Dass Carl Barks, der legendäre Zeichner von Donald Duck und Co. in seiner Spätphase Entenhausen in Ölgemälden veröffentlicht hat, kann man wissen. Dass er aber vor seiner Karriere bei Disney Zeichnungen für ein Herrenmagazin – den Calgary Eye Opener – gemacht hat – okay. Egmont legt nun ein Sekundärwerk vor, dass diese Seite des „guten Zeichners“ zeigt. Eine bemerkenswerte Veröffentlichung, denn Fans der Enten dürften die hier abgebildeten Werke eher irritieren.
Man muss wohl sagen: Barks war jung und brauchte das Geld. Es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 1920er Jahre. Seine erste Zeichnung für den Eye-Opener erschien im Juni 1928. Schon 1931 wurde er Mitglied der Redaktion. Alkohol, Frauen, Männerwitze – den Einstieg ins Zeichner-Business kann man sich durchaus romantischer vorstellen.
Zwischen Männerwitz und Sexismus
In der Zeit waren Rassismus und Sexismus offenbar an der Tagesordnung. Die stereotype Darstellung von Minderheiten wurde nicht nur hingenommen, sondern überhaupt nicht angezweifelt. Aus heutiger Sicht erscheint das natürlich völlig insdiskutabel. Damals aber wurden Fragen der Gleichberechtigung und political correctness nicht gestellt.
1935 beendete Barks sein Engagement beim Eye-Opener. Er ging nach Hollywood und wurde dort bald der, den viele Comic-Leser heute noch so sehr schätzen. Sein eigenes Verhältnis zu seinem Frühwerk scheint selbst zwiespältig gewesen zu sein. „Damals machte das Zeichnen noch Spaß“, wird er zitiert. Einige Jahre später soll er seine Zeichnungen immer noch für das Ergebnis einer offeneren und toleranteren Zeit gehalten zu haben. Dass sie überall verbreitet werden, lehnte er aber ab.
Teil der eigenen Biografie
Das vorliegende Buch versammelt unzählige davon. Viele nackte oder wenig bekleidete Frauen sind darunter. Trinkende Männer im Frack oder Anzug. Anders als zu Disneys Zeiten durfte Barks sein Zeichnungen signieren. Und das tat er ausgiebig.
Die Zeichnungen geben nicht nur einen Einblick in die gesellschaftliche Haltung zu bestimmten Themen. Sie zeigen auch, wie unfertig der Zeichner Carl Barks damals noch war. Zwar strahlen die Werke durchaus eine gewisse Eleganz aus. Der Inhalt aber ist schnöde. Hier der eher plumpe, dort (in Entenhausen) der versteckte, oft intelligente Witz. Für das Gesamtbild des Carl Barks aber sind die Bilder wertvoll. Schön, dass Egmont das Buch veröffentlicht.
Ergänzung zur Barks Collection
Damit ergänzt es die schon vor Jahren vollendete Barks-Collection, die der Verlag ja schon 2012 mit dem Buch über seine Ölgemälde erweitert hatte. Die Auflage ist auf 999 nummerierte Exemplare limitiert und mit einem Schutzumschlag versehen. Als Fan von Sekundärliteratur bin ich begeistert. Freunde der Barksschen Enten bekommen zumindest ab und zu Querverweise. Einige wenige seiner Entenhausen-Panel werden in Bezug gesetzt zu seinen Arbeiten für den Eye-Opener.
Der kommentierende Einführungstext von Geoffrey Blum liegt in deutscher Übersetzung vor. Die Bildunterschriften der Originalpanels aber sind überwiegend unübersetzt geblieben. „Uns (wurde) schnell klar, dass wir den Witz der Entstehungszeit nicht mehr auf dem Wege einer wortgetreuen Übersetzung einfangen können“, heißt es in der Vorbemerkung.
Gute Englisch-Kenntnisse sind also von Vorteil. Die „Witze, Zeichnungen und Gedichte“ aus den Jahren 1929-1934 bleiben so auf jeden Fall authentisch. Erwähnenswert ist natürlich der Preis: 90€ sind schon eine Ansage. Dafür liefert das Buch ein Stück Barks, das mir zumindest noch gefehlt hat und das die Biografie des großen Entenzeichners endlich ergänzt.
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Carl Barks. Calgary Eye Opener. Hardcover mit Schutzumschlag. Farbig, 232 Seiten. Egmont. 90,-€
Hier geht es zum Verlag: https://www.egmont-comic-collection.de