Finix-Comics – Verein, Verlag, Vergnügen…

Finix-Comics haben eine Ausnahmestellung in der deutschen Comic-Szene. Denn Finix ist kein reiner Verlag, sondern ein Verein, der von Mitgliedern finanziert wird und ein spezielles Veröffentlichungsprogramm verfolgt. Welches genau? Das erklärt uns Oliver-Frank Hornig, den ich im Juni beim Comic-Salon in Erlangen getroffen habe. Gemeinsam haben wir drei aktuelle Highlights aus dem Programm herausgegriffen. Eine bunte Mischung, die auch für das breite Spektrum des Verlags steht – wie Oliver uns erklärt.
Das Logo des Vereins und Verlags.
©Finix Comics 2022
(Alex Jakubowski) Für diejenigen, die Finix noch nicht kennen sollten: Was verbirgt sich hinter Eurem Verein? Welches Ziel verfolgt Ihr?

(Oliver-Frank Hornig) Als sich unser Verein vor fast genau 15 Jahren gründete, war es so, dass es eine dreistellige Zahl von franko-belgischen Comicserien im deutschsprachigen Raum gab, die im Laufe der Jahrzehnte abgebrochen wurden. Tendenz steigend. Ganz entscheidend für die Entstehung unseres Vereins war das Comicforum, eine Plattform für Comicliebhaber im Internet.

Neben dem ganz normalen Austausch der Fans über Comics im allgemeinen und besonderen, entwickelten sich hier immer häufiger Diskussionen, die den Mangel fehlender bzw. nicht fortgeführter Comicserien zum Inhalt hatten und bei den Beteiligten nicht selten zu viel Frustration führten. Marc Schnackers, der 2014 überraschend verstarb, war es schließlich, der sich nicht mehr mit dem status quo zufriedengeben wollte und die endlosen, zu nichts führenden Diskussionen satt hatte. Über das Forum suchte er sich Mitstreiter, die seine Idee eines eigenen Verlages unterstützten,dessen einzige Aufgabe darin bestehen sollte, abgebrochene Serien fortzusetzen und zu beenden.

Der Stand von Finix beim
Comic-Salon in Erlangen 2022.
©Finix Comics 2022

Innerhalb weniger Monate hatte er Ende 2007 genügend Fans überzeugt, die bereit waren sein Projekt dauerhaft finanziell zu unterstützen. Aber noch viel wichtiger war, Leute innerhalb der Community zu finden, die mit ihrem Know-how in der Lage waren, einen Comic professionell herzustellen. Die fortschreitende Entwicklung des digitalen Drucks seit Ende der 90er Jahre war hierfür ein ganz entscheidender Faktor, der die Produktion von Comics durch einen Kleinverlag erst möglich machte.

Ende 2007 gründete sich der Verein Finix, pünktlich zum Comicsalon Erlangen 2008 begann der Verlag seine Tätigkeit. Zunächst mit einigen wenigen Titeln, doch schon im Jahr darauf konnte jeden Monat ein Album einer ehemals abgebrochenen Serie erscheinen. Dieses Ziel verfolgt der Finix Verlag e.V. bis heute und der jährliche Ausstoß an Alben hat sich mittlerweile verdreifacht. Erweitert hat sich zudem auch unser Portfolio. Neben franko-belgischen Reihen, die weiterhin das Gros unseres Programms ausmachen, sind nun auch Serien aus Italien, Spanien oder Deutschland hinzugekommen.

Das Cover des Chaland-Bandes.
©Humanoids Inc./Finix Comics 2022
Im aktuellen Programm finden sich viele Highlights, aus denen wir drei herausgegriffen haben. Fangen wir mit Captivant an. Comics von dem viel zu früh verstorbenen Yves Chaland. Was erwartet den Leser in diesem Band und wie kommt es dazu, dass Ihr das Album verlegt?

Captivant war schon immer ein Herzenswunsch innerhalb des Produktionsteams. Leider wurde das Ouvre von Chaland ja immer etwas stiefmütterlich in Deutschland behandelt. Einmal abgesehen von seiner bekanntesten Serie – Freddy Lombard. Captivant sprengt in vielerlei Hinsicht den Rahmen eines normalen Albums. Da das Werk nie als Album im deutschprachigen Raum verlegt worden war und auch in den Magazinveröffentlichungen nie das gesamte Material zum Abdruck kam, griffen die Grundparameter des Finix. Der Band enthält eine Sammlung fiktiver Comicmagazine, und bildet damit ganz unterschiedliche Comicstile ab. Beginnend mit den 30er Jahren bis in die 80er Jahre. Dabei werden auch für Magazine typische Inhalte, wie Leserbriefe oder redaktionelle Kolumnen miteinbezogen.

Die Besonderheit dieses Werks liegt nun darin, dass es den Autoren, Yves Chaland und Cornillon, meisterhaft gelingt, einerseits die graphischen Vorbilder, mal modernisiert mal im Retrostil darzustellen, andererseits den Geschichten einen stark veränderten Grundtenor zu verpassen. Von der naiven, erbaulichen Kinder- und Jugendliteratur bleibt nicht mehr viel übrig. Stattdessen erfahren viele Plots eine durchweg kritische Neuinterpretation. Und auch wenn die Künstler dabei manchmal die Grenzen des schwarzen Humors überschreiten, so erkennt der Leser in diesem Werk immer eine Liebeserklärung zum Sujet, auch wenn sie dabei vieles brachial oder subtil demaskieren. Kurzum, Captivant ist eine Hommage an 50 Jahre Comicgeschichte.

Cover der Gesamtausgabe von
„Die Wege zum Ruhm“.
©Glenat/Finix Comics 2022
Ein völlig anderes Genre: Die Gesamtausgabe von Die Wege zum Ruhm von Bucquoy und Hulet. Auch hier die Frage: Warum dieser Band in Eurem Programm. Und: Worum geht es in dem Buch?

Die Serie ist im Laufe der Jahre in unserer Wunschliste immer weiter nach oben gerutscht. Da nur der vierte Band noch nicht auf Deutsch erschienen ist, wäre sie eigentlich schon früher auf unser Radar geraten. Leider ist der abschließende fünfte Band nie als Album erschienen. Eine abgebrochene Serie fortzusetzen, die in sich nicht abgeschlossen ist, stellt auch für den Finix ein Problem dar. Mit der aktuellen französischen Ausgabe wurde zumindest eine Teillösung angeboten, die uns letztlich bewog, zuzugreifen.

Der letzte Band erscheint zwar nicht als Album, aber immerhin findet die vom Autor verfasste Rohfassung des Textes Eingang in die Integralausgabe, so dass der Leser nun zumindest in den Genuss eines inhaltlichen Endes kommt. Ein, wie wir finden, versöhnlicher Kompromiss für den Leser. Da auch andere Verlage, den Autor und Zeichner Hulet gerade wiederentdeckt haben, beschlossen wir anlässlich des Comicsalons in Erlangen, der Serie eine Gesamtausgabe zu gönnen.

Odilon Verjus.
©Mediatoon-Le Lombard/Finix Comics 2022
Der dritte Band, den wir vorstellen wollen, ist von Verron und Yann: Band 1 der Gesamtausgabe zu Odillon Verjus. Ein Semi-Funny, der offenbar noch nicht auf Deutsch erschienen ist, oder?

Der erste Band Papua ist Anfang des Jahrtausends beim Phoenix Verlag erschienen und fand dort leider keine Fortsetzung. Eine weitere Geschichte hat es zudem ins Zack-Magazin geschafft. Das wars dann aber auch schon. Auch wenn sich Semi-Funnys in Deutschland eher schwer tun, hat dann doch das „Herz“ (Fan) und nicht der „Kopf“ (Controller) entschieden 😉 Die Verkaufszahlen bestätigen das leider und auch die Übersetzung, sowohl des Comicteils als auch des Dossiers, bringen unsere beiden Übersetzer an ihre jeweiligen Grenzen. Yann, der Szenarist, wirft mal wieder alles in die Waagschale, sowohl im genialen wie auch im divaesken Sinne. Es ist einfach schade, dass das Genre Semi-Funny in Deutschland so wenige Anhänger findet.

Innenseite aus Odilon Verjus.
©Mediatoon-Le Lombard/Finix Comics 2022
Generell zu Eurem Programm: Wovon lasst Ihr Euch derzeit leiten?

Kurz und knapp: Von der internen Wunschliste der Mitglieder und was davon produktionstechnisch am besten umsetzbar ist. Leider stossen wir nun vermehrt auf ältere Serien, die über keine digitalen Vorlagen verfügen. Das schränkt unsere Auswahl immer mehr ein. 

Ich hatte vor ein paar Jahren ja das Vergnügen gemeinsam mit Michael Apitz, Patrick Kunkel und Euch die Gesamtausgabe von Karl – Der Spätlesereiter herauszubringen. Viele Forumsleser hatten Vorbehalte. Verrätst Du uns, wie die Gesamtausgabe bei Euch gelaufen ist?

Ja, die Vorurteile hat es durchaus gegeben, auch innerhalb des Vereins. Jenseits des Rheins hat die Serie leider sehr wenig Resonanz gefunden. Nichtsdestotrotz war sie bei ihrer Erstveröffentlichung eine der erfolgreichsten deutschen Comicserien. Ich glaube nur König, Moers, Flix und Brösel haben mehr Comics verkauft als Apitz/Kunkel. Jedenfalls denke ich, dass wir mit unserer Ausgabe einige neue Fans generieren konnten, auch wenn die größte Nachfrage weiterhin im Rheindelta besteht. Ein wesentliches Argument für die Aufnahme ins Programm war der ökonomische Aspekt. Den hat die Serie übererfüllt, um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Jetzt haben wir einen schönen Longseller im Portfolio und gleichzeitig unsere programmatische Ausrichtung erweitert.

Karl - Gesamtausgabe
Alle vier Hardcoverbände der Karl – Gesamtausgabe von Finix.
Abschließend: Auf welche besonderen Projekte können sich die Fans im kommenden Halbjahr freuen?

Das anstehende Halbjahresprogramm steht diesmal wieder im Zeichen der Kontinuität. Das heißt, Schwerpunkt ist das schnelle Veröffentlichen unserer aktuellen Serien. Da wir im Sommerprogramm einige neue (alte) Serien gestartet haben (Odilon Verjus, Algernon Woodcock, Der Regulator oder Tai Dor), möchten wir diese nun auch zügig fortsetzen. Dazu kommen bereits länger laufende Serien, wie He Pao, Jackie Kottwitz, Agent Alpha oder die Gentlemen GmbH, die es ebenfalls verlässlich zu veröffentlichen gilt. Eine neue Serie werden wir natürlich im neuen Programm präsentieren, diesmal ist dies Kookaburra. Die Serie beenden wir mit den noch ausstehenden Bänden sieben und acht innerhalb des Winterprogramms.

Weitere Serien haben wir natürlich schon im Visier. Allerdings ist die aktuelle Entwicklung auf dem Papiermarkt gerade äußerst angespannt. Die Preise gehen gerade durch die Decke und dabei sind die am Horizont lauerenden hohen Energiekosten noch gar nicht eingepreist. Auch aus diesem Grund halten wir uns mit dem Erwerb neuer Lizenzen erst einmal zurück. Seriöse Kalkulationen für unsere Alben ab dem zweiten Quartal 2023 sind derzeit einfach nicht möglich. Mal schauen was die Zukunft bringt.

Hier gehts zur Finix-Seite: https://www.finix-comics.de/

Und hier gibts mehr Infos zu Karl – Der Spätlesereiter: https://comic-denkblase.de/adler-karl-und-struwwelpeter

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