Andreas Eikenroth aus Giessen ist ein sehr gern gesehener Gast der Comic-Denkblase. Schon zum dritten Mal setzt der Mitarbeiter der Städtischen Bühnen ein Werk von Georg Büchner in Szene. Dieses Mal ist es Dantons Tod: Büchner als Comic – für Eikenroth eine Herzensangelegenheit. Der Sohn der Stadt hat es ihm angetan. Welche Herausforderungen es bei dem Stoff gibt – das verrät er uns im Interview.
Lieber Andreas, im Vorwort Deines neuen Comics zitierst Du Gutzkow. Der hat gesagt: „Die Aufführung des Stücks sei unmöglich.“ Du machst dennoch einen Comic daraus.
Naja, mittlerweile wurde ja dann doch schon tausendfach bewiesen, dass es aufführbar ist, wenn auch erst knapp 100 Jahre nach Büchners Tod. Es hat eben einige rasche Szenenwechsel, die im Theater schwierig zu realisieren sind. Aber das ist ja der Vorteil am Comic, dahingehend lässt sich Theater prima in Papier umwandeln. Was ich an Gutzkows Aussage fast noch spannender finde, ist, das er das Stück als Komödie bezeichnet, was in vielen Inszenierungen so aber kaum zum Zuge kommt. Ich hab‘ jedenfalls geschaut, dass trotz dem schon im Titel gespoilerten Tod des Hauptdarstellers der Humor durchaus seinen Platz findet. Denn durch Humor wird ein gutes Drama noch besser.
Ist ein Comic also einfacher umzusetzen, als ein Theaterstück?
Bisher habe ich den direkten Vergleich noch nicht, da ich noch nie ein Bühnenstück mit echten Schauspielern inszeniert habe. Aber ich finde, Theaterstücke sind einfach dazu prädestiniert, als Comic adaptiert zu werden. Bei einem Roman entstehen ja bei jedem Leser ganz individuelle Welten im Kopf, die dann in Konkurrenz mit den Film- oder Comicadaptionen stehen. Aber ein extra für die Aufführung geschriebenes Drama ist ja eben genau dafür gedacht, adaptiert zu werden, ob nun auf dem Papier oder auf der Bühne. Bloß muß ich mich als Zeichner nicht mit eventuell exaltierten Schauspielern oder schwierigen Bühnenbildnern auseinandersetzen. Vom Etat ganz zu schweigen. Also, vermutlich ist der Comic einfacher umzusetzen. Dauert halt bloß länger, weil alles in einer Hand liegt.
Du arbeitest ja als Bühnentechniker. Deine Seitenarchitektur erinnert wieder an ein Bühnenbild. Kannst Du beschreiben, wie Du die Seiten anlegst?
Ich sehe die Seiten schon als eine Art Bühnenbild. Im Lauf der Jahre habe ich über 500 Bühnenbilder gesehen, das beeinflusst mein Arbeiten bestimmt in einem gewissen Maß. Das Anlegen entsteht dabei ganz intuitiv. Ich habe aber natürlich, bevor ich mit Tusche loslege, erstmal einen dicken College-Block, auf dem ich mich mit dem Kuli austobe. Ich nehme mir dabei den Text, den ich auf einer Seite unterbringen will, setze ihn so, dass die gewohnte Leserichtung von links oben nach rechts unten gewährleistet ist und probiere mich dann aus. Ich will dabei schon, dass die Seite eine gewisse Dynamik bekommt und nicht in starre, geometrische Architektur kippt. Die Zeichnungen sollen im Fluss sein, so dass beim Betrachten Bewegung und Leben entsteht.
Du hast Dich jetzt bereits zum dritten Mal an den Büchner herangewagt. Würdest Du sagen, Du hast Routine in der Umsetzung des Stoffes bekommen?
Vermutlich entstehen Seiten, an denen ich vor einigen Jahren noch lange getüftelt hätte, um einen schlüssigen Aufbau hinbekommen, mittlerweile intuitiver. Aber Routine entsteht ja schon deshalb nicht, weil das Setting jedesmal anders ist. Andererseits, klar, wenn man Comics zeichnet, hockt man sich halt an seinen Tisch, weiß, welches Papier man bevorzugt, mit welchen Stiften man am besten arbeitet, wie man die Kolorierung anlegt. Dahingehend ist schon eine gewisse Routine da.
Was war bei „Dantons Tod“ die spezielle Herausforderung für Dich?
Die besondere Herausforderung war der doch recht große Cast, also die Menge an Mitwirkenden auf dem Papier. Das Stück hat ja fast 20 Haupt- und Nebendarsteller. Und ich wollte die Personen erkennbar nach ihrem wahren Aussehen gestalten. Klar, natürlich in meinem Stil, aber eben nach historischen Stichen und Zeichnungen, was auch hinten im ausführlichen Anhang des Buches nochmal genau dokumentiert ist.
Welche Herausforderung hat man als Leser?
Die Herausforderung für den Leser besteht einfach darin, sich auf die Nummer einzulassen. Das Stück löst ja im Theater bei vielen diesen „Des-Kaisers-Neue-Kleider“-Effekt aus. Keiner versteht wirklich, was da vorne vor sich geht, aber kaum einer würde es zugeben. Ein Bekannter von mir ist Rektor an einer Schule, der hat mir gestanden, dass er in seinem Leben zwei unterschiedliche Inszenierungen von dem Stück gesehen hat. Und jede ließ ihn ratlos zurück. Ich finde Büchner aktuell, spannend und witzig, aber mir ging es natürlich auch so. Also habe ich die Vorlage so bearbeitet, dass die Story wieder nachvollziehbar und das Drama packend ist.
Du gehst in Deinem Vorwort ja selbst drauf ein: Historiker mit besonderen Kenntnissen der Französischen Geschichte muss man nicht sein, oder?
Nein, deshalb habe ich die Geschichte entkernt. Es gibt eine Menge zeitpolitische Anspielungen, die kein Schwein heute mehr versteht, also hab‘ ich sie rausgenommen. Mir geht es viel mehr um die Kraft des Dramas. Was uneingeschränkte Macht aus Menschen machen kann. Robespierre war später Pol Pot, Hitler oder Stalin… Typen, die denken, sei haben die absolute Wahrheit inne, die dann psychophatisch werden. Das ist und bleibt wohl leider ewig aktuell. Und dann eben das Volk, die hohle Masse, die ihr Fähnchen in den Wind hängt und Opfer sucht.
Auch das ist aktueller den je. Leute, die im Netz fertiggemacht werden, die von Boulevardzeitungen an den Pranger gestellt werden. Es geht auch um die zeitlosen Themen wie Freundschaft, Integrität und natürlich Tod und Liebe. Dafür braucht man keine Vorkenntnisse in französischer Geschichte.
Die Frage hatte ich Dir bei den vergangenen beiden Comics zu Büchner auch gestellt: Was kommt als nächstes – „Leonce und Lena“? Oder ist Büchner durch?
Ich vermute ziemlich sicher, dass ich „Leonce und Lena“ auch noch zeichnen werde. Denn damit hätte ich das Gesamtwerk von Georg Büchner als Comic adaptiert. Das wäre für mich ja doch schon eine ganz besondere Sache. Aber ob ich mich da jetzt direkt dran mache, da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Ich hab‘ noch ein paar andere Projekte, die mich auch reizen. Vielleicht mache ich mich erstmal da dran. Sonst ist das Ganze ja auch fast ein bisschen zu vorhersehbar. Und ich will schon noch für Überraschungen offen bleiben.
Hier gehts zum Verlag: Edition 52
Und hier gibt es mehr zu Andreas Comics auf der Comic-Denkblase: Andreas Eikenroth