Cartoonist Oliver Ottitsch hat soeben ein recht morbides Werk veröffentlicht. „Die Liebe ist stärker als der Tod“ heißt es, doch der Titel täuscht über den Inhalt hinweg. Es wimmelt nur so voller abgehackter Köpfe, das Blut spitzt, auf jeder dritten Seite wartet der Tod. Der Zeichner veröffentlicht seine Karikaturen normalerweise in der Titanic, im Stern oder auch in der TAZ. Erstmals hat der Österreicher jetzt auch ein paar Comicseiten gezeichnet, die hier veröffentlicht werden. Über seine Vorliebe für die Dunkle Seite und über seinen Wunsch, demnächst vielleicht mehr Comics zu zeichen, hier unser Comic-Denkblasen Email-Interview:
Lieber Oliver, Du hast eben ein Buch veröffentlicht mit Cartoons und Comics zum Thema Tod. Was ist für Dich so faszinierend daran?
Der Tod ist nicht ein Thema unter vielen. Er ist DAS Thema. Gerade für den Humor. Der Tod betrifft alle. Da bekommt man ein Bewusstsein geschenkt und im nächsten Moment wird es einem schon wieder weggenommen. Das ist die ultimative Kränkung für jedes Ego. Ich bin so wunderbar, mich sollt’ es ewig geben. Und der Tod sagt Nein. Das ist beunruhigend. Es verstört und verunsichert uns. Dieses permanente Hintergrundrauschen, mit dem unser Leben unterlegt ist, rund um die Gewissheit, dass wir verlöschen.
Hier springt uns der Humor zur Seite. Der schönste Humor, schwarzer Humor, entsteht wenn man sich mit dem Ausweglosen konfrontiert. Er tritt an, um dem etwas entgegen zu setzen. Um nicht in reiner Fassungslosigkeit zu erstarren. Tod und Leid sind jene Dinge für die wir Ihn am dringendsten brauchen. Nicht um sie abzuschaffen. Das können wir nicht. Aber um ihnen ins Antlitz blicken zu können und sie dennoch zu ertragen.
Die Zeichnungen sind zum Teil recht makaber. Wie sind die Rückmeldungen auf Deine Veröffentlichungen?
Wer sich schon länger mit meiner Arbeit beschäftigt, erkennt, dass hier der Wille eines Künstlers zum Ausdruck kommt, sein Vokabular zu erweitern. Viele betonen auch, dass sie die servierte Mahlzeit als deftig empfinden. Und deftig soll es ja auch sein. Weil es schön ist. Etwas das einen nicht kalt lässt. Das einen durchrüttelt.
Wer ständig lauwarm gebadet wird, ist es vielleicht nicht mehr gewohnt, dass Kunst, insbesondere auch komische Kunst, konfrontativ sein kann und einen durch Abgründe hindurch führt. Für mich war es stets der größte Lustgewinn, wenn Zeichner die dunklen Seiten der menschlichen Existenz erkundet haben, jene Seiten, die auch dann da sind, wenn wir sie aus unserer Mitte zu verbannen versuchen. Jean-Marc Reiser, Roland Topor, Robert Crumb und Manfred Deix, waren, neben anderen, hierfür Wegbereiter. Zumindest im Feld des modernen Comic und Cartoon. Am Selbstverständnis solcher Traditionslinien orientiert sich auch meine aktuelle Arbeit.
Als würde man Dämonen heraufbeschwören, um sie in ein Bild zu bannen. Wo man sie betrachten kann, diese aber keinen Schaden mehr anrichten können. Die Kunst ist einer der wenigen Orte, an dem wir diese reinigende Übung unbeschadet vollziehen können. Wer aus dieser Konfrontation am Ende mit einem kleinen Stück Witz wieder auftaucht, hat etwas Heilsames beigetragen.
Jetzt hast Du erstmals auch ein paar Comicseiten gemacht. Worin liegt für Dich der Unterschied zwischen Cartoon oder Comic?
Übertragen auf die Literatur könnte man vielleicht sagen, der Cartoon ist Aphorismus, der Comic Prosa. Tatsächlich habe ich immer auch Comics gemacht. Und gelesen. Parallel mit Cartoons. Seit meiner Schulzeit. Ein Mad Taschenbuch hatte einst den Startschuss geliefert. Kurz darauf folgten Walter Moers, Ralf König und diverse Underground Comix.
Jedoch haben, seit ich veröffentliche, also seit etwa zehn Jahren, die Cartoons absolut dominiert, da ich die Chance hatte, diese auch in Magazinen zu veröffentlichen. Und so hatte ich mich da voll hineingestürzt, weil es funktioniert hat, weil ich dadurch als Cartoonist tatsächlich arbeiten konnte. Eigentlich war mir der formale Unterschied nie so wichtig, zwischen etwas in einem Bild erzählen, oder in einer Sequenz, dass man sich für ausschließlich eine Form entscheiden müsste. Wichtig war Humor und Komik. Zusätzlich eine Liebe zur Ästhetik des Comic und ein Zugang zum Zeichenstift als Ausdrucksmittel.
Musst Du anders daran herangehen?
Comics zu machen, vor allem mehrseitige Geschichten, erfordert eine andere Planung. Erfordert mehr Genauigkeit und erhöhte Konzentration über einen längeren Zeitraum. Je mehr Elemente du miteinander in Einklang bringen musst (innerhalb eines Panels, Panel zu Panel, Gesamtseitenkomposition zu…), desto arbeitsintensiver wird es. Dafür kann man mehr reinpacken, vielschichtiger erzählen, als wenn man immer nur innerhalb einer Kürzestform, wie dem Cartoon operiert. Die Arbeit an Die Liebe ist stärker als der Tod hat mich auf jeden Fall gelehrt, wie viel ich noch lernen kann und weiterhin möchte.
Hast Du Lust, das Comicmachen auszubauen? Vielleicht auch mal ein komplettes Album anzugehen?
Sehr gerne. Abgesehen davon, dass Comics zu machen einen erhöhten Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert, stellt es eben auch eine äußerst reizvolle Herausforderung dar. Das größte Problem ist eher, ob ich mir das leisten kann. Wenn ich ein halbes Jahr oder ein ganzes oder mehr an einem Comic sitzen muss, kann ich mir das nur leisten, wenn ein Verlag auch bereit ist, mich, samt Vertrauensvorschuss, für diese Zeit angemessen zu entlohnen. Wenn mich jemand kontaktiert, um unter dieser Voraussetzung ein Ottitsch Album oder eine Graphic Novel zu produzieren, hole ich gerne meine Ideen aus der Schublade.
Angaben zum Buch: Die Liebe ist stärker als der Tod. Hardcover, farbig, 96 Seiten. Scherz & Schund. 20 €
Hier gehts zum Künstler: http://oliverottitsch.com
Und hier zum Verlag: https://www.scherzundschund.at/