Im Frankreich-Urlaub einen Comic-Krimi lesen, der überwiegend in Spanien spielt? Geht. Mehr noch: Das ist eine absolut tolle Kombination. Denn Barcelonas dunkles Herz entführt mich nicht nur in ein anderes Land, sondern auch in eine vergangene Zeit. Familiendrama, Gewalt, Korruption und Prostitution. Das Team um Ruben Pellejero fährt alles auf, was Fans klassisch erzählter Gauner-Geschichten lesen wollen.
Hauptfigur ist Don Carlos. Ein mächtiger Mann. Besitzer von Bars und Bordellen. Skrupellos, machtbesessen und doch mit einem weichen Kern – irgendwo. Doch bevor Don Carlos zum großen Macher wird, sieht man ihn erst einmal als kleinen Carlitos. Rücksprung.
Vom unschuldigen Kind zum kaltblütigen Killer
Mit unschuldigem Blick schaut er uns an. Verzweifelt fast. Denn gerade erst ist er Halbwaise geworden. Wie alt wird er sein? Vier, fünf – vielleicht sechs Jahre alt? Seine Mutter liegt in den Trümmern ihrer Wohnung. Halbnackt, mit einem Messer wurde ihr ein Kreuz unter den Bauchnabel geritzt. Wer hat der Frau das angetan? Ist der Mörder auch für andere tote Frauen verantwortlich?
Keiner weiß es. Polizist José Santos Pedregal begibt sich auf Spurensuche. Doch hat er auch ehrbare Absichten, der Gesetzeshüter? Oder will er nur Karriere machen unter der Regentschaft des General Franco? In einem Spanien, das nach Bürgerkrieg und Zweitem Weltkrieg unter der Diktatur mitunter fast anarchistische Züge trägt.
Franco, Schmuggel… Anarchie?
Carlitos jedenfalls wird vom Jungen zum Mann. Wird Schmuggler, Liebhaber, Unterweltgröße. Vielleicht zum mächtigsten Mann in ganz Barcelona, in dem es fast so zugeht, wie man sich Chicago zur Zeiten der Prohibition vorstellen mag.
Carlitos (oder ist es schon Carlos?) besorgt Jazz-Platten und Champagner. In Perpignan (jetzt sind wir ja doch in Frankreich) hat er dafür nicht nur eine Partnerin, sondern auch eine Geliebte. Bei der er nach dem Krieg zunächst im Gemüseladen arbeitet und Jahre später eine andere Geschäftsbeziehung mit ihr aufbaut.
Champagner und Gemüse
Dass der Schmuggel gefährlich ist und am Ende auch die Polizei aus dem Weg geräumt werden muss, versteht sich in der Geschichte von selbst. Das weiche Kind ist längst zum harten Killer geworden. Und dann kreuzen ja auch noch drei Frauen seine Wege – eine davon kennen wir schon – ja, die Gemüsehändlerin…
Genau sie wird nach Jahren des Kampfes zu Carlos vermutlich letzter Anlaufstelle. Als er offenbar müde oder altersmilde einen Ausweg oder Neuanfang sucht. Rund 30 Jahre nachdem sich beide zum ersten Mal begegnet sind. Und haargenau an dem Tag, als verkündet wird: General Franco ist tot.
Geschichte(n) im Comic
Man muss kein Kenner der spanischen Geschichte sein, um Barcelonas dunkles Herz mit Genuss lesen zu können. Hier und da sind Anspielungen zu erkennen. Plakate an der Wand, Revolutionsparolen. Aber die Geschichte funktioniert auch ohne historisches Grundwissen.
Ein Comic-Krimi, wie gemacht, um ihn in sengender Sommerhitze zu lesen. Genau die richtige Urlaubslektüre – um für einen Moment in eine entfernte Zeit zu reisen. In der Recht und Gesetz offenbar mehr als einmal nicht miteinander vereinbar sind.
Beste Urlaubslektüre
Barcelonas dunkles Herz: Sehr gute Krimi-Unterhaltung, die weniger durch ihren spannenden Plot überzeugt, als vielmehr durch die Entwicklung ihrer Hauptfigur und durch die eleganten, klaren Zeichnungen.
4 von 5 Comic-Denkblasen
Angaben zum Buch: Barcelonas dunkles Herz | Zeichnung: Ruben Pellejero / Eduard Torrents / Martin Pardo · Szenario: Denis Lapière / Gani Jakupi | 144 Seiten | gebunden | Farbe | Schreiber & Leser | € 29,80
Hier gehts zum Verlag: Schreiber & Leser
Noch eine Krimi-Comic-Empfehlung gibts hier: Blacksad