Kafka im Comic? Ja. Kafka im Comic: Die Aeroplane in Brescia – so heißt die jüngste Veröffentlichung des Frankfurter Zeichners Moritz von Wolzogen. Nicht Der Prozess oder Die Verwandlung hat sich der Künstler zur Umsetzung als Graphic Novel herausgesucht. Es handelt sich vielmehr um einen eher unbekannten journalistischen Text Kafkas. Dafür zeigt das Buch nun einen Kafka, wie ihn die breite Öffentlichkeit kaum kennt. Als jugendlichen Urlauber mit einer Vorliebe fürs Schwimmen und für moderne Technik.
Es ist eine recht intensive Beziehung zwischen Moritz von Wolzogen und Autor Franz Kafka. Im belesenen Elternhaus wurden schon früh Geschichten des in Prag geborenen Schriftstellers erzählt. Als Jugendlicher las er dann selbst die Werke. „Was ich da gelesen habe, hat mich sehr angezogen. Ich mochte seinen Tonfall“, so Moritz von Wolzogen. „Jeder Mensch trägt ein Zimmer in sich. Das hat mir sehr gefallen.“
Kafka-Biograf unterstützt
Irgendwann kam Moritz von Wolzogen auch mit der dreibändigen Biografie von Reiner Stach in Kontakt. Familiäre Kontakte bestanden ausserdem. Und so war es kein Zufall, dass der Biograf dem Zeichner bei seiner jetzigen Arbeit beratend zur Seite stand und auch einen informativen Zusatzteil für den Comic geschrieben hat. Der Titel: Franz Kafka und die Piloten.
„Wenn sie Kafka hören denken die Leute oft an düstere Szenarien“, so Reiner Stach. „Sie kennen die alten Szenen, dunkle Pflastersteine in Prag. Aber es gibt einen ganz anderen Kafka. Er war ein leidenschaftlicher Schwimmer. Dazu kommt seine Begeisterung für Technik. Er wollte unbedingt zur Flugschau nach Brescia. Flugzeuge angucken, aber auch die waghalsigen Piloten.“ Aus der Urlaubsreise nach Brescia wurde am Ende eine Zeitungsreportage. Die wiederum hat Moritz von Wolzogen als graphische Reportage adaptiert.
Ein neues Bild von Kafka
So zeichnet Moritz von Wolzogen im buchstäblichen Sinne ein ganz anders Bild von Franz Kafka. Eines, das im Comic nicht nur durch Mimik und Dialoge zum Ausdruck kommt, sondern auch durch die Farbigkeit des Buches. „Wenn ich seine Texte lese, entstehen in meinem Kopf ganz andere Bilder. Die haben nichts mit dem zu tun, was man über Kafka beigebracht bekommt. Der einzige Weg, falsche oder schlechte Bilder zu korrigieren, ist indem man neue Bilder macht“, so der Zeichner.
Zeitgleich zum Erschienen des Buches werden die Originalseiten des Comics in Frankfurt ausgestellt. Im WerkbundForum sind die Zeichnungen noch bis zum 19. März zu sehen. Für Verlegerin Nathalia Laue eine einzigartige Möglichkeit, einen Einblick in den Entstehungsprozess der Graphic Novel zu bekommen.
Ausstellung mit Originalseiten zu „Die Aeroplane in Brescia“
„Ich finde die Genese eine Werkes immer ungemein spannend“, so Nathalia Laue. „Es ist ja absolut überraschend, wenn man das Buch in Händen hält und diese Farbfeuerwerk sieht. Wie es aber dazu kam, das erwartet das Publikum normalerweise ja nicht. Viele wissen ja gar nicht, wie der Arbeitsprozess bei einem Comic überhaupt abläuft.“
Was vor allem beim Betrachten der Originale auffällt, ist die Dynamik, die die Zeichnungen entwickeln. Der schwimmende Kafka, der durch mehrere Bilder hindurch und auf der nächsten Seite wieder auftaucht. Flugzeuge, die über Panelgrenzen hinausfliegen. „Da spürt man geradezu die Poetik des Fliegens“, meint Verlegerin Nathalia Laue.
Dynamik und Poetik
Schade nur, dass schon nach 25 gedruckten Seiten im Buch Schluss ist. Gerade weil die Geschichte ein solches Tempo aufnimmt, hätten dem Leser noch weitere Zeichnungen gut gefallen. Gerne würde man noch mehr erfahren. Etwa darüber, wie Kafka das Erlebte am Ende als Reportage bei der Prager Tageszeitung Bohemia untergebracht hat. Aber vielleicht ist das ja auch Teil des nächsten Comics…
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Franz Kafka: Die Aeroplane in Brescia. Eine graphische Reportage von Moritz von Wolzogen. Nachwort von Reiner Stach. Hardcover, farbig. 48 Seiten. Edition Nathalia Laue. 2022. 22,-€
Angaben zur Ausstellung: Vom 26. Februar bis 19. März. WerkbundForum. Weckmarkt 5, 60311 Frankfurt am Main. Di. – Fr. 15:30 Uhr bis 18:30 Uhr. Sa. 14 – 18 Uhr. An jedem Freitag und Samstag ist der Künstler anwesend.
Hier gehts zum Verlag: http://www.nathalialaue.de
Hier gehts zum Künstler: https://www.moritzvonwolzogen.com/