Woyzeck. Auf einen Kaffee mit: Andreas Eikenroth

Lange haben wir keinen neuen Comic von Andreas Eikenroth in die Hände bekommen. Der in Gießen wohnende Zeichner hat sich zuletzt etwas rar gemacht. Doch schon bald können sich die Freunde seines Zeichenstrichs auf ein neues Werk freuen. Mit ein wenig Glück wird das neue Album Woyzeck Ende Juni zum Comicfestival in München erscheinen.

(AJ) Lieber Andreas, schön daß es bald etwas Neues von Dir zu lesen gibt. Es wird dieses Mal um ein Werk aus der Literatur gehen. Womit können wir rechnen?

(AE) Es ist die Comicversion von Büchners Woyzeck. Da das Ganze ja ein Bühnendrama ist, bezeichne ich meine Version als grafische Inszenierung. Ich bin also gleichzeitig Regisseur, Dramaturg, Bühnen- und Kostümbildner.      

Szene aus Woyzeck von Andreas Eikenroth
Szene aus „Woyzeck“ von Andreas Eikenroth ©Andreas Eikenroth

(AJ) Warum Woyzeck? Was verbindet Dich mit diesem Thema?

(AE) Ich bin mit Woyzeck, beziehungsweise mit dessen Autor Georg Büchner, in zweierlei Hinsicht verbunden. Zum einen arbeite ich hauptberuflich am Theater und bin Woyzeck dort schon x-fach begegnet: In den unterschiedlichsten Inszenierungen, als Schauspiel, als Oper, als Tanz und sogar schon als Puppenspiel. Zum anderen wohne ich in Gießen. Und die Stadt ist, zusammen mit Darmstadt, der Schauplatz, den Büchner für seine Story wohl im Kopf hatte, da er eine Weile hier gelebt hat. Die Figur des Doktors beispielsweise hat ihr Vorbild im Gießener Professor Wilbrand, der zu Büchners Zeit in Gießen lehrte. Und hier um die Ecke, auf der Badenburg, verfasste Büchner auch sein Pamphlet Der hessische Landbote: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen.“  

Ich laufe also täglich durch Woyzeck-Land, da war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mich mit der Geschichte irgendwann auch zeichnerisch auseinandersetzen musste.  Zudem fiel mir irgendwann mal auf, dass Woyzeck im Internet bei der Buchbewertung nur schlappe 38% positives Feedback hat. Was vermutlich daran liegt, dass dieser Klassiker in der Schule oft staubtrocken vermittelt wird. Ich wollte die Geschichte also so erzählen, wie ich sie am Überzeugendsten finde. Denn der Stoff ist immer noch absolut packend und aktuell.  

(AJ) Ist Deine Geschichte nah am Original oder künstlerisch frei?  

(AE) Woyzeck ist ja eigentlich „nur“ ein Fragment. Georg Büchner hat die Geschichte nie ganz vollenden können, da er schon mit 23 Jahren abgetreten ist. Es gibt also mehrere Entwürfe von ihm, unterschiedliche Versionen, die er wohl noch miteinander verknüpfen wollte. Die gängige Reclam-Version ist da nur eine Möglichkeit. Der Film mit Kinski erzählt das wieder ein wenig anders. Ich habe mich also mit allen existierenden Versionen und Szenen beschäftigt und sie so verknüpft, dass sie für mich den schlüssigsten und spannendsten Handlungsbogen ergaben. Auch textlich bin ich nah am Original geblieben, die Sprache funktioniert heute noch sehr gut. Ich habe bloß einiges zusammengekürzt, Wiederholungen weggelassen, die vielleicht auf der Bühne Sinn ergeben, aber im Comic redundant wirken.

Charakterskizzen von Andreas Eikenroth
Charakterskizzen ©Andreas Eikenroth

Nur manche heutzutage gänzlich ungeläufigen Worte habe ich angepasst, ohne jedoch wirklich in die Vorlage einzugreifen und sie mit dem Holzhammer zu modernisieren. Also Woyzeck sagt bei mir nicht so was wie: „Endgeil krass, Aldah, gönn‘ dir mal“ oder ähnliches. Aber wer weiß heute schon noch, dass mit dem „Hafen“ im Text ein „Nachttopf“ gemeint war. Solche Worte habe ich dann eben aktualisiert.

Zudem habe ich auch die Handlung vom Anfang des 19. Jahrhunderts an den Anfang des 20. Jahrhunderts verlegt, meine Kulisse ist also eine diffuse Weimarer Republik. Um das zeichnerisch einzufangen, habe ich mich von Künstlern aus dieser Zeit inspirieren lassen, wie George Grosz oder Jeanne Mammen.    

(AJ) Wie lange hast Du an dem neuen Comic gearbeitet?  

(AE) Von der ersten Auseinandersetzung mit den verschiedenen Texfragmenten bis zur letzten Coverkorrektur knapp ein Jahr.      

Cover von Woyzeck, dem neuen Comic von Andreas Eikenroth
Cover zum neuen Comic von Andreas Eikenroth ©Andreas Eikenroth

(AJ) Kannst Du bitte beschreiben, wie Du dabei vorgehst?

(AE) Anfangs habe ich mir erst einmal alle Versionen von Büchners Texten besorgt. Vom gängigen Reclam-Heft über die eher selten verwendeten Erstentwürfe. Und Werner Herzogs Film habe ich mir auch nochmal angeschaut. Dann habe ich die Szenen so zusammengestellt, dass für mich das spannendste und schlüssigste Storyboard entstand. Woyzeck ist ja ein Bühnenstück, also hatte ich die Idee, den Comic als „grafische Inszenierung“ zu zeichnen. Ich habe also die Seiten ohne Panels angelegt, stattdessen mit ganzseitigen Bildern, in welchen die Zeit- und Handlungseben ineinander übergehen. So als wäre jede Seite ein anders Bühnenbild, eine andere Szenendekoration, bloß ohne den Zwischenvorhang und Umbau auf der Bühne.  

Gezeichnet habe ich dann ganz oldschool mit Tusche auf Papier im A3 Format. Die Vorzeichnungen dazu mit Blaustift, da ich die Koloration am Computer mache und mir so das Radieren erspare. Aber auch die Koloration ist bei mir ziemlich oldschool, denn vermutlich bin ich der einzige, der noch mit „Photoshop 7:0“ arbeitet (grinst).

Nein, nicht Woyzeck himself… Da grinst Andreas Eikenroth.

(AJ) Wann und wo wird der Comic erscheinen?

(AE) Der Band ist hoffentlich zum Münchner Comicfestival (20.-23. Juni 2019) fertig, so ist jedenfalls die Planung. Er wird in Din A 4 und mit Hardcover erscheinen, ganz in Farbe. Verlegt wird er bei der EDITION 52, wo auch meine letzen Comics, „Die Schönheit des Scheiterns“ und „Hummel mit Wodka“ erschienen sind.

(AJ) Wir sind gespannt, vielen Dank!

(AE) Danke auch!

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