Verlagsporträt: Insektenhaus

Wären seine Comics Bienen, dann würde es nur so summen. Verleger Alexander Kaschte ist mit seinem Verlag Insektenhaus in eine Nische gesprungen.  Da gibt es schonmal Comics ohne Texte, schwarzweisse Meisterwerke oder Horror- und Erotikcomics: Das Verlagsprogramm ist breit gestreut und auch recht erfolgreich. Mit dessen Gründer Alexander Kaschte habe ich ein Email-Interview geführt.  Hier also das Verlagsporträt: Insektenhaus

„Wie ein Geruch von Teufel“ ©Insektenhaus-Verlag
(AJ) Lieber Alexander, viele Comicfans kennen Deinen Verlag „Insektenhaus“ noch nicht. Erzähl uns doch bitte, wie es zur Gründung Deines Verlags gekommen ist?

(AK) Vor etwas mehr als zehn Jahren sah ich mich erstmals mit dem um sich greifenden Zerfall des Tonträgerhandels konfrontiert. Die CD-Verkäufe meiner Band SAMSAS TRAUM sahen alles andere als rosig aus, damals sackte der gesamte Markt um 60% nach unten. Um neben Musik und Merchandising zusätzlich etwas verkaufen zu können, beschloss ich mit meiner Frau Bilderbücher zu veröffentlichen. Weil meine Musik schon immer erzählerischen Charakter hatte, lag das nahe. Später versuchte ich mich erfolgreich an einer Fotodokumentation über Tschernobyl und „eher nicht so erfolgreich“ an Prosa, bis ich 2017 auf die Idee kam, als Überbrückung bis zur Veröffentlichung eines neuen Musik-Albums Comics meiner SAMSAS-TRAUM-Songs zu veröffentlichen – die TRAUMA TALES waren geboren. Über Emanuele Taglietti, der mit der Produktion eines Covers beauftragt wurde, lernte ich zahlreiche italienische Künstler kennen, deren Bücher ich in Folge aus Spaß in Deutschland veröffentlichte. Vor einem Jahr haben wir damit begonnen, zusätzlich Titel französischer Verlage zu lizensieren. Schwups, plötzlich hatte ich einen Comic-Verlag.       

Die „Trauma-Tales“ als Nebenprodukt… ©Insektenhaus-Verlag
Welche inhaltliche Ausrichtung verfolgst Du mit Deinem Verlag?

Mit dem INSEKTENHAUS veröffentliche ich „normale“ Comics, Geschichten fürs Herz, Märchenhaftes, Comics, die mich einfach ansprechen – sie müssen allerdings immer etwas angeschrägt und seltsam sein. Die EDITION TANNENBERG veröffentlicht Erotik-Comics und Trash, sie ist das erfolgreichste Standbein des Verlags. Die KÄFER.COMICS bringen die TRAUMA TALES heraus, hier wird später noch amerikanischer Horror der alten Schule erscheinen. 

Was sind die Highlights unter Deinen aktuellen Veröffentlichungen? Worauf achtest Du als Verleger?

Gerade haben wir Gary Gianni’s 20 000 MEILEN UNTER DEM MEER veröffentlicht, die limitierte Erstauflage in Höhe von 1000 Stück war nach nur drei Wochen ausverkauft. Eine zweite Auflage ist in Vorbereitung. Mit WIE EIN GERUCH VON TEUFEL haben wir Laurent Leveufres aufwändig gestaltete und geletterte Adaption von Geschichten des französischen Fantasten Claude Seignolle herausgebracht, der sein Leben lang düstere Folklore in Frankreich sammelte – so wie die Brüder Grimm in Deutschland Märchen sammelten.

Die EDITION TANNENBERG bereitet sich gerade auf die Veröffentlichung einiger Bücher von Roberto Baldazzini vor, zusätzlich steht neben dem zweiten Teil von MAHARAJA mit Laura Scarpas UNTER DEN STERNEN ein weiterer Porno einer weiblichen Autorin/Zeichnerin an. Die KÄFER.COMICS lassen im September den neunten und vorerst letzten Teil der TRAUMA TALES und endlich den TRAUMA-TALES-Sammelband auf die Menschheit los. 

Als Verleger achte ich im Wesentlichen auf vier Dinge: Meine Künstler müssen zeichnen können. Wenn ich ihre Bücher in die Hand nehme, muss es Klick machen – es muss eine Verbindung zwischen mir und dem Werk entstehen. Die Texte müssen so geschrieben sein, dass sie den Leser/die Leserin abholen und er/sie alles versteht. Tippfehler dürfen nicht vorkommen.  

Aufwändig verarbeitet: „20.000 Meilen unter dem Meer“ ©2021 Insektenhaus-Verlag
Gerade in Corona-Zeiten: Ist das nicht ein großes Wagnis? Noch dazu in einem eher speziellen Segment?

Ja, das ist es. Weil ich allerdings zwanzig Jahre lang mit meiner Musik konsequent meinen Weg verfolgt habe, kann ich auch in Corona-Zeiten nicht anders als nur das zu machen, was ich machen will. Wir haben das erste „offizielle“ INSEKTENHAUS-Jahr, das bald endet, intern bewusst als Lehrjahr betrachtet. In seinem Verlauf haben wir nicht nur die wichtigsten Protagonisten der deutschen Comic-Landschaft näher kennengelernt und unter die Lupe genommen, wir haben auch verstanden, wie der deutsche Markt gestrickt ist.

Du bist selbst auch als Autor tätig: Welche Themen treiben Dich an?

Ich bin ein Mensch der Extreme, es muss thematisch entweder totaler Müll sein – oder sehr emotional. Die Bücher, an denen ich gerade arbeite, sind der beste Beweis dafür. TEARS OF BLOOD ist ein Trash-Feuerwerk, in dem ich mich und ein paar Musiker-Kollegen durch den Kakao ziehe. Ich mache mich in dem 64-seitigen Album ausgiebig über die deutsche Gothic-Szene lustig. Auf der anderen Seite arbeite ich mit Jarek Gach an unserem nächsten Comic nach DER JUNGE LEBT IM BRUNNEN. Dieses Mal beruht er auf einer todtraurigen, wahren Begebenheit. Leider darf ich darüber aber noch nichts verraten. Ehrlich gesagt habe ich ähnlich wie bei der Musik das Gefühl, dass die Themen zu mir kommen – und nicht umgekehrt.

„Märchen aus dem Ermland“ ©Insektenhaus-Verlag
Was sind für Dich die Vorzüge des Comics – auch verglichen mit der Musik?

Wer heutzutage Musik macht, muss sich auf ein wirtschaftliches Desaster einstellen. Oder auf den emotionalen Kollaps, der droht, wenn man, um Geld zu sparen, bei sämtlichen Produktionsschritten mitmischt. Die Produktion eines Albums dauert in der Stilrichtung, in der ich tätig bin, inkl. Komponieren, Texteschreiben, Aufnahmen, Mix und Mastering, Artwork-Erstellung und Foto-Shootings 18-24 Monate. Sie kostet einen fünfstelligen Geldbetrag und spielt am Ende leider nur 2 000 EUR ein, weil Streaming mittlerweile nicht nur physische Tonträger, sondern auch das Medium Download zerstört hat. Man muss seine Band schon wirklich sehr gern haben, um das über längere Zeit durchziehen und aushalten zu können. Keinem Newcomer werden noch irgendwelche Mittel zur Verfügung gestellt – die Leute müssen den Plattenfirmen alles bereits fix und fertig anliefern. Unvorstellbar, wie junge Künstler da ausgebeutet werden.

Beim Medium Comic muss ich den Tanklastzug, den ich in die Luft jage, nicht bezahlen, ich muss ihn nur zeichnen (lassen). Das finanzielle Risiko ist überschaubarer, der zeitliche Aufwand ist – für den Verleger, nicht für den Künstler – geringer. Das ist aber nicht das, was mich antreibt. Mir geht es darum, immer wieder eine neue Geschichte zu erzählen. Und noch eine. Und noch eine. Comics sind für mich ein freies, vielseitiges Medium, das der Fantasie keine Grenzen setzt. Jeder Besuch in einem Comicladen ist für mich deshalb wie ein Gang durch ein magisches Labyrinth, du weißt nie, was dich hinter dem nächsten Buchdeckel erwartet.      

Auch Erotik-Comics gehören zum Programm ©Insektenhaus-Verlag
Welche Veröffentlichungen stehen demnächst an?

Danijel Žeželjs VAN GOGH und DER BUS von Martín Tognola und Ramon Pardina. Zwei Bücher, die gegensätzlicher nicht sein könnten. VAN GOGH hat mich nach dem ersten Lesen dazu animiert, mehr über den Künstler herauszufinden, und DER BUS hat mich angesprochen, wie kein anderes Buch. Wahrscheinlich ist es ein Generationen-Ding für grummelige Einsiedlertypen wie mich, die Star Wars, Iron Maiden und Fußball-Bierbar-Sessions mit Freunden mögen. 

Was ist mit Deinem anderen Standbein, der Musik? Liegt das auf Eis?

Nein. Mit der Musik verhält es sich so, dass sie in Phasen zu mir kommt – dann entsteht sehr viel Material, dass irgendwann gebündelt und veröffentlicht wird. In den letzten Jahren hatte ich eine textliche Durststrecke, während der ich nichts zu sagen hatte. Ich wollte meine Gefühle für mich behalten. Also habe ich nichts gesagt. Ich habe einfach weiter an Instrumentalmusik gearbeitet, was mich mittlerweile viel glücklicher macht als Musik mit Gesang. Privat höre ich fast nur noch Soundtracks, 70er-Prog und Underground-Synthwave. Ich mag es nicht, wenn ich ständig mit Stimmen belästigt werde. Naja. Jetzt geht es bald wieder los, ich habe drei Platten in Vorbereitung und bereite mich mental darauf vor, dass ich mich langsam wieder zu Wort melden muss. 

Verleger Alexander Kaschte ©Jens Meyer
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

Hier gehts zum Verlag: https://www.insektenhaus-verlag.de/

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