt, auf welche Party ich gehe und ob man Wein auf Bier trinken kann. Büchner hat da schon als hessischer Che Guevara versucht, die Revolution in Deutschland anzuzetteln. Und nebenbei hat er auch gleich noch die Literatur revolutioniert. Indem er als erster Dramatiker in seinen Stücken auch Normalsterbliche mit ihren Problemen zu Hauptfiguren machte.
Nach seinem Woyzeck widmest Du Dich jetzt Büchners Lenz. Was war für Dich dieses Mal anders bei der Umsetzung des Stoffs?
Von den nur vier Werken, die Büchner verfasste, ist Lenz die einzige Novelle, der Rest ist Theater. So blieb ich beim Lenz noch dichter am Originaltext. Ich habe ihn ein wenig gekürzt, da Büchner mit seiner besonderen Sprache die Landschafts- und Seelenbeschreibungen, diese melancholisch-düstere Stimmung trägt. Mit meinen Zeichnungen will ich dieses Gefühl in Bilder umwandeln, so dass man das Gefühlschaos, welches Lenz durchlebt, unmittelbar nachvollziehen kann.
Auch stilistisch bist Du Dir treu geblieben, zeichnest Szenen auf einer Seite in einem ganz eigenen Schwung. Warum löst Du den Lenz nicht klassisch in Panel auf?
Da Lenz viel von den Landschaftsbildern lebt, sowohl jenen in der winterlichen Bergwelt als auch in der eigenartigen Geisteslandschaft in Lenzens Kopf, bieten die Seiten als ganzseitige Tableaus viel besser die Möglichkeit, dort einzutauchen. Kleinteilige Panels enden im schlechtesten Fall bloß bei den üblichen talking Heads.
Wie waren eigentlich vor zwei Jahren die Reaktionen auf Deinen Woyzeck?
Die Reaktionen waren durchweg positiv, was mich natürlich sehr gefreut hat. Ich wollte mit Woyzeck – ebenso wie mit Lenz – einem Stoff seine ursprüngliche Spannung und Brisanz zurückgeben. Woyzeck wurde ja erst 80 Jahre nach Büchners Tod erstmalig aufgeführt. Auch der Lenz erschien erst posthum. Für seine Zeit war er wohl zu fortschrittlich. Andererseits fühlt er sich 200 Jahre später für viele Leser zu weit weg an. Mit den Comics habe ich da anscheinend den verbindenden Spagat geschafft.
Was erhoffst Du Dir jetzt vom Lenz? Eingang in den Schulkanon? 😉
Tatsächlich bin ich mit einigen Seiten im Reclam Literaturunterricht als auch im Klett-Verlag aufgenommen worden. Das finde ich natürlich großartig, aber der Hauptgedanke dahinter war nicht, die Comics für Schüler zu zeichnen. Ich hab‘ den Band hauptsächlich für Leute wie mich gezeichnet, die Lust auf eine neue, gestalterische Sichtweise auf die Klassiker haben.
Was kommt als nächstes? Dantons Tod?
Exakt. Ich bin schon mittendrin an den Arbeiten zu Dantons Tod. Das Stück wird ja tatsächlich in zeitgenössischen Rezensionen als Komödie behandelt, auch wenn da ’ne Menge Blut fließt und die Köppe rollen. Anscheinend hatte man damals wohl eine etwas andere Auffassung von Humor. Aber genau diesen Aspekt will ich in meiner Adaption besonders zum Vorschein bringen. Und danach kommt wohl noch Leonce & Lena, dann bin ich mit Büchner durch. Und dann kann ich mich bis zur Rente den anderen, großen Theaterstücken widmen, schließlich arbeite ich ja bereits mein halbes Leben am Theater, da bleibt einiges hängen.
Angaben zum Buch: Lenz, Zeichnungen von Andreas Eikenroth. Gebunden, Hardcover, farbig. 80 Seiten. Edition 52. 18,-€
Und hier geht es zum Verlag: https://edition52.de/