Die Spinne – Noir-Thriller aus deutscher Feder

Nein, es geht dieses Mal nicht um den freundlichen Nachbarn von nebenan. Gemeint ist nicht Peter Parker alias Spider-Man (siehe dazu etwa https://comic-denkblase.de/spider-man-bei-taschen.) Die Spinne – ist ein Noir-Thriller aus deutscher Feder von Michael Mikolajzcak und Andreas Möller. Soeben haben die beiden eine erweiterte Neuauflage ihres Comics veröffentlicht und mit 32 Seiten Bonusmaterial versehen. Im E-Mail-Interview verraten uns die beiden die Hintergründe der Geschichte und geben Einblicke in ihre eigenen Comic-Vorlieben.
Beeindruckende Zeichnungen und ein düsterer Plot.
© Michael Mikolajczak & Andreas Möller
/ Comic Combo Leipzig
(Alex Jakubowski) Lieber Michael, als alter Spider-Man-Fan war ich beim Titel Eures Buches irritiert. Absicht?

(Michael Mikolajzcak) Nein. In unserer Geschichte DIE SPINNE lebt der Serienkiller in einem Haus, lockt seine Opfer an, bietet ihnen eine Wohnung darin. Die Figur des Killers gleicht einer Spinne in einem Netz, die auf eine Zufallsbegegnung mit einer Fliege wartet. So gesehen hat der Titel unserer Graphic Novel nichts mit der Spinne und den deutschen Spider-Man Comics des Williams Verlags zu tun. Aber: Spider-Man ist einer der vielen Helden meiner Kindheit, John Romita einer meiner Lieblingszeichner dieser tollen Zeit.

Worum geht es in Eurem Comic?

DIE SPINNE spielt in den USA des Jahres 1972 und wird von zwei Hauptfiguren getragen: Amber und Jimmy. Amber ist eine emanzipierte, junge Frau. Sie hat mit ihrem Vater gebrochen und dennoch kehrt sie zu ihm zurück. Amber versucht einen Neuanfang zu ihren Konditionen und scheitert an den Konventionen der Zeit und an ihrem Vater. Schliesslich zieht sie aus dem Haus des Vaters zu Jimmys an den Stadtrand. Sie kennt Jimmy seit ihrer Kindheit, vertraut ihm und ahnt nicht, dass er ein Serienkiller ist. Als Amber zu einer Gefangenen Jimmys wird, erweist sie sich als Kämpferin, die niemals aufgibt und Jimmy durch ihren Widerstand überrascht.

Jimmy ist ein Kriegsveteran aus dem Korea-Krieg. In der erzählten Gegenwart der 1970er-Jahre lebt Jimmy zurückgezogen im Haus seiner Eltern außerhalb der Stadt. In diesem Gebäude wurde Jimmys Psyche gebrochen. Sein Bruder liebte es zu tanzen, sah sich als blondes Mädchen, nannte sich Libby. Der Vater misshandelte Jimmys Bruder, trieb ihn in den Selbstmord. Jimmy erlebte die Familientragödie mit, seine Seele zerbrach daran, seine Psyche veränderte sich. Er wurde zu einer „Spinne“, die blonde junge Frauen in ihr „Netz“ lockt, sie gefangen nimmt und zwingt, für ihn zu tanzen, wie einst sein Bruder tanzte. Jimmy ist ein tragischer Antagonist und eine zerbrochene Seele. Die Mischung, Opfer und Täter zugleich zu sein, macht Jimmy zu einer spannenden Figur.

Cover der Neuausgabe.
©Michael Mikolajczak & Andreas Möller
/ Comic Combo Leipzig
Im Grunde geht es um die Entstehung von Gewalt. Warum habt Ihr Euch gerade dieses Thema herausgesucht?

(Michael Mikolajzcak) Gewalt, ob geplant ausgeübt oder spontan ausgebrochen, ob körperlich oder psychisch, ob durch Handeln oder durch Sprache, zieht sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte. DIE SPINNE erzählt Gewalt auf vielen Ebenen. Aus Opfer- sowie Täterperspektive und mit wandelnden Rollen. Einen solchen Kosmos vielfältiger Gewalt zu schaffen und dabei facettenreiche Figuren zu entwickeln, faszinierte mich und führte mich zu der Geschichte von Amber und Jimmy, die grandios von Andreas umgesetzt wurde.

(Andreas Möller)I Auf der Ebene der bildlichen Darstellung war es mir wichtig, Gewalt nicht ohne Kontext zur Schau zu stellen, sondern als Resultat der Verstrickungen und dunklen Geheimnisse fast aller Figuren sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Die Handlung ist nach dem Zwiebelprinzip aufgebaut. Schicht für Schicht wird der Ursprung der Gewalt freigelegt und am Schluss gibt es ein paar Wendungen, die das Täter-Opfer-Schema in Frage stellen.

Amber gibt nicht auf.
©Michael Mikolajczak & Andreas Möller
/ Comic Combo Leipzig
Welche Comics lest Ihr selbst gerne? Gibt es Vorbilder?

(AM) Ich bin ein Liebhaber des Film Noir und des Comic Noir. Insofern gefallen mir natürlich die Arbeiten von Ed Brubaker und Sean Phillips. Sehr gerne lese ich auch Science Fiction-Comics aus den 1960er bis 1980er Jahren. Generell faszinieren mich die vielen großartigen Zeichner aus dieser Zeit, die manchmal respektvoll auch als „Artists‘ Artist“ bezeichnet werden. Dazu gehören beispielsweise Jorge Zaffino, Sergio Toppi, Attilio Micheluzzi, Jordi Bernet, Alex Toth, Paul Gillon, Carlos Giménez, John Burns, Al Williamson, Domingo Mandrafina und und und…

(MM)… und besonders Jose Ortiz aber auch alle grandiosen europäischen und US-Zeichner aus den Warren-Magazinen Eerie, Creepy und Vampirella, die zum Teil von Andreas schon erwähnt wurden. An diesen Geschichten fasziniert mich auch die Schreibe. Auf acht Seiten eine Story zu strukturieren und zu erzählen, ist schon eine Herausforderung, die in diesen Stories nicht immer – aber sehr oft – beindruckend funktioniert. Beeindruckend finde ich auch Will Eisners Spirit. Das grandiose Storytelling, das Eisner über so viele Jahre auf so hohem Niveau hielt. Brian Bendis/Alex Maleev und ihre Umsetzung von Daredevil, Brian Azzarello und Eduardo Rissos „100 Bullets“ hallen stark in mir nach, ebenso Marv Wolfman und Gene Colans „Tomb of Dracula“. Auch möchte ich eine Lanze für deutsche Comics brechen: Ich bin ein Dédé-Fan und damit Fan der Stories und Zeichnungen von Erik.

Bonusmaterial in der Neuausgabe.
©Michael Mikolajczak & Andreas Möller
/ Comic Combo Leipzig
Ihr habt eine erweiterte Neuauflage auf den Markt gebracht. Was bietet diese an Mehrwert?

(AM) Über den Entschluss des Verlages, DIE SPINNE neu aufzulegen, haben wir uns sehr gefreut. Es gibt neue Titelbilder, ein neues Exlibris in der Vorzugsausgabe und zahlreiche Skizzen. Ausserdem Reproduktionen der getuschten Originalseiten, Fotos von der Ausstellung 2019 in der Galerie der Hochschule der Bildenden Künste Saar, ein Interview und einen Ausblick auf den Folgeband. Insgesamt hat der Band nun 232 Seiten.

Was steht als nächstes an?

(AM) Als nächstes wird von uns die zehnseitige Science-Fiction-Story „Ein Schritt in der Zeit“ in der sechsten Ausgabe der Comic-Anthologie COZMIC erscheinen. Außerdem hat Michael TINKERVILLE BLUES geschrieben, an dessen Umsetzung ich seit einiger Zeit arbeite. In dem Band, der voraussichtlich 2023 bei Kultcomics herauskommen wird, begegnen wir einer Reihe von Protagonisten wieder, die auch im Band DIE SPINNE bereits auftauchen. In Episoden aus unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten erfahren Leserinnen und Leser immer mehr über die Vergangenheit, die Siege und Niederlagen, die Träume und Obsessionen der Figuren. Alle Geschichten stehen für sich und sind zugleich ineinander und mit der Handlung in der „SPINNE“ verwoben. Auch danach wollen wir weiter zusammenarbeiten: Am Horizont zeichnet sich eine umfangreiche Science Fiction – Graphic Novel ab.

(MM)… die bereits geschrieben aber zeichnerisch noch Zukunftsmusik ist. Wenn es nach mir geht, ist nach diesem Projekt lange noch nicht Schluss mit unserer tollen Zusammenarbeit.

Die beiden Macher des Buches.
Michael Mikolajczak (links) und Andreas Möller.

Hier findet Ihr weitere Infos: https://www.thelonercomics.de

Und hier geht es zum Verlag: https://kultcomics.net/

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