Blake und Mortimer 2.0: Wenn Zeichner François Schuiten ein Abenteuer der beiden legendären Abenteurer in Szene setzt, darf man sicher sein, daß alles noch geheimnisvoller ist als sonst. Grandios gezeichnete Städte, mysteriöse Vorkommnisse und eine Auflösung, die nicht alle Fragen beantwortet. Vieles in Der letzte Pharao ist so, wie man Schuiten eben von seiner gemeinsamen Arbeit mit Benoit Peeters kennt. Und doch: Mit seiner Version des Klassikers von Edgar P. Jacobs gelingt ihm eine grandiose Fortschreibung. Kongenial: Der letzte Pharao.
Man muss Das Geheimnis der großen Pyramide von Edgar P. Jacobs nicht unbedingt gelesen haben, um den vorliegenden Band zu verstehen. Es schadet aber auch nicht. Gerade erst hat der Carlsen-Verlag die von Jacobs 1949 begonnene Geschichte in einer schicken Gesamtausgabe neu verlegt. Gemeinsam mit den beiden Helden macht sich der Leser darin auf die Suche nach der Kammer des Horus. Er klettert hinab in die Tiefen der großen Pyramide und gelangt auf dunklen Pfaden wieder ans Tageslicht. Nicht sicher, was selbst erlebt, was geträumt, was Halluzination gewesen sein mag?
Fortsetzung eines Klassikers
In Der letzte Pharao springen wir von Kairo nach Brüssel. Im dortigen Justizpalast geschieht etwas merkwürdiges. Mortimer ist extra angereist, um eine unglaublich hohe Konzentration elektromagnetischer Strahlungen zu untersuchen. Die vergangenen Jahre sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Er ist nicht mehr der Jüngste, zudem plagen ihn seit dem Ägypten-Abenteuer Albträume. Das hat sich herum gesprochen, seine Glaubwürdigkeit steht in Frage.
Als hätte man es nicht schon geahnt: Sein Besuch im Palast endet im Desaster. Der Freund, der ihn um Hilfe gerufen hat, verschwindet spurlos. Gleichzeitig wird eine Strahlung freigesetzt, die nicht nur Brüssel total verändert. Auch in London etwa sind die Auswirkungen spürbar.
Mit Atomwaffen gegen Strahlung?
Weil keine Gegenmaßnahme etwas nutzt, will der MI6 mit Atomraketen eingreifen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Mit Atomraketen? Wahnsinn! Das Abenteuer steuert von einem Höhepunkt zum nächsten. Zwischendrin taucht Nessi auf, Katzen übernehmen eine Führungsrolle und Mortimer erkennt: Irgendwie war Ägypten schon immer Teil des Justizpalastes. Er hat es nur nicht wahrgenommen.
Zugegeben: Ich bin großer Fan von François Schuitens Zeichenstil – detailliert, phantasievoll, realistisch und phantastisch. Ägypten nach Brüssel zu holen ist eine Idee, die seinem Stil so weit entgegen kommt, wie es nur möglich ist. Großes Lob an seine Co-Szenaristen Jaco van Dormael und Thomas Gunzig.
Der Meister Schuiten selbst spielt mit seiner Liebe für Architektur, läßt in wenigen Panels die Dampflok 12.004 gen Brüssel rasen und erweist dem Schöpfer von Blake und Mortimer noch ausreichend Ehre. Kenntnisreich greift er auf die Vorläufer-Geschichte zurück, baut Anspielungen ein, lässt wichtige Elemente des Originals erkennen – und bleibt dabei sich selbst treu.
Kurzum: Warum hat es eigentlich so lange gedauert, bis jemand auf die Idee kam, François Schuiten ein Blake und Mortimer-Abenteuer zeichnen zu lassen? Bleibt zu hoffen, dass es nicht bei dem einen Album bleibt, sondern Schuiten ähnlich wie André Julliard eine Reihe von Geschichten zu Papier bringen darf. Meinen Daumen hat er!
5 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Der letzte Pharao. Die Abenteuer von Blake und Mortimer, nach Edgar P. Jacobs. Szenario: Jaco van Dormael, Thomas Gunzig und François Schuiten. Zeichnungen: François Schuiten. Kolorierung: Laurent Durieux. Hardcover, farbig. 92 Seiten. Carlsen-Verlag. 19,99€.