313 Fragen an: Jan Gulbransson

In der Egmont Comic Collection ist zum Comic-Salon in Erlangen eine Art Best-Of von Jan Gulbransson erschienen. Nach Die Ducks in Deutschland, Die Ducks in den Alpen und dem Hall of Fame-Band ist damit ein Hardcoverband erschienen, der viele Geschichten abdruckt, die zuvor in den Niederlanden oder Dänemark veröffentlicht wurden. Ich habe Jan Gulbransson am Egmont-Stand in Erlangen getroffen und ihm ein paar Fragen stellen können.

Jan Gulbransson zeichnet Donald
Jan Gulbransson zeichnet einen müden Donald in mein Sketch-Book.©Maria Schreier.

A.J.: Lieber Jan, der neue Band umfasst eine Reihe von Geschichten, die auf deutsch zum Teil noch nie erschienen sind. Wie kommt die Auswahl der Stories zustande?

J.G.: Die Frage war im Wesentlichen, welche Geschichten schon lange nicht mehr veröffentlicht worden waren. Zwei, die ich gerne drin gehabt hätte, versteckten sich irgendwo in den Tiefen der Verlagsarchive und waren auf die Schnelle nicht auffindbar.

Ansonsten ging es nach dem Motto: Bitte nicht allzu viele frühe, noch unbeholfen gezeichnete Geschichten, damit ich nicht gänzlich mit heruntergelassenen Hosen dastehe (lacht). Ansonsten herrschte zwischen mir und dem geschätzten Lektor Fabian Gross Verständigung auf Zuruf: Er traf seine Vorauswahl, ich parallel die meine. Ergebnis: das meiste hat sich überschnitten.

Szene aus "Retter auf Brettern". ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson
Szene aus „Retter auf Brettern“. ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson

A.J.: Manche Geschichten mussten ja aus dem Englischen rückübersetzt werden.

J.G.: ‚Rückübersetzt‘ stimmt nicht, auch wenn man das vermuten könnte. Es waren richtige Übersetzungen nötig, denn die meisten Geschichten sind im Original in englisch geschrieben.

A.J.: Ach ja?

J.G.:Dafür gibt es drei Gründe: Mein langjähriger guter Freund und Co-Autor bei vielen Donald-Geschichten, Robert Klein, ist Amerikaner und spricht kein Deutsch. Da schreibt es sich schlecht zusammen.

Dasselbe gilt für Byron Erickson (jener legendäre Mann, der in den achtziger Jahren gemeinsam mit zwei Kampfgenossen die erste Gesamtausgabe von Carl Barks herausgebracht hat, und der später zu meinem Glück zuständiger Lektor bei Egmont in Dänemark wurde). Auch er spricht kein Deutsch.

Den ursprünglichen Anlass jedoch lieferte mein allererster, ebenso geschätzter Lektor Thom Roep vom holländischen Disney-Verlag Oberon/heute Sanoma. Thom sprach zwar perfekt Deutsch, aber bei lästigen Fragen verstand er mich plötzlich nicht mehr.  Also stellte ich unsere Kommunikation auf Englisch um und kam mir dabei ziemlich schlau vor.

Szene aus "Wettkampf im Wandern". ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson.
Szene aus „Wettkampf im Wandern“. ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson.

A.J.: Ist das nicht merkwürdig, wenn man die Geschichte erst auf Englisch schreibt und dann selbst ins Deutsche übersetzt?

J.G.: Es ist schon witzig, ich werde bei zwei Geschichten als Autor genannt und zugleich als Übersetzer. Wer sonst kann sowas schon von sich behaupten? Jedenfalls ist es richtige Knochenarbeit. Die englische Sprache funktioniert anders als die deutsche. Dabei geht es keineswegs nur um Wortwitze, die muss man eh neu erfinden. Es geht generell um Pointen. In meinen Augen bauen Gags sich Englischen und im Deutschen unterschiedlich auf, und zwar, weil sich die Denkweise grundsätzlich unterscheidet. So sehr Deutsch den Ruf einer präzisen Sprache hat, das Englische ist in Wahrheit oft viel präziser: Es trennt ähnliche Begriffe viel gnadenloser voneinander als das Deutsche. Daher gehen im Englischen Gags  daneben, die nicht punktgenau formuliert sind. Wir im Deutschen hingegen neigen dazu, locker im Ungefähren zu bleiben und Ähnliches spielerisch miteinander gleichzusetzen. Gerade darin liegt oft der komödiantische Reiz unserer Sprache. Bis Rob und mir dieser Unterschied irgendwann bewusst wurde, brauchte es lange Zeit und viele Missverständnisse. Doch von da an hat das Spiel mit den beiden Sprachen richtig Spaß gemacht. Und es war den Schweiß der Edlen wert (lacht).

Ein müder Donald von Jan Gulbransson.
Ein müder Donald von Jan Gulbransson. ©Alex Jakubowski

A.J.: Don Rosa hat mir einmal erzählt, er versteht nur Englisch, bekommt aber viele seiner Veröffentlichungen in anderen Sprachen zugeschickt. Deshalb beurteilt er die Übersetzungen mit Hilfe von Freunden, die die Sprache beherrschen. Aber allzu oft war er unglücklich wegen falscher Soundwords, wenn etwa das Geräusch für eine riesige Welle nicht am vorgesehenen Platz am Strand platziert wurde, sondern auf der filigran gezeichneten Welle. Ist so etwas bei Dir auch schon vorgekommen?

J.G.: Das passiert durchaus mal. Wir Zeichner reagieren alle etwas nervös auf so etwas, weil man das Gefühl hat, das Bild wird dadurch verdorben. In diesem Buch jedoch hatte ich außergewöhnliche Privilegien: Ich durfte mehrfach nachträglich Hand anlegen – sowohl bei der Farbgebung als auch bei den Übersetzungen. Und gelegentlich konnte ich computergesetzte Soundwords durch Hand-geletterte ersetzen. Ein Lob an Wolf Stegmaier und Fabian Gross, die geduldigsten Verlagsmenschen, die ich kenne. Man muss ihre Nachsicht bewundern, denn Autoren und Zeichner wissen grundsätzlich alles besser.

A.J.: Bist Du zufrieden mit dem Ergebnis?

J.G.: Ich bin sehr zufrieden. So viel mit steuern zu dürfen ist ein echter Luxus. Aber auch ohne diesen Bonus bin ich glücklich mit dem Band. Die meisten Übersetzungen darin sind wirklich gelungen. An manchen Stellen sind den jeweiligen Übersetzern Sachen geglückt, bei denen ich mir denke, das hätte mir beim Schreiben selbst einfallen können. Alles in allem: Das Buch gefällt mir. Mehr als ich mir hätte erträumen lassen.

A.J.: Was ich vermisse, sind Quellenangaben. Wo sind die Geschichten zuerst erschienen?

J.G.: Das erkennst Du ganz leicht an den Produktionsnummern auf der Eingangsseite jeder Geschichte, meist am unteren Rand des ersten oder letzten Panels. Diese Codes verraten dem Kenner das Land der Erstveröffentlichung (z.B: für Dänemark und H  für Holland). Sie nennen auch das Entstehungsjahr.

A.J.: Gibt es in dem Band eine Lieblingsgeschichte?

J.G.: Es gibt eine, an der sich persönlich sehr hänge – die Schlussgeschichte des Bandes, ‚Hochzeit wider Willen‘.

Szene aus "Hochzeit wider Willen". ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson
Szene aus „Hochzeit wider Willen“. ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson

Sie gewährt dem Leser einen romantischen Blick auf Dagoberts Jugend. Hier erfährt er Dinge aus Dagoberts Leben, welche vermutlich niemand dem alten Mann zugetraut hätte (und die dieser auch wohlweislich über die Jahrzehnte geheim gehalten hat).

Kurz gesagt: In Barks‘ wundervoller Geschichte aus den Fünfziger Jahren trat Dagoberts Jugendliebe auf, die schöne Nelly auf, der Stern des Nordens. Jahre später unten am Mississippi begegnete Dagobert jedoch ein zweites Mal der großen Liebe – in Gestalt von Klementine, einer klassischen ‚Southern Belle‘, schön und liebreizend wie eine Magnolienblüte.

Hätte nicht ein grausames Schicksal zugeschlagen, dann hätte Dagobert Klementine gewiss direkt zum Traualtar geführt.

Heute, ein halbes Leben später, sehen wir Dagobert wieder in jenem vergessenen Kaff nahe den schlammigen Ufern des Ol‘ Man River vor dem Traualtar stehen. Allerdings ist er nicht freiwillig da.

Diese Geschichte überhaupt machen zu dürfen, war auch so ein außergewöhnliches Privileg. Zum Zeitpunkt der Entstehung wurden grundsätzlich nur die üblichen Zehnseiter genehmigt. Eine Geschichte von 24 Seiten Länge lag weit über dem verlagsüblichen Limit. Unser Lektor Byron Erickson war jedoch von der Story so angetan, dass er den Verlag davon überzeugte, in unserem Fall eine Ausnahme zu machen.

Schon allein deshalb ist mir diese Geschichte lieb und teuer. Doch über die Qualität zu urteilen, bin ich nicht der Richtige: der Wurm muss dem Fisch schmecken, und nicht dem Angler. Oder: Der Koch kennt all seine Gewürze und hat die Küchendünste in der Nase. Ob das Essen aber am Ende schmeckt, das kann nur der Gast entscheiden. Es gilt unverbrüchlich der Satz: ‚The proof of the pudding is in the eating.‘ (ich schätze, kaum einer errät, von wem diese Erkenntnis stammt … nein, nicht von Churchill oder sonst wem, sondern ausgerechnet von Karl Marx).

Aber nochmal zum Thema Lieblingsgeschichten: ich mag aus speziellen Gründen die Halloween-Geschichte und die  Detektivgeschichte gerne. Rob und ich hatten hier anstatt der bis dahin üblichen zehn Seiten nur acht zur Verfügung, was eine echte Herausforderung ist. Denn das Alleinstellungsmerkmal von Donald ist ja, dass seine Geschichten vielschichtiger sind als etwa Fix und Foxi. Auf acht Seiten jedoch lässt sich weniger komplex erzählen als auf zehn. Was also tun? Sollen in jeder Szene mindestens eine Lampe und ein Klavier umfallen? Slapstick-Komik funktioniert ja immer.

Szene aus "Agentenfieber". ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson
Szene aus „Agentenfieber“. ©2018 Disney Enterprise, Inc./Jan Gulbransson

Aber das genügte Rob und mir nicht. Zum Glück fielen uns zwei Tricks ein, um die Klippe zu umschiffen: Hat man nur wenige Seiten zur Verfügung, konzentriert man sich am besten auf nur eine Haupt- und eine Nebenfigur und einen möglichst übersichtlichen Konflikt.

Wo das nicht geht, schickt man stattdessen richtig durchgeknallte Charaktere auf die Bühne und lässt es krachen. Spinner sind immer interessant und für die braucht es auch keine Tiefenpsychologie. Und die Lampen können stehen bleiben.

Trotzdem, es wäre zu schade, gäbe es nicht gelegentlich Raum für Geschichten mit Ecken und Kanten. Zum Beispiel gibt es in diesem Buch eine Story über die immerwährenden Konflikte zwischen Männern und Frauen. Wie üblich sind sich Donald und Daisy in nichts einig. Doch im Unterschied zu sonst erkennen die beiden diesmal ihr Problem. Verständnis für den anderen, das ist die Antwort. Also sinnen Donald und Daisy, jeder für sich, auf Abhilfe: Donald wird Redakteur bei einer Frauenzeitschrift und Daisy bei einer Sportgazette. Natürlich endet zu guter Letzt alles im Desaster.

Ein schönes Thema. Doch würde es auch für eine kurze Geschichte taugen? Nicht wirklich. Du siehst, ich liebe Herausforderungen: Entweder große Verwicklungen oder knapp und verrückt. Die Ducks sind gut für beides, dem Meister Barks sei Dank!

A.J.: Lieber Jan, vielen Dank für das schöne Gespräch!

Angaben zum Buch: Donald Duck von Jan Gulbransson. Egmont Comic Collection. 2018. Hardcover, in Farbe. 192 Seiten. 20,-€

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