Wer gerne alleine bleibt, ruhig und introvertiert ist – der erntet schnell komische Blicke. „Was stimmt nicht mit Dir?“, heißt es oft. Dass diese Art der Persönlichkeit keinesfalls negativ ist, weiß die Fachliteratur schon seit Längerem. Seit ein paar Jahren gibt es auch einige populärwissenschaftliche Bücher, die sich mit dem Thema Introvertiertheit auseinander setzen. Jetzt hat die englische Illustratorin Debbie Tung einen Comic dazu veröffentlicht. Quiet Girl: Geschichten einer Introvertierten.
Debbie ist mit sich zufrieden – eigentlich. Denn dass sie nicht gerne unter Leute geht, ein neues Umfeld sie nervös macht und Smalltalk eine Hürde für sie ist, lässt sie an sich zweifeln. Warum bin ich so anders als die anderen? Was denken die anderen wohl über mich?
Lasst mich in Ruhe
Ein perfekter Tag ist für die junge Frau, wenn es draußen regnet und sie es sich mit einer Tasse Tee und einem guten Buch gemütlich machen kann. Möglichst keine Anrufe, keine Verabredungen, nichts, was die Beschäftigung alleine unnötig stören könnte.
Doch Debbie weiß natürlich auch, was andere von ihr erwarten. Das neue Büro, die neuen Bekannten, vielleicht auch der neue Freund? Mit Mühe arbeitet sie im Großraumbüro. Es fällt ihr schwer, immer neue Ausreden zu finden, warum sie nicht auf eine Party möchte.
Erwartungen erfüllen
Doch ihr Freund hat Verständnis für sie. Er spürt ihr Unwohlsein, er lässt sie gehen. Er kauft ihr Bücher und unterstützt sie bei ihrem Wunsch, mehr Zeit für sich zu haben. „Ich habe gern meinen eigenen Raum“ – dieser Satz wird zu ihrem Motto.
Und so dauert es im Comic auch nicht lange, bis der erste Job im Büro gekündigt wird und sie den Schritt in die Selbständigkeit wagt. Ja wenn es doch so einfach wäre – im echten Leben…
Autobiografisch? Quiet Girl: Geschichten einer Introvertierten.
Keine Ahnung, wieviel Autobiografie in diesem Comic steckt. Jedenfalls erzählt Debbie Tung mit gelungenen Beispielen von den Problemen einer Introvertierten in einer Welt voller Lautsprecher. Wo Extrovertierte den Ton angeben und Ruhe als Schwäche ausgelegt wird.
Deshalb ist Quiet Girl: Geschichten eine Introvertierten ein Plädoyer für die Ruhigen. Für diejenigen, die einen anderen Rhythmus haben und eine andere Art zu kommunizieren. Dieses Plädoyer ist lange überfällig. Es richtet sich sowohl an diejenigen, die selbst zu den Ruhigen gehören und sich im Buch selbst wiederfinden.
Plädoyer für die Stillen
Und es richtet sich gleichermaßen an diejenigen, die kein Verständnis dafür haben, dass es auch Menschen gibt, die mit sich selbst zufrieden sind und sich zurückziehen. Die alleine zu genauso guten Arbeitsergebnissen kommen, wie diejenigen, die lautstark Gruppenergebnisse für sich reklamieren?
Zeichnerisch ist sicherlich Luft nach oben. Die Illustratorin zeigt einen recht naiven Strich. Gesichter werden mit Punkt und Strich versehen. Mehr Mimik gibt es nicht. Dennoch gelingt es der Engländerin, die Gefühle der Hauptfigur gekonnt zum Ausdruck zu bringen.
Erzählerische Stärke
Das Hauptaugenmerk liegt ohnehin im erzählerischen. Mit vielen Beispielen aus dem Alltag der Protagonistin kommen wir der Figur nahe. Die Dialoge helfen dabei, die Zweifel und Sehnsüchte von Debbie zu verstehen. Die Konflikte mit ihren Mitmenschen nachzuvollziehen.
Quiet Girl ist Debbie Tungs erster Comic. Im Original ist er bereits 2017 erschienen. Mittlerweile hat sie zwei weitere Bücher veröffentlicht. Auf deutsch hat ihn nun der Loewe-Verlag herausgebracht. Endlich muss ich sagen.
Genugtuung und Aufforderung
Denn für alle missverstandenen Introvertierten dürfte dieses Buch eine Genugtuung sein. Und eine Aufforderung, nicht immer den Erwartungen der Lauten zu entsprechen, sondern den eigenen Weg zu gehen – aber eben einen leisen.
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Quiet Girl. Geschichten einer Introvertierten. Text und Zeichnungen: Debbie Tung. Aus dem Englischen übersetzt von Katharina Hartwell. Hardcover, schwarzweiß. 184 Seiten. Loewe-Graphix. 15,-€
Hier gehts zum Verlag: https://www.loewe-verlag.de/content-1430-1430/loewe_graphix/
Und hier gehts zur Zeichnerin: https://debbietung.com/
Auch wenn es keine Zweifel daran gibt, dass Comics nicht immer komisch sind und auch ernste Themen behandeln – hier ein weiteres Beispiel: https://comic-denkblase.de/comic-ausstellung-zur-kinderemigration