Es ist schon eine recht lange Zeit: 16 Jahre lang hat Gerhard Förster als Chefredakteur des Comic-Magazins Die Sprechblase gearbeitet. Jetzt sagt der Wiener langsam Adieu und will kürzer treten, sich anderen Aufgaben widmen. Natürlich soll es das Heft weiter geben – man sucht einen Nachfolger. Eine Ausgabe aber, die Nummer 250, betreut Gerhard noch. Und zuvor hat er mir ein paar Fragen beantwortet, über seine Zeit als Chef und seine Pläne als Rentner. Gerhard Förster sagt Adieu.
(Alex Jakubowski) Lieber Gerhard, Du hörst nach 16 Jahren als Chefredakteur der Sprechblase (SB) auf. Warum?
(Gerhard Förster) Ich bin seit 2020 in Pension, habe aber bis jetzt bloß geschuftet. Vielleicht ist das Pensionistendasein ja nicht so paradiesisch wie ich es mir vorstelle, aber das würde ich gern selbst herausfinden. Außerdem plane ich Comicprojekte zu denen ich nicht komme, solange ich die SB mache.
In all dieser Zeit: Was waren Deine persönlichen Highlights?
Wenn ich für einen Artikel recherchiere und irgendwas Tolles zu einem Comicklassiker entdecke, dann ist das für mich ein kleines Highlight. Rezensionen schreibe ich nicht so gern, das Forschen ist mein Ding, das Schreiben und das Layouten, auch das von Artikeln anderer Autoren. All das liebe ich wie am ersten Tag. Der Peng!-Preis 2013 für die beste Comic-Berichterstattung war natürlich auch ein Highlight. Im November krieg ich in Köln den „Ritter der neunten Kunst” für die SB. Über begeisterte Leserbriefe oder Rezensionen freue ich mich natürlich auch sehr – wer nicht? Auch der tolle Verkauf beim Winnetou I -Buch (Neugebauers Comicversion) war ein Highlight.
Und was magst Du weniger an Deiner Tätigkeit?
Das Auftreiben von Anzeigen für die SB, den Termindruck, der ständig wie ein Damoklesschwert über mir schwebt, und dass es bei jeder SB gilt, tausend Wünsche zu befriedigen. Komme mir manchmal vor wie ein Serviceunternehmen. Das kann einen zeitweise schon ein wenig überfordern.
Welche Anekdoten magst Du uns zum Besten geben?
Hmm… Vielleicht ist es ganz interessant, wie die selbstparodistischen Comics von Heinz Wolf und mir zustandekamen. Der erste erschien in SB 224. In der Vornummer passierten mir gleich zwei Rechtschreibfehler auf dem Cover. Die waren zwar unscheinbar, aber das war trotzdem sehr, sehr ärgerlich. Und so machten wir einen Comic draus, wo ich vor einem Tribunal von anonymen Postingschreibern aus Internetforen (mit Kapuzen) saß und von denen fertiggemacht wurde. Auf diese Weise ist aus einem blöden Missgeschick etwas entstanden, das uns bis heute sehr viel Spaß macht. Und der geniale Strich von Heinz kommt bei den Lesern super an.
Viele wissen: Pünktlichkeit im Erscheinen des Hefts gehörte nicht unbedingt zu den Stärken der Sprechblase… Woran hat es oft gelegen?
Das liegt vor allem an meiner Pingeligkeit. Ich möchte ja jedes Thema so gründlich, gut und interessant wie möglich aufarbeiten. Das braucht viel Zeit und bewirkt auch, dass die Hefte immer so vollgestopft sind. Theoretisch ist mir klar, dass eine Zeitschrift schon aus Termingründen einen Kompromiss darstellt und mein Perfektionismus übertrieben ist. Ich mache hier schließlich keine Comicbibel, sondern etwas, das bloß ein paar Monate im Umlauf ist. Aber in der Praxis… Ich bin nun mal so gestrickt und ich werde mich auf meine alten Tage nicht mehr ändern. So gesehen kann mein Nachfolger auf jeden Fall mit Pünktlichkeit punkten!
Woher hattest Du Dein umfangreiches Wissen? Was waren Deine Quellen?
Ich habe gar kein so großes Wissen, aber ich weiß, wo und wie ich recherchiere. Da hilft mir das Internet sehr viel. Zu Hethkes Zeiten gab es diese Möglichkeit sehr viel weniger. Natürlich habe ich auch Fachbücher und Zeitschriften und ich kenne Comicexperten auf dem einen oder anderem Gebiet. Zum Glück gibt es heute gute Übersetzungsprogramme, denn meine Fremdsprachenkenntnisse sind gering. Diese Programme gab es zu Hethkes Zeiten natürlich auch nicht. Meine Artikelserie „Die italienischen und französischen Wurzeln“, die Hethke stark unterstützte, ist aufgrund der Sprachbarriere entstanden. Kaum jemand hatte Italienischkenntnisse, ich auch nicht, aber ich kannte einen Native Speaker. Die Artikelreihe betraf vor allem Comics aus Hethkes Reprintbereich.
Wie wichtig waren und sind Beziehungen zu den Künstlern?
Beziehungen zu Menschen sind mir generell sehr wichtig. Ich liebe es, Interviews zu lesen, genauso wie Interviews zu führen. Interviews per E-Mail sind natürlich wesentlich weniger Arbeit als mündliche (das Abtippen der Aufzeichnungen ist mühsam und macht keinen Spaß). Letzteres kann sich aber lohnen. Ich habe Jean Giraud zweimal interviewt. Beim ersten Mal schriftlich, da antwortete er bloß mit „Ja“, „Nein“ und „vielleicht“. Beim mündlichen Interview plauderte er locker drauf los.
Der Comicmarkt hat sich die vergangenen Jahre enorm verändert, auch der Markt für Comic-Magazine. Die Sprechblase hatte immer den Focus auf Nostalgie. Eine Entscheidung, die richtig war? Ist?
Auf jeden Fall. Die Nostalgie bewegt die Comicfans am meisten, und das gilt wohl noch mehr für die unsicheren Zeiten, in denen wir gerade leben. Nostalgische Comics sind aus meiner ganz persönlichen Sicht wie eine Erholungsinsel, auf die wir uns begeben, um uns danach gestärkt dem rauen Lebenskampf zu stellen. Du siehst ihre Bedeutung auch daran, dass Gesamtausgaben klassischer Serien zu den bestverkauften Produkten am Comicmarkt zählen. Dass das für das Medium Comic eher kein gutes Zeichen ist, ist allerdings die Kehrseite.
Was muss Dein Nachfolger mitbringen?
Er muss eine gewisse Professionalität als Redakteur mitbringen. Er sollte idealerweise ein breites Grundwissen über klassische Comics haben, sich aber auch für den aktuellen Markt ein wenig interessieren. Die SB hat zwar einen Nostalgieschwerpunkt, muss hier aber breit aufgestellt sein, um eine relativ hohe Auflage zu ermöglichen. Und dann sollte der Nachfolger besser im Delegieren sein als ich. Das gehört nämlich nicht zu meinen Stärken.
Was wünschst Du ihm?
Natürlich das Allerbeste!
Wirst Du der Comic-Szene in anderer Form erhalten bleiben?
Sicher. Ich bin zunächst mal bereit, meinen Nachfolger in der Übergangszeit zu unterstützen, wenn er das wünscht. Ich könnte auch immer mal wieder einen Artikel beisteuern, so wie zu Hethkes Zeiten. Ich werde weiterhin mit viel Engagement die bsv-Reihe Die besten Geschichten aus Fix und Foxi betreuen und zunächst mal den Old Surehand (Neugebauer) fertigmachen. Ich plane aber auch neue Comicprojekte, für die ich keine Zeit habe, solange ich die SB mache.
Was hast Du für ne Überraschung für die letzte Ausgabe parat?
Na, wenn ich´s verrate, ist es ja keine Überraschung mehr. Die 250 wird natürlich zum Teil dem Jubiläum gewidmet. Der größere Teil betrifft aber die Aufarbeitung von Beiträgen, die schon lange, zum Teil sehr lange, auf ihre Veröffentlichung warten. Da sind hochinteressante Sachen dabei.
Danke Dir und alles Gute!
Hier gehts zu einem Artikel über Peter Kronhagels Akim-Buch, das Gerhard betreut hat: https://comic-denkblase.de/nostalgie-pur-akim-und-seine-vaeter
Und hier zur Sprechblase selbst: http://www.die-neue-sprechblase.de/