Den Zeichner José-Luis Munuera kannte ich bisher vor allem wegen seiner Arbeit am Spirou-Universum. Jetzt hat der spanische Zeichner seine Version von Peter Pan zu Papier gebracht. Es ist eine Vorgeschichte der klassischen Story von James Matthew Barrie, die er hier umsetzt. Und sie ist anders als das, was ich bisher immer mit Peter Pan verbunden habe. Aber dennoch ein Comic, den ich sehr gern gelesen habe. Neues von Peter Pan – von José-Luis Munuera.

© Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024
Welche Erinnerung habt Ihr an Peter Pan? Ihr kennt die Zeichentrickverfilmung von Disney? Und vielleicht auch Hook? Den Kinofilm mit Dustin Hofmann und Robin Williams, der die Fortsetzung von Peter Pan darstellt? Wie auch immer, Peter ist das Kind, das niemals erwachsen wird, es geht um verwunschene Kinder, um Nimmerland…
Geschönte Erinnerung?
Irgendwie verbinde ich mit Peter Pan seit jeher etwas liebliches, sanftes. Dabei ist die Geschichte ja eher unheimlich. Kinder, die entführt werden. Eine Fee, die die Kinder umbringen lassen will, ein gefährlicher Pirat, und und und… Meine Erinnerung hat mir dabei möglicherweise einen Streich gespielt, oder es sind die lieblichen Disney-Figuren, die die eigentliche Handlung irgendwie überdecken.

Vermutlich ist Munueras Peter-Pan-Version näher am Original, als die Version, die ich seit Jahrzehnten in meinem Kopf trage. Die Figuren sind recht düster. Die kleine Maimie Manering hat Angst. Sie hat sich verlaufen, ist im falschen Teil des Parks gelandet. Und dann kommen noch merkwürdige Feen, die sie umkreisen. Und davon reden, dass sie ihre Fingerchen essen könnten.
Angst und Schrecken
Auch Peter kann Maimie nur kurz beruhigen, denn schon bald jagen ihr schemenhafte, schwarze Männer mit Zylinder einen Schrecken ein. Und als der ewig junge Peter sie dann durch die Lüfte fliegen lässt und sie Sorge hat, nie mehr nach Hause zurückzukehren, da hat die Kleine auch vor Peter Pan selbst Angst. Sieht es doch so aus, als denke er gar nicht daran, sie zurück in ihre Wohnung zu bringen.

Und schon sind mir mittendrin in der Geschichte, dabei ist auch der Beginn bereits düster. Es gewittert heftig. Ist es ein Rückblick? Was ist mit Peter passiert? Offenbar ist es seine Mutter, die sehnsüchtig am Fenster seinem Schatten hinterhersieht und seinen Namen ruft. Aber vergeblich, denn Peter verschwindet und auf der nächsten Seite wartet bereits die nächste dunkle Szene.
Nah am Original
Wir sind zwar in der Gegenwart, aber in der liegt ein Toter am Boden des Kensington Garden. Die Polizei ist ratlos und die Krähen verraten nicht, was sie möglicherweise gesehen haben. Bald darauf ist es Nacht und die kleine Maimie weiß nicht mehr wohin. Als die Feen sie umkreisen und Peter Pan auftaucht, mit leicht irrem Blick – da spürt man richtig, wie die Angst in ihr aufsteigt.

© Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024
Nein, mit dem zarten, lieben Peter, den uns Disney in die Erinnerung gebrannt hat, hat das hier nichts zu tun. Peter wirkt berechnend, nicht rein im Herzen. Er versucht Maimie zu manipulieren, damit sie mit ihm nach Nimmerland kommt. Keine Spur vom fröhlichen, immer zuversichtlichen Peter Pan, wie er in der Disney-Version über die Leinwände fliegt. Der Peter hier wirkt gehetzt, unsicher, einsam…
Diese Bilder!
Zeichnerisch legt Munuera ein tolles Werk vor. Allein wie er die sprechenden Bäume in Szene setzt, ist wunderbar. Aber es ist mehr. Es sind eben die vielen unterschiedlichen Gesichtsausdrücke, die Details in der Landschaft, die gezeigte Bewegung im Flug, wenn Peter und Maimie durch die Lüfte ziehen. Das alles ist ganz große Kunst. Und hebt die Geschichte um Peter Pan auf eine neue Ebene.

© Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020
Dass er es kann, hat er längst bewiesen. Allein die Darstellung des Figuren-Ensembles in seiner Zyklotrop-Reihe (erschienen bei Carlsen Comics) war schon ein Genuss. Aber in seiner Peter Pan Version legt er nochmal eine Schippe drauf. Die Zeichnungen wirken realistischer und fantastischer zugleich. Er schafft es, die Magie, die Autor Barrie beabsichtigt hat, auf den Comic zu übertragen.
Eigene Handschrift
Im Begleittext heißt es, dass Munuera hier eine Art Vorgeschichte zum eigentlichen Peter Pan adaptiert hat. Eine Vorgeschichte, die eher fragmentarisch ist und in der weiteren Veröffentlichungshistorie bisher keine Rolle gespielt hat. Schön, dass der Zeichner die mehr als 100 Jahre alte Geschichte nun zu neuem Leben erweckt. Und, dass er uns damit eine weitere Seite seiner künstlerischen Vielfalt zeigt. Großes Kino!

© Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Peter Pan in Kensington Gardens. Nach der Erzählung von James Matthew Barrie. Zeichner: José-Luis Munuera. HC, Farbe. 96 Seiten. Splitter-Verlag. 19,80 Euro.
Hier gehts zum Verlag: Splitter
Und hier findet Ihr Munuera auch: Carlsen Comics
Noch mehr aus dem Spirou-Universum könnt Ihr natürlich auch hier lesen: Mademoiselle J.