Jene Tage, die verschwinden

Beim Ludwigsburger Verlag Cross-Cult ist dieser Tage ein bemerkenswerter Comic erschienen. Autor ist der hierzulande noch weitgehend unbekannte Timothé Le Boucher. Ein 34 Jahre alter Franzose, der für das vorliegende Album schon mehrere Preise gewonnen hat. Und das laut französischer Wikipedia bereits mehr als 60.000 Mal verkauft wurde. Zahlen, von denen viele deutsche Zeichner:innen nur träumen können. „Jene Tage, die verschwinden“ changiert zeichnerisch zwischen Ligne Claire und Manga, erzählerisch zwischen Fantasy-Geschichte und Psychogramm. Ein Buch, das Timothé Le Boucher endlich auch den deutschen Lesern näher bringt.

Zur Feier des fünften Geburtstags der Comic-Denkblase stiftet Cross-Cult drei Exemplare des Buches. Ganz herzlichen Dank dafür! Wie Ihr eines gewinnen könnt, erfahrt Ihr am Ende des Artikels.

Lubin ist Teil einer Akrobatengruppe.
© der Originalausgabe 2017 Éditions Glénat

Die Geschichte ist wie gemacht, um sie in einem Comic zu erzählen. Im Mittelpunkt steht der junge Artist Lubin. Ein Mann in seinen Zwanzigern, mit zum Pferdeschwanz zusammen gebundenen Haaren. Einer, der sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält, eine Freundin hat – ein ganz normaler junger Mann eben. Als er eines Tages bei einem Auftritt seiner Artisten-Truppe allerdings auf den Kopf fällt – ändert sich alles in seinem Leben.

Ein verhängnisvoller Nacken- äh Kopfschlag…

Zunächst allerdings bemerkt er gar nichts davon. Wie gewohnt geht er zur Arbeit. Unterhält sich mit seinem Freund und Arbeitskollegen. Doch schon längst hat die Veränderung begonnen. Denn was Lubin nicht bemerkt: er ist genau einen Tag zu spät zur Arbeit gegangen. An den vergangenen Tag hat er allerdings keinerlei Erinnerung. Erst der Blick auf den Kalender überzeugt ihn.

Cover der deutschen Ausgabe.
© der Originalausgabe 2017 Éditions Glénat

Erst sind es nur Tage, an die sich Lubin nicht erinnern kann und an denen offenbar ein anderer Teil von ihm sein Leben lebt. Im Laufe der Geschichte werden aus den Tagen Wochen, dann Monate, dann Jahre. Um zu erfahren, was passiert, tritt Lubin mit seinem anderen Ich in Verbindung. Beide schicken sich Videobotschaften auf ihren Rechner. Doch der Andere übernimmt immer mehr die Kontrolle. Er verändert Lubins Aussehen, schneidet sich die Haare ab, tätowiert sich.

Zeichnerisch und erzählerisch gelungen

Es entsteht ein regelrechter Kampf zwischen beiden, ohne dass sie sich begegnen können. Wer von beiden wird am Ende die Oberhand gewinnen? Weil die Geschichte einen gelungenen roten Faden hat, überrascht sie am Ende mit einer Wendung. Schön, dass der Plot nicht nur elegant am Computer gezeichnet ist, sondern auch erzählerisch gut umgesetzt ist. Kein Wunder, dass der Comic einige Auszeichnungen gewonnen hat.

Eingefärbte Sprechblasen stehen für die beiden Persönlichkeiten.
© der Originalausgabe 2017 Éditions Glénat

Um die beiden Persönlichkeiten besser auseinander halten zu können, hat Timothé Le Boucher die Sprechblasen der beiden Protagonisten unterschiedlich eingefärbt. Das erleichtert das Lesen, wenngleich die unterschiedlichen Charaktere auch durch ihre Aussagen gut voneinander zu unterscheiden wären. Handelt es sich eigentlich wirklich um ein und dieselbe Person? Ist der junge Lubin eine schizophrene Persönlichkeit? Oder was steckt hinter der Figur?

Lebenskrise? Schizophrenie?

Es dauert eine Weile, bis der Comic darüber Aufschluss gibt. Interessant zu wissen, dass der Zeichner offenbar seine eigene Lebenskrise in dem Buch verarbeitet hat. Veröffentlicht wurde der Band in Frankreich schon 2017. Zu einer Zeit, in der der junge Künstler mit seiner Karriere als Comiczeichner haderte und überlegte, einen Beruf zu ergreifen, der ihm ein besseres Einkommen sichern könnte. 

Per Videobotschaften kommunizieren beide Persönlichkeiten miteinander.
© der Originalausgabe 2017 Éditions Glénat

Wie gut, dass er es bisher nicht getan hat, sondern weiter Comics zeichnet. Und „Jene Tage, die verschwinden“ nun endlich auch auf Deutsch vorliegt. 

4 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum  Buch: Jene Tage, die verschwinden. Zeichnung/Text: Timothé Le Boucher. Hardcover, Farbe. 192 Seiten. Verlag: Cross-Cult. 35,-€

Hier gehts zum Verlag: Cross-Cult

Wenn Ihr eines der drei Verlosungs-Exemplare haben möchtet, schreibt in die Kommentare, was Euch an der Comic-Denkblase so gefällt, oder was Ihr Euch wünschen würdet. Die Gewinner werden per Los ermittelt. Wer gezogen wird, ist damit einverstanden, dass ich die E-Mail-Adresse an den Verlag weiterleite, damit Euch der Comic zugeschickt werden kann. Viel Glück und Danke fürs mitmachen!

HINWEIS: Die Verlosung ist beendet! Glückwunsch an die drei Gewinner und Danke allen fürs mitmachen. Vielleicht habt Ihr ja mehr Glück beim nächsten Mal!

10 Kommentare

  1. Danke für den aufschlussreichen Artikel. Gelungene Rezensionen wie diese machen Comic-Denkblase für mich als alten Comic-Leser zu einer wichtigen Informationsquelle. Der besprochene Comic hat eine sehr interessante Story. Die Zeichnungen scheinen auf den ersten Blick etwas clean zu sein aber daran gewöhnt man sich evtl. Jedenfalls fände ich es super, einen Band zu gewinnen.
    Viele Grüße und macht weiter so!

  2. Alex, mir gefällt bereits sehr viel an der Denkblase sehr gut, neben den Inhalten finde ich auch Länge und Häufigkeit der Artikel prima.

    Ein Wunsch fällt mir ein: Ein Leseempfehlungs-Überblick, der _nicht_ zum Jahresende erscheint.

    Klar, es ist so naheliegend zum Jahresende Resümee zu ziehen und die Besten des Jahres aufzuzählen. Aber zu dieser Zeit erscheinen bereits viele solcher Listen und ich habe oft anderes im Kopf.

    Also, wie wäre es zu einer anderen Zeit, zum Beispiel mit Leseempfehlungen für den Sommer, ähnlich der auch tollen Weihnachtstipps? Gerne auch mit einer Mischung der besten Neuerscheinungen der letzten 12 Monate und einigen Oldies „Falls ihr die noch immer nicht kennt, schaut rein, die sind gut gealtert!“?

  3. An der Comic-Denkblase gefällt mir neben der Bernd-Kissel-Titel-Illu (die ich für wahnsinnig gelungen halte) die Auswahl der besprochenen Themen im Comic-Genre. Dein Geschmack ist ziemlich deckungsgleich mit meinem (also weitgefächert) und zeigt mir doch immer wieder neue Entdeckungen, die mir bisher noch unbekannt waren, die es sich zu entdecken aber auf jeden Fall lohnt.
    Beste Grüße und sehr gerne weiter so! Udo

  4. Ein origineller Ansatz. Auch die Paneelgestaltung mit großen farbigen Flächen erinnert mich ein bisschen an Giroud. Ich würde mich auf alle Fälle über einen Band freuen.

  5. Ich finde Deinen Blog sehr informativ und ich konnte hierdurch schon auf einige Comics aufmerksam werden, die mir sonst entgangen wären. Mach weiter so! 🙂

  6. Ich würde mir für die Zukunft Anleitungen und Tutorials für die wirkungsvolle Gestaltung von Comics sowie einen im monatlichen Turnus erscheinenden Podcast mit illustren Gästen wünschen.

  7. Ich komme hier gern regelmäßig vorbei, um mir Leseinspirationen zu holen oder um mich up-to-date zu halten. Deine Artikel und Rezensionen sind super geschrieben, da macht das Stöbern gleich viel mehr Freude^^
    Viele Grüße und mach bitte weiter so 🙂

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